Ich kritisiere hier immer wieder Journalist:innen, weil wir Mitschuld daran sind, dass der öffentliche Diskurs zur #Klimakrise so weit entfernt ist von den wissenschaftlich vorausgesagten Gefahren & Risiken.
Mitschuld sind allerdings auch: Wissenschaftler:innen.
Wie bei den Journalist:innen gilt: nicht alle Wissenschaftler:innen.
Es gibt einige (& im Endeffekt auch hier gar nicht mal so wenige) die seit Jahrzehnten extrem klar & deutlich warnen & Position beziehen.
Und natürlich können sich viele andere auf den Standpunkt stellen & sagen:
"Der wissenschaftliche Konsens ist deutlich genug. In den IPCC-Reports steht seit Jahren & Jahrzehnten alles Wichtige drin. Wissenschaftlich sauber muss man das so ausdrücken. Damit ist unser Job getan."
Dass die Bedeutung eben nicht ausreichend im öffentlichen Diskurs ankommt, ist gerade Klimawissenschaftler:innen natürlich schmerzhaft bewusst.
Deswegen gibt es mittlerweile auch diverse gute Initiativen in Sachen Wissenschaftskommunikation.
Aber: Auch die reichen offensichtlich nicht aus. Und - auch das wissen Klimawissenschaftler:innen besser als alle anderen - wir haben keine Zeit mehr, in den nächsten Jahren an unterschiedlichen kleinen Stellschrauben zu drehen & so Wissenschaftskommunikation zu perfektionieren.
Natürlich ist das ein wichtiger fortlaufender Prozess & ich hoffe, dass auch der Journalismus seinen Anteil leisten wird, um diese kommunikative Hürde zwischen Wissenschaft & Gesellschaft besser zu überbrücken.
(False Balance, mangelndes Faktenwissen, Politik- vs. Wissenschaftsjournalismus, Delayer-Argumente, PLURV-Methoden etc., spreche ich hier alles regelmäßig an & versuche die Probleme im Journalismus & mögliche Lösungen aufzuzeigen.)
Aber um endlich ausreichende Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten, braucht es eine massive Diskursverschiebung innerhalb der nächsten Monate, maximal weniger Jahre.
Und die wird es nur geben, wenn alle relevanten Akteur:innen deutlicher werden. Auch viele Wissenschaftler:innen.
Im vergangenen Jahr habe ich mehrfach mitbekommen, dass Wissenschaftler:innen sagten, dass sie ihre Kolleg:innen bewundern, die sich mehr in die Öffentlichkeit wagen, deutlicher mit der Presse sprechen. (Wer hier alles gemeint ist, muss ich nicht aufzählen. Das dürfte klar sein.)
Aber weil sie gesehen hätten, was die sich anhören dürfen, seien sie selbst zurückhaltender.
Wissenschaftler:innen werden von Journalist:innen oft als "aktivistisch" geframt, wenn sie Handeln klar & deutlich einfordern oder wenn sie Versagen benennen & offenen kritisieren.
Sie werden als "alarmistisch" diffamiert, wenn sie Risiken in klaren, verständlichen Worten formulieren; ihnen wurde teils Übertreibung unterstellt, nur weil die Journalist:innen keine Idee vom Ausmaß der Probleme hatten. (Mein Lieblingsfail, macht ich bald mal nen Thread zu.)
Außerdem fürchten viele um ihre Beratungsfähigkeit als Wissenschaftler:innen, wenn sie öffentlich zu klar & kritisch auftreten.
Ich kann absolut verstehen, dass nicht alle direkt bei der @ScientistRebel1 mitmachen, Forschungsergebnisse leaken oder sich irgendwo festkleben.
Aber was verspricht man sich von Beratung, wenn niemand drauf hört? Kleine Schritte in die richtige Richtung bringen uns nicht ausreichend weiter, dass muss ich Wissenschaftler:innen nicht erklären.
Wenn Politik & Öffentlichkeit höfliche wissenschaftliche Formulierungen nicht verstehen oder verstehen wollen, dann ist jetzt der letztmögliche Zeitpunkt, Klartext zu sprechen. Auch das wissen Sie.
Ich verstehen, dass der Umgang mit Medien & der Öffentlichkeit für viele Wissenschaftler:innen nicht leicht & zusätzliche Arbeit ist, dass Medienlogiken nicht einfach zu verstehen & zu bedienen sind.
Aber wenn man beobachtet, dass Kolleg:innen, die wissenschafliche Ergebnisse klar & verständlich darstellen, öffentlich kritisiert werden. Dann kann die Schlussfolgerung doch nicht sein, selbst weniger deutlich zu sprechen.
Dann muss die Schlussfolgerung doch stattdessen lauten, sich neben seine Kolleg:innen zu stellen & ebenso klar aufzutreten.
Diese deutlicheren Wissenschaftler:innen können nur so lange in die aktivistische Ecke gestellt werden, solange es genug andere gibt, die einen Zweifel daran ermöglichen, dass dieses Verhalten angesichts der Dringlichkeit der Situation angemessen ist.
Ps.: Dass diverse deutsche Virolog:innen in der #Coronakrise irgendwann recht entnervt & energisch auftraten, hat ihrem Ansehen übrigens keineswegs geschadet – aber geholfen, den Ernst der Situation für eine größere Gruppe sprübar zu machen.
Ich schiebe es seit 16 Tagen vor mir her, was zum @hungerstreik21 zu schreiben.
16 Tage, in denen junge Protestierende nichts gegessen haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir mitten im #ClimateEmergency stecken & bisher niemand ansatzweise angemessen darauf reagiert.
Einerseits weil ich ihre Interpretation des geleakten IPCC-Berichts nicht teile, dass nur 3 Jahre bleiben, um 2 Grad einzuhalten.
Andererseits weil ich nicht weiß, für wie strategisch klug ich ihre Forderung halte.
Eigentlich aber wegen etwas ganz anderem.
Ich hatte überlegt, sie zu besuchen. Aber ehrlich gesagt bin ich zu feige.
Es bricht mir das Herz, zu sehen, dass junge Menschen so verzweifelt sind, dass sie ihre Gesundheit heute gefährden, um der Chance auf eine halbwegs sichere Zukunft vielleicht doch noch näherzukommen.
"Hoffen Sie auch, noch bis zum Jahr 2040, 2050 oder länger zu leben?
Dann sollten Sie sich vor der anstehenden Bundestagswahl sehr sorgfältig informieren & überlegen, mit welcher Wahlentscheidung Sie am wahrscheinlichsten dann noch ein sicheres Leben in Frieden genießen können."
"Was wir lange vorhergesagt haben, hat sich bewahrheitet. Ohne sofortige Maßnahmen wird es immer schlimmer werden, wir werden immer öfter völlig neue Extreme erleben. Auch hier bei uns. Auch in der Lebenszeit der heute 60- & 70-jährigen. Es trifft nicht nur die junge Generation."
"Wir verursachen selbst das Problem & können etwas dagegen tun. Um die Erwärmung bei 1,5 Grad anzuhalten, müssen wir laut IPCC weltweit bis 2030 die Emissionen halbieren. Wir haben also nur noch diese Legislaturperiode Zeit für den Aufbruch zu einer wirksamen Klimapolitik."
1. zeigt der Beitrag, warum die Vorstellung von Neutralität o. Objektivität auch in berichtenden Formaten oft problematisch ist.
Der Text beschreibt:
- erst die Neuerungen auf der IAA
- dann kurz die Kritik der Aktivist:innen
- & lässt dann die Hersteller:innen drauf reagieren.
Journalistisch ist das sauber, sogar fair & gute Praxis, Protagonist:innen die Möglichkeit zu geben, auf Kritik einzugehen.
Nur gibt das den Autohersteller:innen hier automatisch sehr viel mehr Gewicht im Beitrag. (Selbst wenn am Ende noch auf weitere Proteste verwiesen wird.)
Deswegen fragen die Moderator:innen nicht, warum keine Partei einen Plan fürs 1,5-Grad-Limit hat.
Deswegen wundert sich niemand, welche Zukunft Scholz herbeifantasiert, in der junge Menschen den Luxus haben, sich um ihre Rente in 50 Jahren Sorgen zu machen.
Deswegen ist ernsthaft die Rede von "Verzichtsideologie".
Deswegen fragt niemand, wie man innerhalb von 7 Jahren CO2-Restbudget völlig neue Lösungen erfinden (Innovation!!) UND global implementieren will.
Um die Position von Vahrenholt einschätzen zu können, reichen 3 Minuten Google-Recherche. Unter den ersten Treffern findet sich das: de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Vah…