Ich– Virologe– wünsche mir, dass @hendrikstreeck Recht hat und wir einfach die Risikogruppen schützen können, ohne sie komplett vom sozialen Leben abzuschirmen, und wir dann ohne schmerzhafte Maßnahmen weitermachen können (ich vermisse Restaurants auch sehr)!
Die Realität sieht für mich aktuell eher so aus, dass wir gar nicht umhin kommen, *beides* zu machen– alles dran setzen, die Fallzahlen zu drücken *UND* so viel zu investieren wie möglich, um bspw Pflegeeinrichtungen bestmöglich zu schützen!
Meine Meinung zum Interview ⬇️
Die Sache mit dem @kbv4u-Papier überspringe ich mal zum größten Teil– wurde schon alles zu gesagt. Nur so viel:
War/ist der Shutdown gerechtfertigt? Antwort: Zahl der Infektionen mit Shutdown senken ist nachvollziehbar. Aber da die Neuinfektionen schon leicht abflachten, hätte man zuwarten können. Gekonnte Nachfrage des @derspiegel:
Was ist das denn für eine Antwort, jetzt wieder die Langzeitstrategie auszupacken? @hendrikstreeck, sag ja oder nein, dann kann man die von Dir gewünschte „offene Diskussion“ führen!
Langzeitstrategie ist super wichtig, keine Frage, aber *anderes* Thema! Mehr dazu unten…
Zur Streeck-Ampel ist eigtl auch schon alles gesagt. Nett, sicher kein Schaden und ggf. sogar wirklich hilfreich. Aber wieso kann nicht wenigstens das Inst. f. Virologie in Bonn mal beispielhaft so ne Ampel zB für Bonn oder den Rhein-Sieg-Kreis online stellen?
Ich bin aufrichtig interessiert: gibt es denn ein gutes Beispiel für einen Landkreis, in dem eine stabil hohe Zahl an Neuinfektionen letztlich *nicht* zu einem Anstieg der hospitalisierten Patienten geführt hat? Oder zu einem Eindringen in höhere Altersklassen?
Gute Nachfrage des @derspiegel (⬇️) , interessante Antwort– Lockdown also doch nicht übereilt? Oder doch?
Weitere extrem gute Frage: was müsste passieren, wenn eine Ampel auf Rot springt? Antwort: naja, schon auch schärfere Maßnahmen, aber ceterum censeo: Langzeitstrategie!
Also gut– zur Langzeitstrategie. Was ist der Vorschlag von @hendrikstreeck? Da bin ich nicht sicher– alles, was im Interview steht, liest sich wie: wenn wir die Risikogruppen schützen, brauchen wir uns um den Rest keine Sorgen machen und keine harten Maßnahmen (Restaurants zu).
Zwei Einwürfe meinerseits hier: 1) Was sind Risikogruppen? Hier hat @hendrikstreeck selbst eine gute Antwort (⬇️): sie sind extrem schlecht greif- und definierbar. Mit viel medizinischer Info und geeigneten Apps/Algorithmen sei das indiv. Risiko aber mittlerw. gut zu bestimmen.
Wenn dem so ist– da bin ich nicht sehr gut informiert– ist das wirklich hilfreich, aber dann könnte man (also z.B. ein Forscher wie @hendrikstreeck) ja mal in einer Studie untersuchen, wieviel % der Bevölkerung wirklich ein Risiko haben. Bisherige pauschalere Studien sagen ~30%.
Diese Menschen dann zu schützen wäre im Großen und Ganzen das Anbieten von kostenlosen Masken und anderen Hilfsmitteln, und Sie bei der freiwilligen Isolation zu unterstützen. OK, immerhin ein Vorschlag; allerd. wird der die Krankenhsr nur freihalten, wenn alle freiw. mitmachen.
Einwurf 2): eine sehr gute Freundin von mir ist im Ges.amt für Pflegeeinrichtungen zuständig. Über sie bekomme ich einiges mit und ich frage mich, ob @hendrikstreeck sich hands-on mit dem Thema befasst hat. Ihre Schilderungen passen so gar nicht zusammen mit der (gutklingenden!)
Forderung, dass alle Besucher, Pfleger, Reinigungspersonal, Lieferanten, … am Eingang per Ag-Schnelltest getestet werden sollen. Wer nimmt die Abstriche?? In welchen zwei gut zu desinfizierenden Räumen? (Zwei, da bei pos. Test der Raum erst gut gereinigt werden muss)
Demente Menschen regelm. abstreichen und dazu bringen, die FFP2 korrekt im Gesicht zu behalten? Ein einziger falsch-neg. Test genügt, um Ausbruch zu verursachen– und die werden auch aktuell mitunter nur schwer unter Kontrolle gebracht, trotz Verwendung von FFP2 und Ag-Tests!
Ich halte das alles also *wirklich* für gute Vorschläge und unterstütze absolut, dass solche Konzepte ausgebaut und umgesetzt werden. Ich bezweifle aber extrem, dass sie ausreichen würden, vulnerable Gruppen ausreichend zu schützen, wenn die allgem. Inzidenz beliebig hoch ist!
Der letzte Punkt im Interview, den ich herausgreife, ist: die Rolle der Asymptomatischen. Die Frage treibt ja auch alle Querdenker-nahen Diskutanten um. Aufrichtige Frage an @hendrikstreeck: wie erkennst Du als Arzt zum Zeitpunkt des Tests, ob …
… jemand „wirklich gar keine Symptome“ hat, oder die in ein, zwei, drei Tagen entwicklen wird? Oder war schon der leichte Kopfschmerz am Morgen bereits ein Symptom? Unstrittig ist ja– hoffentlich– dass Patienten bereits *vor* Einsetzen der Symptome ansteckend sind. Welchen…
… Sinn macht es dann, nur symptomatische Menschen in Quarantäne zu stecken, wie im Interview vorgeschlagen? Vielleicht verstehst Du als Mediziner das einfach besser als ich Biologe, darum frage ich ganz direkt.
*Akademisch* spannend ist die Frage mit den Asymptomatischen sicherlich, nur die Alltagsrelevanz erschließt sich mir nicht ganz.
So, soviel mal mein Beitrag zu einer offenen Diskussion– bei einer solchen muss man ja nicht einer Meinung sein.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Interview mit @CiesekSandra und das ⬇️ machen noch eins deutlich: viele schielen zu einseitig auf die Intensivfälle & v.a. die Sterbefälle! Auch ein #COVID19-Patient auf Normalstation, ja sogar beim Hausarzt, ist kompliziert und verschärft die Lage im Gesundheitssystem! Wieso? 1/
1) Man muss Patienten isolieren und dafür ganze Bereiche (Warte- u. Behandlungszimmer beim Arzt / Stationen im Krankenhaus) für andere Patienten sperren. Dadurch fällt indirekt schon ein Teil der normalen Versorgung weg!
2/
2) Bei Problem / Notfall kann ein #Pfleger nicht einfach mal kurz ins Zimmer reinschneien und nach dem Patienten sehen. Die brauchen zuerst Schutzausrüstung und müssen sich danach gut desinfizieren. Also: auch Personal muss speziell für die #Corona-Station abgestellt werden.
3/
🤧🤒 Erkältungssaison! Warum manche Viren sich nur zu bestimmten Jahreszeiten schlagartig verbreiten und ob das auch für #SARSCoV2 / #COVID19 eine Rolle spielt!
Hauptfaktoren für Saisonalität sind 1) Wetter, 2) Raumklima und 3) unser Sozialverhalten. Für jedes Virus gibt es eine optimale Kombination aus diesen Umgebungsfaktoren, unter denen es sich dann am effizientesten verbreitet. #Influenza Nov-Apr, „normale“ #Coronaviren Dez-Apr, 3/
Danke f. d. befreiten Artikel, Hendrik @hendrikstreeck! Ich finde auch, dass die Kritik speziell an diesem Beitrag über das Ziel hinausschoss– der Grundaussage würde ich zustimmen (#SARSCoV2 wird endemisch). Im Detail kann ich die Argumentation aber nicht immer nachvollziehen. 1/
Natürlich müssen Positivenzahlen auch in Relation zur Gesamtzahl an Tests gesehen werden, ich denke, das ist mittlerweile aber auch allgemeiner Usus. Aber: welche Information ziehst Du zusätzlich aus den (Intensiv-)Belegungszahlen? 2/
Du sagst ja selbst, dass die Belegung automatisch steigt, wenn die allgem. Fallzahlen steigen. Weshalb machst Du Dir persönlich mehr Sorgen, wenn 30 Intensivfälle im Krankenhaus liegen, als wenn sich 50 junge Leute bei ner Party angesteckt haben? Letztere gehen am nächsten Tag 3/
Und wieso ist die Frage, ob „#COVID19 exponentiell wächst“ oder nicht weder sehr aufschlussreich noch neu?
All diese Fragen hängen in ihrem Inneren mit einer verrückten Eigenschaft des neuen #Coronavirus#SARSCoV2 zusammen, der sog. Überdispersion- häufig Faktor „k“ genannt. 2/
Viele kennen vermutlich den Faktor „R0“, der bei Infektionskrankheiten die zu erwartende Anzahl an Personen angibt, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Bei der Grippe z.B. ist das tatsächlich halbwegs homogen, bei anderen Erregern, wie eben ganz extrem bei SARSCoV2, 3/
Lieber Herr Oberst, Danke erstmal für Ihre Antwort!
Ich mag Ihre Unterscheidung zwischen „rechtlicher“ und „ethischer“ Betrachtung nicht ganz mitgehen. Es gibt ja kein Gesetz, dass Pandemie-Maßnahmen explizit regelt. Die Auslegung, die Sie versuchen, ist dann doch wieder Ethik.1/
Sie stellen Ihre Grundannahme dann abermals als unstrittig (#alternativlos) dar: „Das kann man nicht ernsthaft in Zweifel ziehen“. Natürlich kann man! Bleiben wir beim Bsp. Durchseuchung: müsste man von nur 3 Toten ausgehen, und würde dafür Millionen anderer existenzielle Not 2/
ersparen, würden das vermutlich doch viele „ernsthaft in Zweifel ziehen“. Wären es 3000 Tote, wäre es schon etwas strittiger– dann hätten wir etwa die Situation wie im Straßenverkehr. Wir WISSEN, dass er tausende Tote zur Folge hat, aber erachten den allgem. Nutzen als höher. 3/
Vielen Dank Herr Oberst für diesen spannenden Thread! Klare Leseempfehlung!
Ich möchte aber ein paar Anmerkungen dazu loswerden. Im Ggs zu Ihnen bin ich kein Philosoph, erlaube mir aber dennoch ein paar Einwände, zumindest gegen die implizierte Eindeutigkeit der Ethik.1/
Ich versuche mich im eigenen Interesse (und dem meiner Familie 😉) kurz zu fassen. In Ihrer Eingangsbetrachtung verwenden Sie griffigerweise das Bsp. des Risikos durch Verkehrsunfall, vor dem uns der Staat nicht „mit radikalen Konsequenzen“ schützt. Ich führe aus: er könnte ja 2/
das Autofahren in Innenstädten von 7:30-8:30 und 12:00-13:30 Uhr verbieten, um Kinder auf dem Schulweg vor dem Verkehrstot zu bewahren. In Kauf genommen würden ganz erhebliche Eingriffe in die Freiheit z.B. aller Erwerbstätigen, die zum Arbeitsplatz müssen (u.v.a.m.). 3/