1) Ich habe heute viele wirklich gute Stücke gelesen. Danke an alle Kolleg:innen, die hier einen großartigen und wichtigen Job machen.
Das ist KEINE Kritik an eurer Arbeit. Absolut nicht.
2) Aus der Arbeit im Newsroom weiß ich: Klima ist oft nicht der Klick-Bringer. (Die Verdrängung ist CRAZY, ich rede hier immer wieder davon.) Und Homepage-Manager:innen sind unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie Stücke oben halten, die nicht performen.
3) Wenn Klimaberichte (auch) deswegen schnell wieder aus dem Aufmacher-Bereich verschwinden - oder nie dort landen -, suggeriert das den Leser:innen aber auch: So wichtig ist das Thema nicht.
4) Deswegen liegt es an den Chefredaktionen, die Bedeutung der Berichterstattung zu erkennen - und auch mal etwas länger durchzuhalten, wenn ein Beitrag nicht "performt".
Um die Dringlichkeit dennoch blattmacherisch deutlich zu machen. Aus journalistischer Verantwortung.
5) Nur weil etwas nicht neu oder komplett überraschend ist, hat es dadurch nicht zwangsläufig einen geringeren Nachrichtenwert.
Dass die Klimawissenschaft recht behält und wir die ganze Scheiße jetzt IRL sehen, macht es sogar umso dringender.
6) Es ist nicht grundsätzlich so, dass Menschen keine Lust auf Bad News haben. Als viele schon lange unter dem Corona-Overload auf den Nachrichtenseiten ächzten, haben Newsrooms immer weiterproduziert, gerade WEIL es nachgefragt und wie wahnsinnig gelesen wurde. Woran lag das?
Daran, dass 7) die Berichterstattung klar gemacht hat, dass die Coronapandemie extrem wichtig und akut ist und alle Menschen und alle Bereiche des Lebens betrifft.
Und Bad News, die mich betreffen, interessieren mich eben doch.
Was können wir daraus für die Klimaberichterstattung lernen? Dass wir 8) journalistisch klarer herausarbeiten müssen, dass genau das auch heute schon mit der Klimakrise der Fall ist. (Und das es Lösungen gibt!!)
Dass heute noch massenweise Beiträge zu Rente, Hauskauf und Kinderkriegen erscheinen, die nicht in einem Wort erwähnen, welche Auswirkungen die Klimakrise auf diese langfristigen Lebensentscheidungen haben wird, ist einfach nur absurd.
Deswegen brauchen wir 9) eine brancheninterne Debatte zur medialen Darstellung der #Klimakrise. Solange reichweitengetriebene und (selbstverständlich, no shame) verkaufszahlenorientierte Medien deswegen zurückscheuen, die Klimakrise auf den Platz zu heben, der ihnen zusteht ...
... solange werden wir unserer journalitischen Verantwortung nicht gerecht, die Krisen und Probleme unserer Zeit angemessen zu priorisieren und damit die Öffentlichkeit angemessen aufzuklären.
Solange kommt auch die Politik mit halbgaren Antworten durch - oder hat es sogar schwer, die Klimakrise selbst angemessen groß zu thematisieren. (Wobei das auch andere Ursachen haben kann, siehe #Sommerinterview.)
Ps.: Positives zum Schluss: Ich finde es bemerkenswert, wie sich Spiegel.de und Tagesspiegel.de in den vergangenen Monaten entwickelt haben. Da habe ich immer öfter beim drüberscrollen das Gefühl, dass wir wirklich in der #Klimakrise stecken. Tun wir ja auch.
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Das ist ein bisschen blödes Timing, weil es im Vorfeld der #btw21 natürlich noch viel zu kommentieren gäbe.
Aber da ich nach 11 Monaten Twitter-Alarm nicht mehr hoffe, dass noch vor der Wahl allen klar wird, wie wichtig diese ist, arbeite ich jetzt an einem anderen Projekt ...
... und werde deswegen ab jetzt weniger Zeit auf Twitter verbringen (müssen). Es regt mich einfach zu sehr auf.
Nicht Twitter an sich, ich habe hier in den vergangen Monaten viel gelernt, viele großartige Menschen kennengelernt und Unterstützung erfahren, auch emotional.
Ich freue mich, wie viele Leute es gibt, die dieses Schlamassel durchblicken, an Lösungen arbeiten & großartige journalistische Arbeit machen.
Aber es ist einfach unfassbar, wie viele falsche Informationen & Narrative zur Klimakrise verbreitet werden, auch von Journalist:innen.
Selbst nach der #Hochwasserkatastrophe scheint es den allermeisten Redaktionen völlig egal zu sein, dass die kommende Bundesregierung die letzte sein wird, die evtl. noch dafür sorgen kann, dass Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad kommt. vice.com/de/article/pkb…
Und das obwohl wir schon heute in einer Welt mit etwa 1,2 Grad Erderhitzung dramatische Entwicklungen sehen, die selbst Klimawissenschaftler:innen überraschen - und erschrecken:
.@DIEZEIT hat diese Woche den Politik-Teil freigeräumt, um die Spitzenpolitiker:innen der großen Parteien vor der #btw21 zu ihrer Klimapolitik zu befragen.
Das hat mich wirklich gefreut. (Auch wenn es selbstverständlich sein sollte.)
Aber ich habe ein paar brennende Fragen ...
Warum wird im Einleitungstext für die Interviewreihe nicht erklärt, welche entscheidende Bedeutung die #btw21 für die Erreichung der Klimaziele hat? Die kommende Regierung ist die letzte, die evtl. noch ausreichende Maßnahmen einleiten kann, um auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen.
Das ließe sich anhand der Zahlen, die oben auf der Seite abgedruckt sind, schnell & anschaulich erklären: Was ist & was bedeutet das CO2-Budget?
Wenn wir nicht so schnell wie möglich die Emissionen drastisch senken, ist das sehr bald verspielt: mcc-berlin.net/forschung/co2-…
Beispiel gefällig, wie wir mit der medialen Darstellung der #Klimakrise die Risikoeinschätzung der Expert:innen verzerren? Heute @SZ.
Am Montag wurde die “Klimawirkungs- und Risikoanalyse” von 25 Bundesbehörden, die mit den Folgen des Klimawandels zu schaffen haben, vorgestellt.
@MBauchmueller hat dazu einen guten & eindrücklichen Text geschrieben, er gehört zu dem Kolleg:innen, die seit Jahren & Jahrzehnten vor den Krisen & den Entwicklungen warnen, in denen wir jetzt stecken. sueddeutsche.de/politik/klimak…
Sagen wir es mal direkt: Die aktuelle Situation ist extrem besorgniserregend & die Zukunftsaussichten noch sehr viel alarmierender.
Also dachte ich, ich schaue mal, wie die Titelseite der @SZ am Tag nach der Vorstellung der Studie aussah.
Ok, bin gerade cheesy drauf & ich weiß, ich bin noch in ner Wohlfühl-Bubble: Aber wisst ihr, was mir immer wieder Hoffnung & gute Laune gibt?
Dass mir hier mittlerweile 10.000 Leute folgen & viele davon klug, konstruktiv, freundlich diskutierten & gemein an Lösungen arbeiten.
Dass ich hier Solidarität & Unterstützung erlebe & beobachte, wie ich sie mir gesellschaftlich wünschen würde, in den Umbrüchen & Krisen, die kommen werden. Und wie ich sie auch in anderen Bereichen beobachte, etwa Sexismus, Rassismus, Ableismus, die sich immer mehr verbinden.
Und dass das - entgegen aller Klischées - lange nicht nur weiße, urbane Akademiker:innen sind, die sich einbringen & interessieren. Im Gegenteil. Sondern die unterschiedlichsten Leute & Alter - schließlich sind alle von den Krisen betroffen.
Sich mit der #Klimakrise auseinanderzusetzen ist hart, auf sehr vielen Ebenen. Aber es ist auch ein wertvoller Prozess. Persönlich & gesellschaftlich.
Was mir in den letzten Wochen geholfen hat, war u.a. das Buch von @besal & @RaphaelThelen.
Es beschreibt sehr gut, wo wir stehen, erkundet, wie es gesellschaftlich dazu kommen konnte & wie wir von jetzt an weitermachen können. Und das auf sehr andere, persönlichere Art als vieles, was ich bisher gelesen habe.
Raphael & Theresa stellen sich ihrer eigenen Verdrängung, ihren Gefühlen & nehmen uns nicht nur mit auf eine Reise durch die Welt, sondern auch durch ihre eigene emotionale Entwicklung.