Scheindebatte oder bedrohte #Wissenschaftsfreiheit?
Eine Einordnung (Thread 👇In ihrer Pressemitteilung & @faz wird über ein ideologisches Klima an den Universitäten geklagt,„in dem abweichende Positionen und Meinungen an den Rand gedrängt.. 1/20 netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de 1/n
und moralisch sanktioniert werden“. Das Netzwerk erklärt heute (Presseerklärung v. 3.2.21): Diese Einschränkungen der #Wissenschaftsfreiheit folgen häufig einer ideologischen oder politischen Agenda. Sie behindern eine rationale und ergebnisoffene Suche nach Erkenntnis, 2/n
die den Kern der Wissenschaft in der Tradition der Aufklärung ausmacht. Cancel Culture und Political Correctness haben die freie & kontroveres Debatte auch von Außenseiterpostiionen vielerorts an den Universitäten zum Verschwinden gebracht.“ Das ist zu prüfen.. 3/n
(1) Marginalisierung durch den Mainstream? Positionen, die in der Faz, Cicero, der Zeit, der Süddeutschen und im Spiegel synchron noch am Tage ihrer Bekanntgabe besprochen werden, sind nicht marginalisiert. 4/n spiegel.de/kultur/cancel-…
„Alles Leute, die auch alleine wissen, wie man sich Gehör verschafft, um Identitätspolitik oder Cancel Culture zu kritisieren“, meint die SZ. Bei den unterzeichn. Historikern ist eine (informelle) Benachteiligung nicht zu erkennen, 5/n
sueddeutsche.de/kultur/cancel-…
eigentlich alle können auf eine eindrucksvolle Karriere hinweisen, viele publizieren in den angesehensten Verlagen oder leihen ihre Feder auflagenstarken Zeitungen. (2) Konformitätsdruck der Forschung? 6/n welt.de/kultur/article…
„Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll.“ Ja, die meisten Hochschulen besitzen deshalb Ethikkommissionen, weil bestimmte Froschungen (an Menschen, im 7/n
Widerspruch zu den Grundrechten etc.) nicht stattfinden sollten. Der hindert niemanden daran, in einer wiss. Debatte eine eigenständige oder abweichende Position zu vertreten. Das Verteilen der notwendigen Forschungsgelder geschieht durch die Wiss. selbst nach wiss. Kriterien 8/n
durch einen anonymisierten Begutachtungsprozess. Wer hat nach einem abgelehnten Forschungsantrag nicht auch schon gemutmaßt, das möge polit. Gründe haben oder das eigene Vorhaben sei wegen mangelnder Konformität abgelehnt worden? (Dafür sind wir Wiss. doch wohl eitel genug.) 9/n
Tatsächlich sind Prof. in ihrer persönlichen Forschung fast uneingeschränkt & können frei entscheiden, wozu sie forschen wollen, welche Positionen sie vertreten, wo sie was veröffentlichen. All d. Fragen können verbeamtete Lehrstuhlinhaber*innen höchst eigensinnig entscheiden. 10
Das ist die Freibeit der Forschung. Für Nachwuchswiss. sieht das anders aus. Sie stehen tatsächlich wegen Kettenverträgen und #WissZeitVG tatsächlich unter Konformitätsdruck gegenüber den Lehrstuhlinhaber*innen. 11/n
Wo bleibt die UnterstĂĽtzung des netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de fĂĽr den Nachwuchs und #95vsWissZeitVG. 12/20 @kubon 12/n
(3) Skandalisierung misslebiger Gastredner? „Sowohl Hochschulangehörige als auch externe Aktivisten skandalisieren die Einladung missliebiger Gastredner, um Druck auf die einladenden Kolleginnen und Kollegen sowie die Leitungsebenen auszuüben.“ Tatsächlich sind bestimmte 13/n
Positionen (z.B Holocaustleugnung oder Leugnen des Völkermords an Herero&Nama) moralisch nicht toleriertbar. Aber bislang habe ich es in 25 Dienstjahren nicht ein einziges Mal (!) an einer Hochschule erlebt, dass hierbei Forschende aktiv ausgegrenzt wurden (Unis Trier, 14/n
Konstanz, Tübingen, PH Freiburg). Im Gegenteil: teilweise kamen sogar Menschen zu Wort, die später von der AfD ausgeschlossen wurden.
(4) Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit? Gegen solche Angriffe muss sich jede_r Wiss. verwehren, selbstverständliche Sache. 15/n
Das interessiert mich: Welche Positionen sind bedroht, wo werden Wissenschaftler*innen benachteiligt, weil sie Unbequemes äußern, falsche Positionen einnehmen etc.? Die Rubrik „Dokumentation“ der frisch gestarteten Webseite ist jedenfalls noch leer. netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/dokumentation/ 16/n
Als Wiss. verlange ich eine theoretische und empirische Grundlage fĂĽr solche Behauptungen und bin schon sehr gespannt, ob ich mich hier bald selbst engagieren muss. Wer im deutschen Wissenschaftssystem wurde informell ausgegrenzt oder sanktioniert und welche Anhaltspunkte 17/n
/Indizien sprechen dafür? Solange hier nicht geliefert wird, bleibt es bei unbewiesenen Unterstellungen, die eine argumentative Verwandtschaft mit verschwörungstheoretischen Positionen etwa der AfD aufweisen. Für eine ernsthafte Debatte können wir dabei nicht stehenbleiben. 18/n
Und auch das Gender* bedroht niemanden in seiner akademischen Freiheit, wohl aber in Gutsherrenart vergebene Zeitverträge.
zeit.de/2021/06/freihe…
(5) Engagiert sich das Netzwerk also solidarisch für Schwächere oder geht es tatsächlich um Wissenschaftsfreiheit? 19/n
Solidarität mit bedrohten Forscher*innen wäre wünschenswert, das übernimmt aber die Allianz der Wissenschaftsorganisationen (@DFG, @AvHStiftung , @Fraunhofer, @HRK) in seiner Kampagne wissenschaftsfreiheit.de
20/n
Die Ähnlichkeit im Namen des Netzwerks und einer ganz andere Kampagne stellt eine Nähe her, die m.E. inhaltlich nicht gerechtfertigt ist. Schade, dass einige Zeitungen auf den Zug aufspringen und eine Art Kulturkampf in den Wiss. inszenieren wollen. 21/n
So polarisiert der Artikel in der @FAZ und unterstellt, Wiss. sähen sich einer „latenten Drohung einer informellen Sanktion“ gegenüber, wenn man sich islam- oder zuwanderungskritisch positioniere (Reinhard Merkel). Dass solche Positionen Widerstände hervorrufen, ist evident. 22/
Und dass sich Muslime oder PoC von 19/20
Merkels Äußerungen angegriffen fühlen & sich vernehmbar dagegen verwehren, gehört auch zur Redefreiheit. Sie befinden sich meist nicht in der privilegierten Position der unterzeichn. Professor*innen. Welch eine peinliche Initiative! 23/23
Das ausgerechnet die AfD Sachsen-Anhalt das gut findet, ĂĽberrascht nicht wirklich und die #Wissenschaftsfreiheit als bedroht ansieht... Beifall von der rechten Seite.

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22 Oct 20
#Hohenzollern Debatte und kein Ende.
Erneuter Versuch der @FAZ, einen #Historikerstreit zu entfachen. Doch was ist dran? PrĂĽfen wir die Kernargumente und lassen uns nicht auf die Polemiken und teilweise unfairen Seitenhiebe von F-L Kroll ein. 1/12
faz.net/aktuell/politi…
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25 Jun 20
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15 Jun 20
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13 Jun 20
@PBahners @florianklenk
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