Die Automobilindustrie basiert auf einem einzigen Konzept: die nahezu vollständige Unterwerfung aller Lebensbereiche gegenüber autozentrierter Mobilität. Dabei genießen Autos das Privileg selbstverständlich öffentlichen Raum einzunehmen als wären Sie Grundnahrungsmittel. #Thread
Autos stehen 23/24 Stunden am Tag herum. Mitten in Städten während dort Raum eigentlich dringend benötigt wird. Das Auto scheint selbstverständlich Raum einzunehmen, ohne eine Rechtfertigung dafür erbringen zu müssen. Der gesamte Autoverkehr würde morgen früh zusammenbrechen… 2/
… wenn wir nicht Milliarden Subventionen in die Infrastruktur des Autos pumpen würden - während wir öffentliche Mobilität über Jahre hinweg bekämpft haben. Bahnstrecken wurden abgebaut und die Wettbewerbsvorteile des motorisierten Individualverkehrs systematisch erhöht. 3/
Dass in diesem völlig verzerrten „Wettbewerb“ das Auto scheinbar alternativlos wirkt, ist ein hausgemachtes Problem. Dabei ist das Konzept „Auto“ weder sozial gerecht noch inklusiv - das Gegenteil ist der Fall. Der Automobilindustrie ist es nur ausgesprochen gut… 4/
gelungen, unser Verkehrssystem derart auf Blech und Öl abzurichten, dass die Alternativen kaputtgespart wurden und dadurch keine Alternative mehr sind. So wirkt das Auto sozial gerecht und inklusiv, während es defacto all jene ausgrenzt die kein Auto fahren können oder dürfen. 5/
Das Auto ist eigentlich absurd teuer und ineffizient. Um 70kg Mensch zu bewegen, wird literweise Öl aufwändig gefördert, transportiert und schließlich verbrannt um die 70kg in einem Gerüst aus 2 Tonnen Metall von A nach B zu bringen. Parkplatzssuche und Stau inklusive. 6/
Dabei ist der Automobilindustrie nicht nur der Coup gelungen, unser Verkehrssystem derart zu verunstalten, dass ein ineffizientes und teures Produkt wie „Freiheit“ und „sozial“ wirkt sondern auch, dass die Wirtschaftsleistung zur „Schlüsselindustrie“ der ganzen Nation wurde. 7/
Das schafft neben der psychologischen und akuten Abhängigkeit eine politische Verhandlungsmasse, die es nahezu unmöglich macht diesen Missstand als das benennen was er ist. Geschweige denn, ihn zu bekämpfen. 8/
Das geht sogar soweit, dass keine politische Partei sich innerhalb von politischer Verantwortung wirklich traut, das so anzusprechen. Der grüne Ministerpräsident Kretschmann in BaWü spricht genau so vom Erhalt der „Schlüsselindustrie Automobil“ wie alle anderen. 9/
Aber ist diese „Schlüsselindustrie“ wirklich kompatibel, wenn wir die 1,5 Grad Grenze einhalten wollen?

Wohl kaum. Das Geschäftsmodell basiert ja auf einer Produktion von Autos, die eigentlich niemand bräuchte wenn wir Mobilität tatsächlich effizient organisieren würden. 10/
Eine klimaneutrale Welt wird Autos beherbergen. Ebenso, wie sie Flugzeuge und Schiffe beherbergen wird. Aber wenn sie klimaneutral sein möchte, wird das nur mit effizienter Mobilität gehen. Und da wird es nicht mal annähernd diesen Fuhrpark geben. Dagegen spricht die Physik. 11/
Der energetische Wirkungsgrad von 2 Tonnen Blech für 70kg ist einfach zu schlecht, dass wir uns das in einer Welt in der wir um jede kWh saubere Energie ringen müssen in den nächsten Jahren leisten könnten. Das ist die Realität. 12/
Das gleiche gilt übrigens genau so für die ganzen Wasserstoffpropheten die von grünem Wasserstoff fabulieren während noch nichtmal genug grüne Energie in Aussicht steht, um den Autoverkehr auf Batteriebetrieb umzustellen. Beides ist Identitätspolitik, die das Ziel verfolgt, 13/
Menschen glaubhaft zu machen dass sich ein Status Quo erhalten ließe, der längst seine Toxik zu Umwelt- und Gerechtigkeitsfragen unter Beweis gestellt hat. Das ist bemerkenswert, weil eben jene Vertreter dieser Form von Identitätspolitik diesen Akt gerne… 14/
als „ideologiefrei“ und „technologieoffen“ vermarkten - dabei sind sie eigentlich die einzigen, die klammerhaft an Technologien festhalten. Schließlich sind „die Grünen“ ja die mit den E-Autos, also fordert man Wasserstoff. Physik? Egal. 15/
Genauso ideologisch ist die Vorstellung, dass ich der Status Quo unseres Verkehrssystem in einer klimaneutralen Welt erhalten ließe. Es ist politisch einfacher, den Leuten dieses Märchen zu erzählen als den Kampf gegen eine Industrie zu beginnen. Scheinbar zumindest. /16
Tatsächlich steht aber weitaus mehr auf dem Spiel: die Lebensfähigkeit aller künftigen Generationen. Klimaneutralität ist kein nice-to-have sondern die Bedingung für zivilisiertes Leben über einem Zeithorizont von 15 Jahren hinaus. 17/
Diese Automobilindustrie kann also nicht „Schlüsselindustrie“ bleiben - egal, was euch Laschet, Söder oder Kretschmann erzählen. Ihr Geschäftsmodell basiert auf einer Form von Mobilität die wir uns nicht mehr leisten können. 18/
Sie kann und sollte weiter Autos produzieren. Aber zu glauben, dass es eine klimaneutrale Zukunft gibt, in der wir flächendeckend so viel saubere Energie derart ineffizient verschwenden ist angesichts der Geschwindigkeit der Erderhitzung nichts weiter als politische Esoterik. 19/
Ich wünsche mir vor allem deutlich mehr Ehrlichkeit von jenen politisch Verantwortlichen die vordergründig nicht abhängig von der Autoindustrie sind aber im Kern den selben Märchenerzählungen hinterherlaufen oder sie zumindest nicht in Frage stellen. 20/
Also, ja liebe Politik: genau ihr seid gemeint. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit und je länger wir Bequemlichkeit über Erkenntnis siegen lassen, desto härter wird der Moment dieser Erkenntnis und der Umbruch, der mit ihr einhergeht. 21/
Diese Form der Automobilindustrie muss bekämpft werden. Das ist die bittere Wahrheit. Die Menschen, die auf der #IAA demonstrieren, sprechen sie nur als einzige aus. Zeigt ihnen Solidarität und lasst ihren Kampf nicht umsonst gewesen sein. 22/
Und, wenn ihr schon bis hier hin gelesen habt: am 24.09. ist globaler Klimastreik von @FridayForFuture. Wir streiken, weil wir diesen Kampf nicht als verloren ansehen sondern gewinnen können.

Geht mit uns auf die Straße für eine Verkehrswende, die ihren Namen verdient. ✊

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13 Jul
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Warum dieses Argument vollkommener Bullshit ist? Ein #Thread
Würde diesen Zahlentrick jemand mit dem Vatikan-Staat mit seinen 825 Einwohner*innen machen, würde allen die Nebelkerze auffallen: klar muss der VS kumuliert weniger Emissionen einsparen, aber relativ eben doch die selben Maßnahmen und Ziele ergreifen, wie alle anderen. 2/
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2 Jun
Warum den #Benzinpreis erhöhen? Ein #Thread.

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Nur bitte nicht so, dass sich was ändert, möchte man meinen... 1/
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7 May
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21 Feb
Das größte Problem an wissenschaftsunfähiger Politik? Ein #Thread.

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