Thread by @prof_m_baumann

Egal, was passieren wird – tausende #Familie baden die Folgen des Gelehrtenstreites aus – UND SIND DABEI WIEDER VOLLKOMMEN ALLEINE!
Aber es gibt Wissen über #Familiendynamik & #Kinderschutz in der #Covid_19 #Pandemie, was zeigt, was man tun kö… Äh, was ZU TUN IST!
Thread 1/30

Wir kennen die Dynamiken familiärer Prozesse, die für Kinder, Jugendliche & Eltern problematisch werden können. Warum nutzen wir das Wissen nicht? Ist Kinderschutz wirklich eine Frage der Rechthaberei? Folgende Maßnahmen sind aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll: 2/30

*(Triggerwarnung: Dieser Thread enthält keinerlei dogmatische Forderungen oder Verurteilungen bestimmter Pandemie-Maßnahmen und will diese auch nicht in Drukos/ Drükos lesen – hier geht es AUSSCHLIEßLICH um UNTERSTÜTZUNG, die jetzt SO ODER SO notwendig ist) 3/30

1.) Über alle Kanäle, von jeder Plakatwand, in jeder Werbeunterbrechung können Informationen, worauf Familien in der Pandemie, Isolation oder Quarantäne besonders achten sollten, gegeben werden. Was kann die Familie selbst tun? Hierzu zählen vor allem folgende Hinweise: 4/30

a.) Eltern, erhaltet eine Tagesstruktur, Rituale und Rhythmen ein!
Die Forschung zeigt eindeutig, dass der psychische Impact auf Familien umso größer ist, je mehr die Tagesstruktur oder Schlaf-Wach-Rhythmen abhanden kommen bzw. gar nicht etabliert waren. Ähnliches gilt… 5/30

…auch für das einhalten gemeinsamer Mahlzeiten oder bestimmter Rituale, z.B. gemeinsames Video-Schauen nach dem Abendessen, Zu-Bett-Geh-Rituale bei jüngeren Kindern oder das regelmäßige Spielen von (gerne auch kurzen) Gesellschaftsspielen, die dem Tag Struktur geben! 6/30

b.) Eltern (und Jugendliche), achtet darauf, dass sich Euer Alkoholkonsum nicht langsam und aus Langeweile/ Einsamkeit steigert!
Alkohol und häusliche Isolation (und Kinder!) sind überhaupt keine gute Kombination, es kommt schnell zur Gewöhnung und… 7/30

…einem „Langeweile-Trinken“ und Konflikte eskalieren schneller! In Deutschland sind die Verkaufszahlen in der Pandemie dramatisch gestiegen, und nach wie vor gilt: Alkohol ist einer der schwerwiegendsten Einflussfaktoren auf häusliche Gewalt und beeinträchtigt Tagesabläufe. 8/30

c.) Eltern, achtet auf eine gleichberechtigte Verteilung der Aufgaben innerhalb der Familie, vor allem bezogen auf den Mehraufwand, den die Pandemie innerhalb des Haushaltes erfolgt!
Für die psychische Widerstandskraft aller Familienmitglieder und für ein… 9/30

…friedliches Zusammenleben gilt, je gleichberechtigter und je weniger traditionalistisch die Geschlechterrollen in einer Familie inszeniert werden, desto widerstandsfähiger sind alle Familienmitglieder gegenüber Krisen und desto friedlicher kann das Zusammenleben laufen! 10/30

Leider hat die Pandemie gerade auch in Deutschland die Ungleichverteilung von Haushalts- und Betreuungsaufgaben vielerorts (wieder) zu Ungunsten der Frauen verschoben, was für die psychische Bewältigung der Pandemie fatale Folgen haben kann! 11/30

d.) Eltern, seid sensibel für sexuelle Gewalt im Internet!
Leider zeigt sich mehr als deutlich, dass gerade sexuelle Gewalt gegen Kinder & Jugendliche im Internet gestiegen ist. Geht ins Gespräch, sensibilisiert Eure Kinder& aktiviert Hilfeangebote, wenn Ihr unsicher seid! 12/30

e.) Wenn es zu einem Anstieg von Konflikten oder sogar zu Gewalt innerhalb der Familie gekommen ist, zögert nicht, sucht Hilfe!
Familiäre Gewalt bringt d.starke Gefahr einer Chronifizierung mit sich wenn nicht sofort konsequent auf kleinste Grenzverletzungen reagiert wird! 13/30

2.) Für pädagogische Einrichtungen müssen folgende Aspekte verbindlich berücksichtigt werden:
f.) Verbindlicher Kontakt von Schulen zu Schüler*innen in Quarantäne.
Es ist lange bekannt, dass die psychischen Folgen und der Grad der Isolation in Quarantäne höher ist als in… 14/30

…jedem Lockdown. Schulen müssen einen „Quarantäne-Kontaktbeauftragten“ benennen, der im täglichen digitalen Austausch mit quarantänisierten Schüler*innen und Eltern steht. Gleiches gilt bei 2G für Ungeimpfte. Dabei sind besonders auch die folgenden Punkte maßgeblich. 15/30

g.) Pädagogische Angebote rhythmisieren auch ihre Online-Angebote. Wenn es zu Fernbeschulung kommt, beginnt diese mit Video-Konferenz zu einer festen Zeit und endet auch damit. Auch offene päd. Angebote versuchen, dem Tag/ der Woche durch feste Angebote Struktur zu geben. 16/30

h.) Pädagogische Angebote entwickeln online erreichbare Rituale wie z.B. Vorlesestunden, gemeinsame Spielrunden (z.B. Quiz, selbst Würfelspiele kann man als Videokonferenz spielen) oder einfach nur Räume für Austausch. 17/30

i.) pädagogische Angebote aus allen Bereichen müssen durchgängig mit genügend Test-Kapazitäten & einer Test-Strategie versorgt sein, s. d. Präsenzangebote gesichert werden können. Gerade für Risikogruppen (Armut, konflikthafte Familien, Sprachbarrieren) ist dies elementar! 18/30

3.) Zusätzliche Maßnahmen als gesellschaftliche Verantwortung schützen aktiv das Kindeswohl:
j.) Finanzielle Sicherung, wenn Pandemie-Maßnahmen oder Quarantäne-Maßnahmen Berufsgruppen (z.B. Gastronomie) oder individuelle Familien (z.B. Selbstständige) treffen. 19/30

Hierbei sind auch besonders prekäre Arbeitsverhältnisse in den Blick zu nehmen.
k.) Kontaktmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sind zu priorisieren und durch Infrastruktur (Test, Apps zur Rückverfolgung, Bereitstellung von Räumlichkeiten) zu sichern. 20/30

l.) Bereitstellung von kostenlosen und sicheren Chat- und Netzwerkdiensten.
Gerade für Kinder im Grundschulalter ist es wichtig, sie nicht in den üblichen sozialen Netzwerken der Erwachsenen ungeschützt und anonym agieren zu lassen. Hilfreich kann die Implementierung… 21/30

…von Online-Plattformen sein, die gesichert werden vor anonymen Zugriffen durch Erwachsene, die sich als Kinder ausgeben, und wo Inhalte regelmäßig controlled werden, um so geschützte Räume für Kinder zu schaffen, wo sie sich darauf verlassen können, 22/30

…dass Alter und Geschlecht (m/w/d) stimmen und wo Mobbing und Beleidigungen schnell aufgegriffen und an die Erziehungsberechtigten rückgemeldet werden. Auch können über diese Netzwerke niedrigschwellige Beratungsangebote bereitgestellt werden. 23/30

m.) Die Polizei verstärkt ihre Internetpräsenz durch „Online-Streife“ in beliebten Spielen und Netzwerken, um Straftaten aufzuspüren und konsequent zu ahnden. Nur durch eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit lässt sich die zunehmende Gewalt… 24/30

…und sexualisierte Belästigung im Internet wieder zurückdrängen. Auch benötigt es an dieser Stelle einer Aufklärung und Sensibilisierung pädagogischen Personals bezüglich der Folgen und der Unterstützungsmöglichkeiten bei diesem Thema. 25/30

Schluss:
Leider beschränkt sich die Diskussion aktuell wieder auf die Frage, ob bestimmten Maßnahmen mehr schaden als nutzen… Statt dieses mehr/ weniger sollten wir aber zur Kenntnis nehmen, dass die aktuelle Situation Leid erzeugt, die Fehler, die dazu führten, … 26/30

liegen Monate zurück und sind Fehler Erwachsener, nicht der Kinder selbst!
Aber JETZT brauchen wir AKTIVE UNTERSTÜTZUNG, kein „ja, aber 27/30

Die Situation ist JETZT belastend & wird sich steigern, soviel ist klar. Stumpf-dummer Dualismus aus „Infektionsschutz vs. psychischen Belastungen“ ist weder inhaltlich richtig noch hilfreich, wir brauchen UNTERSTÜTZUNG! 28/30

Wer vertiefend an den zugrundeliegenden Inhalten interessiert ist, hier drei Texte, in denen Ihr Euch vertiefen könnt:
Baumann (2020): Familiäre Gewalt in der Corona Zeit (researchgate.net/publication/34…)

Baumann, Berhäuser, Bolz & Martens (2021): Den Fokus neu denken (socialnet.de/materialien/29…)
Baumann (2021): COVID 19 and Mental Health in Children and Adolescents (link.springer.com/article/10.100…)