Seriöser Wissenschaftsjournalismus will sachlich informieren.
Dies geschieht nicht, wenn mit gefährlichen Narrativen jongliert und mit unbelegten Spekulationen Stigma verstärkt wird.
Leider zeigt heute die @faznet am Beispiel #MECFS / #Longcovid, wie man es nicht machen darf.
Ausgerechnet also am Beispiel einer Krankheit, die bis heute stigmatisiert und vernachlässigt ist - obwohl es sich um eine häufige chronische Erkrankung handelt, die für die Betroffenen mit extrem schwerwiegenden Einschränkungen (z.B. HRQoL) verbunden ist: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26147503/
"Wir haben es wahrscheinlich mit der letzten großen Erkrankung zu tun, die bislang kaum erforscht ist", sagte daher die im Text zitierte Frau Professorin Carmen Scheibenbogen (@ChariteBerlin) an anderer Stelle über #MECFS. berliner-zeitung.de/gesundheit-oek…
Dass es so eine schwere, häufige und weitgehend unerforschte Erkrankung wie #MECFS überhaupt noch geben kann, hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Und so geht es vielen.
Unweigerlich stellt man sich daher die Frage: Wie kann das sein, warum ist das so?
Beschäftigt man sich eingehend mit dem Thema, kommt man zu dem bitteren Schluss:
Es hat insbesondere damit zu tun, dass die Mehrheit der an #MECFS Erkrankten weiblich ist. So etwas ist nicht ungewöhnlich, siehe nur #Covid19 oder die Nebenwirkungen des Vakzins von #AstraZeneca.
Weil die an #MECFS Erkrankten nicht sofort daran sterben, sondern jahrzehntelang vor sich hin vegetieren, und weil zugleich der Pathomechanismus komplex und unverstanden ist, verbreiteten einige männliche Ärzte und manche "Wissenschaftler" eine einfache These: weibliche Hysterie.
Heute ist der Begriff der "Hysterie" aus der Medizin sogar insgesamt verbannt.
Aber das antiwissenschaftliche Narrativ über Hysterie als Ursache der Multisystemerkrankung #MECFS hat Hunderttausenden Betroffenen schwer geschadet und tut das noch immer weiter: Denn das Stigma lebt.
Sogar Anthony Fauci, Chief Medical Advisor von US-Präsident Biden, hatte #MECFS vor 30 Jahren (!) zwar selbst noch skeptisch betrachtet, warnt nun aber im Licht aktueller Erkenntnisse öffentlich vor diesen schweren Fehlern der Vergangenheit. latimes.com/science/story/…
Wie kann es dann sein, dass @MuellerJung in der @faznet heute sogar in der Artikelüberschrift dieses frauenfeindliche, antiwissenschaftliche und stigmatisierende Narrativ über #MECFS und #Longcovid wieder hervorholt? Was hat das mit Wissenschaftsjournalismus zu tun?
Natürlich könnte man meinen, es sei eine rhetorische Frage, die bei Lektüre des Textes nach allen Regeln der Wissenschaft und des Journalismus widerlegt wird.
Aber nein, weit gefehlt. Im Gegenteil: Als seit vielen Jahren von #MECFS Betroffener fühle ich mich verhöhnt.
#MECFS raubt Menschen ihre gesamte Existenz: Beruf, Familie, Hobbies, alles vorbei.
Zugleich: Keine Therapie, noch nicht mal Versorgung. Keine Hilfe. Stattdessen: Stigma und Unverständnis.
Und das wird gleichgesetzt mit einer "Leidensgeschichte" der "Bürokratie"? Ernsthaft?
Auch der Rest des Textes steckt voller Formulierungen, die für die wahren Symptome von #MECFS unfassbar unpassend sind: "Mentaler Absturz"; "Abgeschlafftheit" usw.
So sieht ein #MECFS-Betroffener übrigens aus. Das hat mit "Abgeschlafftheit" nichts zu tun.
Der Artikel wagt es aber sogar, die "Echtheit" der Beschwerden der Betroffenen insgesamt in Frage zu stellen. Könnten Sie, @muellerjung, auch nur einen einzigen wissenschaftlichen Beleg benennen, der diese wilde Behauptung stützt?
Im Übrigen kann ich um die sehr ernste Natur und die Existenz von #MECFS in der Gegenwart noch so viel wissenschaftlichen Streit erkennen, wie etwa im Fall des Klimawandels oder #HIV/#AIDS.
Professor Anthony Komaroff (@harvardmed) schrieb unlängst einen kurzen Übersichtsartikel zu #MECFS, in dem er den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt der letzten Jahrzehnte zusammenfasst.
Um ferner ein Beispiel aus Australien anzufügen: Die Professoren Lidbury und Fisher schreiben im Editorial eines Sonderbandes von Diagnostics zu #MECFS folgendes:
Oder hier eine Äußerung von Professor @KarimKhan_IMHA, wissenschaftlicher Direktor, Canadian Institutes of Health Research:
Ich könnte das fast beliebig lang fortsetzen, denn der Sachverhalt ist eindeutig: #MECFS ist real und schwerwiegend, zugleich unerforscht und stigmatisiert.
Wie kann das alles einfach so ignoriert werden? Die Wissenschaft hat sich in den letzten 35 Jahren weiter entwickelt!
Endgültig unseriös wird der Beitrag aber, wenn am Ende ausgerechnet Michael Sharpe ins Feld geführt wird.
Wer sich auskennt weiß, dass dessen wissenschaftlicher Ruf im Bereich #MECFS schwer beschädigt ist.
Stichwort: PACE-Trial.
Diese Studie gilt mittlerweile als wissenschaftlich völlig wertlos und bewegt sich am Rande dessen, was man als Wissenschaftsbetrug bezeichnen muss.
Erst nach längerem Rechtsstreit wurden Originaldaten herausgegeben, die eine Re-Evaluation ermöglichten. thetimes.co.uk/article/findin…
Mehr als 100 Wissenschaftler forderten in einem offenen Brief, die "PACE-Studie" wegen ihrer gravierenden methodischen Fehler zurückzuziehen.
So z.B. Professor Jonathan Edwards, Emeritus Professor, Connective Tissue Medicine, University College London: virology.ws/2018/08/13/tri…
Warum also kommt im Beitrag der FAZ gerade (!) der Psychologe Sharpe völlig unhinterfragt zu Wort?
Während zugleich die Aussagen einer international renommierten Wissenschaftlerin aus Deutschland in Zweifel gezogen werden?
Höchst eigenartig mutet es dann auch an, dass der Artikel sich gegen Kritik zu wappnen und zu immunisieren sucht, indem er diese vorab als bloße "Sensibilität" von "Patientenorganisationen" abtut.
Aber darum geht es nicht. Weder ist man "sensibel", wenn man bei einem so ernsten Thema auf wissenschaftliche Seriösität pocht; noch kommt die Kritik "nur" von Patientenorganisationen. Sondern von Wissenschaftlern und Behörden aus aller Welt.
#MECFS ist als Folge von Virusinfektionen seit Ewigkeiten dokumentiert. Es handelt sich um eine häufige chronische Erkrankung. Die damit verbundenen Einschränkungen der HrQoL gehen im Schnitt über die fast aller Krankheiten hinaus.
Wir sind mitten in einer Pandemie, die viele neue #MECFS-Fälle hervorbringen wird. Es wäre so wichtig, auch diesen Aspekt dabei zu berücksichtigen.
Aber in Deutschland wird von fast allen so getan, als gäbe es das Problem nicht.
Die bayerische Staatsregierung soll durch den Landtag aufgefordert werden, sich einzusetzen für:
1) "Forschung zu den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von #MECFS sowie zu ME/CFS als Spätfolge einer COVID-19-Erkrankung an allen bayerischen Universitäten" #Longcovid
2) Einrichtung von Beratungsstellen für #MECFS-Betroffene 3) Schaffung eines Modellprojekts zur Versorgung von #MECFS-Erkrankten 4) Information der Öffentlichkeit über das
Krankheitsbild und seinen somatischen Hintergrund
Genau heute vor drei Jahren waren wir bei Freunden eingeladen. Es war ein heiterer Abend mit gutem Essen.
Die Besonderheit erschloss sich mir erst danach: Es war der letzte normale Abend meines Lebens und wird es wegen #MECFS wohl auch bleiben. #MEawarenesshour
Einer der Gastgeber erzählte, dass er seit schon seit vielen Wochen mit einer Infektion kämpfe, die insb. mit Ohrenschmerzen verbunden sei.
Ich hatte mir nichts dabei gedacht. Am nächsten Abend begannen bei mir dieselben Symptome. #MEawarenesshour
Die Hausärztin sagte: „Viraler Infekt“. 14 Tage Krankschreibung. Erledigt.
Aber das war es eben nicht. Als ich nicht wieder gesund wurde, sondern schwerste Symptome hatte, konnte das nur daran liegen, dass ich übertreibe. Oder überarbeitet bin. Oder sonst was. #MEawarenesshour
Das Kardinalsymptom von #MECFS ist die sog. post-exertional malaise (#PEM), die Verschlechterung der Symptomatik und des Gesamtzustandes nach z.T. geringster Anstrengung.
Diese pathologische Belastungsintoleranz macht die Krankheit zur Hölle.
Deswegen gilt die verbleibende Lebensqualität von #MECFS-Betroffenen im Vergleich mit anderen chronischen Erkrankungen als eine der niedrigsten überhaupt.
Dieser Bericht von @LlewellynKing2 ist daher sicher keine Übertreibung.
1⃣ Heute ist ein großer Tag für #MECFS-Betroffene auf der ganzen Welt. Im Vereinigten Königreich hat das National Institute for Health and Care Excellence (@NICEcomms) einen Leitlinienentwurf zu #MECFS veröffentlicht.
Heute ist mein dritter #Geburtstag, seit ich nach einer Virusinfektion so krank geworden bin, dass ich die eigene Wohnung kaum mehr verlassen kann. Man sagt, Kranke hätten nur einen Wunsch; ich habe aber sogar sehr viele. Und mindestens einer davon wäre sofort erfüllbar.
Natürlich wünsche ich mir, wieder gesund zu sein. Wieder mein Leben führen zu können, wieder meinen beruflichen Plänen nachgehen zu können, meiner Familie, meinen Freunden und vor allem @loyal_isabella auch außerhalb der Wohnung begegnen zu können.
Aber bis dahin wünsche ich mir z.B. auch, einen Arzt zu haben. Der meine Krankheit #MECFS wenigstens in Grundzügen versteht, der die Schwere der Krankheit erkennt und mir wenigstens dort, wo es geht unterstützend zur Seite steht, wenn schon sonst keine Hilfe möglich ist.