Was mich immer wieder überrascht: Dass es Menschen gibt, die offenbar denken, (fast) alle wüssten, wie akut die #Klimakrise unser aller Zukunft bedroht & würden aus De­fä­tis­mus, Desinteresse oder Egoismus nichts unternehmen.
Ich verstehe, dass man auf die Idee kommen kann - schließlich sind alle wesentlichen Infos seit Jahrzehnten bekannt. Und im Umfragen sagt regelmäßig eine Mehrheit, dass die Klimakrise für sie ein wichtiges Thema ist & sie politisches Handeln wünscht.
Doch die Wenigsten dürften ein Bild davon haben, wie drastisch die Auswirkungen sein, wie schnell sie kommen werden & wie wenig Zeit bleibt, effektiv gegenzusteuern.

Sonst wäre das Argument mit dem Egoismus IMHO hinfällig, der Druck zu handeln stärker:
Nur Wenigen scheint klar, was 1,5 & 2 Grad konkret bedeuten - für die Welt & für ihr eigenes Leben.

Sonst könnte das 1,5-Grad-Limit nie als die "gute Option" diskutiert & das Einhalten des Pariser Klimaabkommens nicht so sorglos in Frage gestellt werden: klimafakten.de/meldung/neue-i…
Ich zumindest hatte bis vor Kurzem keine Vorstellung davon.

Und ich musste feststellen: Faktenwissen reicht oft nicht aus, um das Ausmaß der Klimakrise zu begreifen - man muss die Zeitschienen der Klimakrise auch mit denen seines eigenen Lebens zusammenführen.
Ich selbst habe - wie ich heute weiß - viele, viele Texte & Graphen gelesen, die das eigentlich sehr klar getan haben. Und es dennoch geschafft, es von mir wegzuschieben.

Kognitive Dissonanz & Verdrängung sind sehr viel wirkmächtiger, als ich mir das je hätte vorstellen können.
Zumal ich es für völlig ausgeschlossen hielt, dass etwas, das einerseits so groß & andererseits ja komplett öffentlich bekannt ist, kollektiv dermaßen verdrängt werden könnte.

Ich dachte wirklich: Irgendjemand wird sich schon rechtzeitig kümmern. Haben ja alle Interesse dran.
Und ja, dieses gefühlte Desinteresse an der Klimakrise - & damit der eigenen Zukunft, das macht mich auch etwas wahnsinnig.

Aber auch das ist zu einem ordentlichen Anteil wohl Verdrängung, zu anderen Überforderung & Lähmung.
In allen drei Punkten sehe ich auch den Journalismus in der Verantwortung: Über die Klimakrise & ihre Lösungen muss endlich täglich prominent & ausführlich berichtet werden. Gar nicht in dem erschlagenden Ausmaß wie bei Corona, dabei gäbe diese Menschheitskrise es durchaus her.
Dafür konstruktiv, um Überforderung & Lähmung zu überwinden. Und endlich, endlich in ernsthaftes & schnelles Handeln zu kommen. Denn nur dann können wir eine sichere & stabile Zukunft erhalten - für uns alle.

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More from @SaraSchurmann

8 Feb
Ich beschäftige mich seit 7 Monaten ja quasi durchgehend mit der Frage, wie ich die #Klimakatastrophe so lange verdrängen konnte.

Ein Grund sind: Glaubenssätze.

Und jetzt wird’s persönlich & peinlich. Ich hoffe, ich bereue das nicht später irgendwann:
Ein Satz von @bethsawin, der ziemlich cheesy klingt, hat mir das klargemacht. Sie sagt: "If you have to choose between a world and a worldview - you should choose the world."

Welche Annahmen also haben mich davon abgehalten, die wissenschaftlich eindeutige Lage (an)zuerkennen?
Ich habe (bisher) 3 Annahmen über die Welt gefunden & 2 Annahmen über mich.

Zuerst zur Welt:

1. Ich habe ein tiefes Vertrauen in die parlamentarische Demokratie.

2. Und ich vertraue in meine Kolleg:innen - von denen ich viele ernsthaft bewundere - und das plurale Mediensystem.
Read 16 tweets
6 Feb
Finde es faszinierend, dass oft berichtet wird, dass Greta Thunbergs Asperger Syndrom dazu geführt habe, dass sie die #Klimakrise so ernst nimmt. Aber zu selten, dass kognitive Dissonanz & Verdrängung viele, viele Menschen davon abhalten, das ganze Ausmaß der Krise anzuerkennen.
Ich denke, wir müssen da mehr drüber reden.

Mir war vorher nicht im Ansatz bewusst, dass die Klimakrise ernster sein könnte, als ich sie nahm. Ich hatte bereits aufgehört zu fliegen, mein Leben auf nachhaltig umgestellt, fast täglich zum Thema gelesen.
Ich nahm die klimatische & die ökologischen Krise bereits seit ein paar Jahren verdammt ernst. Auch wenn mir klar war, dass ich vieles nicht wusste, vieles noch nicht verstanden hatte. Dass unsere Lage akut ist, war mir bewusst. Nur offenbar nicht im Ansatz: wie akut.
Read 4 tweets
4 Feb
Warum es ein Problem ist, dass wir Klimapolitik journalistisch oft mit klassischem Politikjournalismus begegnen.

Und wie das dazu beigeträgt, dass der politische #Klimaschutz-Diskurs zum großen Teil von wissenschaftlichen Fakten entkoppelt ist.

Ein (langer) Thread ⬇️

1/15
Politikjournalismus geht im Wesentlichen davon aus, dass es zu einem Thema mehrere legitime politische Meinungen gibt.

Diese einfach gegeneinanderzuhalten, erzeugt demnach Ausgewogenheit in der Berichterstattung (manche würden das sogar als "Objektivität" bezeichnen).

2/15
Was diese Sicht ignoriert: die wissenschaftl. Fakten, die dem Problem #Klimakrise zugrundeliegen.

So wie #Corona epidemiologisch erforschte Grundlagen hat, zu denen man nicht einfach herummeinen kann (es sei denn, man ist Hendrik Streeck) - so gibt es diese auch zu Klima.

3/15
Read 16 tweets
3 Feb
Die kommende Bundesregierung ist realistisch betrachtet die letzte, die noch ausreichende & sozialverträgliche Maßnahmen einleiten kann, damit Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad* kommt.

That’s it. That’s the tweet.
Und ich verstehe nicht, warum das nicht in jedem FUCKING Beitrag zur bevorstehenden #Bundestagswahl vorkommt.
Read 6 tweets
31 Jan
#DieletzteInstanz zeigt:

Der journalist. Neutralitätsbegriff stößt bei vielen Themen an seine Grenzen. Oder viel mehr: die sehr vereinfachte Auslegung einiger Kolleg:innen davon.

Was ist die 2.Seite zu Anti-Rassismus? #Rassismus.
Zu #Feminismus? #Sexismus.
Zu #Klimaschutz?

>>
Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.

Man kann (& muss sogar) zu allem kontrovers über konkrete Probleme diskutieren.

Was stattdessen oft passiert: Menschen, die sich noch nie ernsthaft mit den Themen auseinander gesetzt haben, werden eingeladen, um Argumente zu wiederholen,
die teils seit Jahren & Jahrzehnten widerlegt sind. Diese werden als Meinung deklariert, die es verdiene gehört zu werden.

Wissenschaftliche Erkenntnisse werden oft komplett ignoriert. Bzw. anstatt diese als Grundlage der Diskussion zu nehmen, wird der einen Seite aufgebürdet,
Read 9 tweets
29 Jan
Auch viele Journalist:innen reagieren auf die #Klimakrise mit kognitiver Dissonanz & Verdrängung. Selbst einige Klimajournalist:innen.

Was ich in den letzten Monaten lernen durfte: Faktenwissen allein reicht oft nicht aus, um das Ausmaß der Klimakrise zu begreifen.

>>
Man muss auch den Gedanken zulassen können, dass das was mit seinem eigenen Leben zu tun hat.

Ich selbst konnte das lange nicht. Ich habe in den vergangenen 3 Jahren fast täglich zur Klimakrise gelesen, kannte alle wesentlich Daten, Fakten & Graphen.

>>
Aber die Jahreszahlen auf der X-Achse wurden im Kopf nicht mit meinem eigenen Lebenslauf verknüpft. Oder dem möglicher Kinder.

Obwohl ich die Temperaturkurven für 2050 kannte, hatte ich keine Vorstellung davon, was 2 Grad für mein 60-jähriges Ich und die Welt bedeuten.

>>
Read 9 tweets

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