Hallo, ich bin Jens (45) und bin mit 31 Jahren W3-Prof für VWL geworden. Ich kenne das akademische up-or-out game (bzw. die upside) also ganz gut aus eigener Erfahrung.
Ich unterstütze das #IchbinHanna Anliegen und würde es gerne etwas einordnen. /Thread
Woher kommt die Vorstellung, dass wiss. Mitarbeiter Stellen für den Nachwuchs "verstopfen"?

Meine anekdotische Evidenz: Mein VWL-Studium begann im WS 1996/97 an der Uni Göttingen. Damals gab es noch recht viele Dauerstellen im Mittelbau, die den Professuren zugeordnet waren. /2
Schnell geriet ich an Akad. (Ober-)Räte Anfang 50, eingestellt in der 70er Bildungsexpansion, mit *null* Bock auf Lehre und entsprechendem Forschungsoutput.
Unmotivierte Beamte, die nur noch auf die Pension warten. Dienst nach Vorschrift. Vorlesung seit 20 Jahren unverändert. /3
Schnell drängte sich die Frage auf: warum unterrichten solche Leute an den Unis?

Wir Studis hätten lieber cutting-edge Typen Ende 20 oder Anfang 30 gehabt, die für ihr Fach brennen. Aber die gab's nicht. Und das sprach sich rum. /4
Etwa ab dem Jahr 2000 hat die Politik dann gehandelt. Sie hat die entsprechenden Personalnummern mit einem sog. "KW-Vermerk" markiert.

"KW" steht für "kann wegfallen". Sprich: sobald der- oder diejenige in Pension geht, wird die Dauerstelle im Mittelbau nicht wiederbesetzt. /5
Aber natürlich hat die Politik nicht gehandelt, weil ihr die Qualität der universitären Lehre (oder Forschung) am Herz gelegen hätte.

Ihr Motiv war ein anderes: sie wollte sparen. Denn 🇩🇪 war wirtschaftlich damals der kranke Mann Europas. /6
Fakt ist: revolvierende junge wiss. Angestellte nach Besoldungsgruppe T-VL 13 (Stufe 1-3) sind deutlich günstiger als wiss. Beamte A13-A15 mit stetig steigender Dienstaltersstufe

Also scheinbar eine win-win-Situation: Steuerzahler happy, Studierende (wie ich) happy. /7
Tja, und das war dann das Ende der Dauerstellen im wiss. Mittelbau.

Und was mal irgendwann mit einem durchaus sinnvollen Gedanken begann - weniger Verkrustung, sondern Wechsel im akad. Betrieb - pervertierte sich im Laufe der Jahre dann total. /8
Jetzt gab es gar keine dauerhaften Perspektiven mehr unterhalb der Professur.

Das Pendel war krass in die die andere Richtung geschwungen. Sie leistete der Prekarisierung und fundamentalen Unsicherheit Vorschub, die aktuell in der #IchbinHanna Kampagne ein Gesicht bekommt. /9
Also was tun?

Meines Erachtens ist das angelsächsische Uni-Prinzip an dieser Stelle einfach besser. Nach der Promotion klare TT-Perspektiven schaffen, sei es zunächst bloß mit Perspektive auf dauerhaftes T-VL 13/14. Die Betonung liegt auf *dauerhafte* Perspektive. /10
Aber mit klaren Karriereperspektiven für diejenigen, die nachweislich gute Arbeit leisten.

Und einer Qualitätsabsicherung nach unten, die verhindert, dass diejenigen, die nach Erhalt der Dauerstelle den Griffel fallen lassen, wie in den 1990ern die Stellen "verstopfen". /11
Die schlechte Nachricht: die Umsetzung dieses Uni-Systems dürfte deutlich höhere Personalkosten im Bereich Wissenschaft und Forschung nach sich ziehen.

Aber vielleicht ist das ja eine Überlegung wert für ein Land, "dessen einzige Ressource die Köpfe der Menschen sind". /END

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27 Jan
Do robots destroy jobs and cause mass unemployment?
No, they don’t!

Happy to share that our paper

“The Adjustment of Labor Markets to Robots”

has been accepted for publication in the Journal of the European Economic Association.

Here’s a little thread about it. (1/18)
It’s been a long journey – starting in Sept. 2017, when we first published this widely read @VOXEU column (the older ones on #Econtwitter might still remember).

And here we are, four years later, with the final version #JEEA: drive.google.com/file/d/1dNv9lb…

voxeu.org/article/rise-r…
The paper received in media attention in >25 countries.

A personal highlight was my double interview @faznet with popstar philosopher Richard David Precht, where I argued that his claim – robots cause mass unemployment – is, well, not true. /3

faz.net/aktuell/wirtsc…
Read 19 tweets
23 Jan
Hier eine kleine Reflexion zur gestrigen #MMT Debatte auf #Clubhouse mit @MauriceHoefgen und Mark @schieritz

(bevor andere mutmaßen, was ich denn gesagt/gemeint haben könnte...😉)

Zunächst zu Marks Frage: woher kommen Zinsen? Sind sie "natürlich" oder werden sie gemacht?
Ich beginne mit einer Analogie. Reden wir zunächst über Löhne, statt über Zinsen.

Genauso wenig wie es "den Zins" gibt, gibt es auch nicht "den Lohn". Es gibt in einer Volkswirtschaft Millionen von Löhnen, die alle von zig (mikro- und makroökonomischen) Faktoren abhängen. /2
Diese Löhne ergeben sich zunächst mal - ganz natürlich - über Angebot und Nachfrage. Aber der Staat beeinflusst diese Preisbildung auf mannigfaltige Art und Weise, zB über Mindestlöhne, Arbeitsrecht usw.

Der Staat setzt ("macht") also keine Löhne, aber er beeinflusst sie. /3
Read 20 tweets
12 Jan
Blicken wir mal ein paar Monate nach vorne: der Frühling kommt, die Impfmaschine läuft endlich und das normale Leben kehrt zurück.

Wie geht es dann kurz- bis mittelfristig mit der deutschen Wirtschaft weiter? Hierzu gibt es zwei grundsätzliche Stories und jetzt einen /Thread
Story 1 sagt: dann kommt ein großer Boom, die "goldenen 20er"

Story 2 sagt: die Corona-Krise wird noch lange nachhallen und die Wirtschaft über eine lange Zeit dämpfen.

Welche Story stimmt? Wahrscheinlich beide. Aber erstmal zu den Details. /2
Zunächst ist wichtig festzustellen, dass die aktuelle Konjunkturlage im Q4/20 trotz sog. „lockdown“ gar nicht so übel aussieht.

Zwar sind einige Wirtschaftszweige extrem getroffen, allen voran Gastro, Reisen und Veranstaltungen. Dafür sieht es anderswo schon wieder gut aus. /3
Read 20 tweets
30 Sep 20
Es gibt eine sehr interessante neue Arbeitsmarktprognose vom @iab_news für 2020/21

Insgesamt ergibt sich danach für die Beschäftigung *fast* ein "V" (Bild 1), aber mit erstaunlichen Verschiebungen (Bild 2)

Wer baut Jobs ab, wer baut auf? /Thread

doku.iab.de/kurzber/2020/k… ImageImage
Erwartungsgemäß starke Verluste 2020 im Gastgewerbe und keine Erholung in 2021. Viele Gastro-Jobs sind also erstmal weg

Ebenso starke Verluste 2020 im Verarbeitenden Gewerbe, die sich 2021 sogar noch fortsetzen. Sorgenkind laut Studienautor Enzo Weber: die Autoindustrie /2 Image
Welche Branchen bauen dagegen Jobs auf, so dass es insgesamt zu einem "V" kommt?

Laut IAB hängt der Wiederaufstieg an vier Branchen:

1. Bau (+26T Jobs in 2021)
2. Unternehmens-DL (+41T)
3. IKT (+48T)

und allen voran

4. Öff. Dienstleister, Erziehung, Gesundheit (+192T) /3 Image
Read 8 tweets
15 May 20
"Staatsverschuldung belastet kommende Generationen" - dieses altbekannte Argument wird im Zuge der Diskussion um die Corona-Schulden auf jeden Fall kommen.

Aber es ist ökonomisch falsch und sollte deshalb aus dem politischen Raum verschwinden. Hierzu ein kurzer Thread.
Der Grund ist einfach: zu jeder Staatsschuld gehört ein Vermögenstitel.

Wenn der Staat sich verschuldet, verkauft er eine Staatsanleihe. Aber dazu gibt es halt auch einen Käufer, der sie erworben hat.

Die Schulden werden vererbt, die Vermögenstitel auch. /2
Staatsverschuldung ist also keine Lastenverschiebung *zwischen* Generationen, sondern *innerhalb* einer Generation: vom Steuerzahler (der für Zinsen aufkommen muss) an die Eigentümer der Staatsanleihen (die Zinsen kassieren).

Beide sind Mitglieder derselben Generation. /3
Read 14 tweets
18 Apr 20
Everybody knows that an effective strategy against #Covid_19 is to have *many* more (quick-)tests and protective FFP-face masks.

But this stuff isn’t easily available.

Two ways to get it are:
- source internationally
- produce it at home

But both are problematic. /thread
The world market for tests&masks is empty, because many countries try to buy at the same time.

Prices are soaring, which is a big problem for developing countries in urgent need of this stuff, and even efficient sourcers like 🇩🇪 hit capacity constraints. /2
That’s why many countries (incl 🇩🇪) have started to increase supply by pushing domestic production rather than just relying on imports from Asia where the comp advantage lies.

But this also proves to be damn hard. Why? Because jump-starting production from scratch isn’t easy. /3
Read 10 tweets

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