Kennt ihr schon #CeciliaPayne, die #Astrophysikerin, die herausgefunden hat, dass Sterne aus #Wasserstoff bestehen? @swr2wissen widmet ihr heute eine ganze Sendung und ich durfte ein paar Worte zu #Gender und #Wissenschaft beisteuern. Weitere Details dzu hier im Thread 👇 1/x
Eine wichtige Frage ist ja, warum #Forscherinnen wie #CeciliaPayne heute kaum bekannt sind - trotz der bahnbrechenden Erkentnis, die ihre Forschung zu Tage gebracht hat. 2/x
Dies hat, so meine These, mit #Geschlechterverhältnissen in der #Wissenschaft zu tun. Der weit verbreitete Einwand, es gäbe einfach zu wenige #Frauen* – oder zumindest nicht genügend #Wissenschaftlerinnen ist hierfür ein Symptom. 3/x
#Frauen wurden sehr lange institutionell aus der #Wissenschaft ausgeschlossen und ihre Forschungsleistung systematisch abgewertet. Dies wirkt auch auf das kulturelle Gedächtnis und führt zu androzentrischen Repräsentationen von #Wissenschaft 4/x
Die betrifft gerade auch die Natur- und Ingenieurswissenschaften. Historisch ist dort das hegemoniale Bild dasjenige eines weißen, genialen Mannes, der keinerlei ‚irdische‘ Verpflichtungen hat, außer der, seiner wissenschaftlichen Berufung nachzugehen. 5/x
Beispielsweise zeigt Inka Greusing, wie in den #Ingenieurwissenschaften #Heteronormativität und geschlechtliche Schließungen mit Hilfe der Figur der sogenannten "Ausnahmefrau" reproduziert werden. 6/x
shop.budrich-academic.de/produkt/wir-ha…
Dabei wirkt immer noch nach, dass sich die moderne #Wissenschaft zunächst als ein männlicher Raum konstituiert hat. Die Frauenbewegungen um 1900 mussten sich das Recht auf höhere Bildung erst erkämpfen. In Preußen wurde das Frauenstudium erst 1908 per Gesetz ermöglicht. 7/x
Mit ihrem Einlass in die Wissenschaft hatten #Wissenschaftlerinnen wie #CeciliaPayne zugleich mit einer #Abwertung ihrer Forschungsleistung zu kämpfen. Führungspositionen bekamen sie trotz herausragender #Qualifikation und #Expertise nicht. 8/x
#CeciliaPayne hat über Jahrzehnte hinweg in Harvard in einer für ihre Qualifikation absolut unterbezahlten Position gearbeitet. Sie hielt Vorlesungen, durfte sich dabei aber nicht Professorin nennen – und es auerte lange, bis sie mit ihrem Name im Vorlesungsverzeichnis steht. 9/x
Für dieses Phänomen des ‚Übersehen‘ der wissenschaftlichen Leistungen von Frauen hat die geschlechterbezogene Wissenschaftsforschung sogar einen Namen: Es handelt sich um den #MatildaEffekt 10/x
Die Wissenschaftshistorikerin Margaret Rossiter prägte hierfür bereits 1993 den Begriff des Matilda Effekts, mit dem sie beschreibt, wie die wissenschaftlichen Leistungen von marginalisierten Wissenschaftler*innen weiter geschmälter werden. 11/x
garciaproject.eu/wp-content/upl…
Es handelt sich also um den #darktwin des Matthäus-Effekts, mit dem beschrieben wird, wie sich wissenschaftlicher Erfolg systematisch selbst potenziert und diejenigen mit einer hohen Sichtbarkeit quasi wie von selbst weiter zitiert, gehört und mit Preisen belohnt werden. 12/x
Der Begriff Matthäus-Effekt, von Robert K. Merton geprägt, geht auf das Biblische Gleichnis aus dem Matthäus-Evangelium zurückt: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, (…) wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ 13/x
In ihrem Aufsatz widmet sich Rossiter dem zweiten Halbsatz des Gleichnisses und zeigt, dass #Geschlecht eine eigene Kategorie des ‚Mangels‘ in der #Wissenschaft ist. 14/x
Sie führt dutzende Fälle von Wissenschaftlerinnen an, deren Ergebnisse sich von ihren männlichen Kollegen angeeignet wurden und deren Erfolg systematisch kleingeredet wurde. Etwa der Fall von #LiseMeitner oder auch der #Biochemikerin #RuthHubbard 15/x
Und heute? Die Ausschlüsse wirken m.E. bis heute nach und es ist wichtig, dass die geschlechterbezogene #Hochschulforschung hier eine systematische #Reflektion über das Verhältnis von #Wissenschaft, #Geschlecht und #Androzentrismus ermöglicht 16/x
Ebenso wichtig ist es aber auch, den Blick zu erweitern und die historisch gewachsenen und sich wandelnden #Ungleichheiten und #Ausschlüsse in der Wissenschaft intersektional zu denken. 17/x
Hierfür stehen beispielsweise Initativen wie "Why is my professor not Black?" oder #DecolonizeKnowledge. In Deutschland widmen sich verschiedene #Publikationen diesem Thema, die sehr lesenswert sind... 18/x
Die Zeitschrift sub/urban hat einen Runden Tisch zum Thema "#Rassismus, #Klassenverhältnisse und #Geschlecht" veranstaltet. Es diskutieren Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Kien Nghi Ha, Jan S. Hutta, Emily Ngubia Kessé, Mike Laufenberg, Lars Schmitt 19/x
zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/…
Es gibt den Sammelband "Who Can Speak and Who Is Heard/Hurt? Facing Problems of #Race, #Racism, and Ethnic Diversity in the #Humanities in #Germany " Hrsg. Mahmoud Arghavan, Nicole Hirschfelder, Luvena Kopp, und Katharina Motyl 20/x
degruyter.com/transcript/vie…
Auch der Band "Prekäre #Gleichstellung" Hrsg. @MikeLaufenber_g, Martina Erlemann, Maria Norkus, Grit Petschick macht in einigen Beiträgen #Rassismus an der #Hochschule zum Thema 21/21
link.springer.com/book/10.1007%2…
Nachtrag 1: Es gibt eine sehr lesenswerte Biographie über #CeciliaPayne mit dem Titel "What stars are made of" von @donovanbmoore. Bislang leider nur auf englisch erschienen. Translation anyone?
hup.harvard.edu/catalog.php?is…
Nachtrag 2: Für alle, die sich zu #Astrophysik schlau machen wollen, empfehle ich den wundervollen Account von @vicgrinberg und ihren gigantischen #Thread zu #Astrophyikerinnen. Es soll niemand mehr sagen können, es gäbe heute keine!!!

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