Die einleitende Bestandsaufnahme ist grundsätzlich richtig:
Immer mehr Schüler:innen haben Probleme, zB beim Leseverstehen. 2/21
Aber: Diesen Trend im nächsten Atemzug schon kausal auf die Pandemie zurückzuführen, ist mindestens nachlässig:
Den Trend sinkender Lesekompetenz zB beobachten wir in der Eingangsdiagnostik 5/6 und VERA8 schulformübergreifend seit über 15 Jahren.
Zu stark vereinfacht 🤷🏼♂️ 3/21
Es folgt der erste Strohmann:
„Die Gesellschaft“™️ wolle nun die Schüler:innen in Watte packen.
Was ist da gemeint?
Dass psychische Krisen bei Jugendlichen in der Pandemie drastisch zugenommen haben, ist belegt.
Ist die Rücksicht darauf gemeint?
Keine Ahnung 🤷🏼♂️ 4/21
Der Rest (rot markiert) ist nämlich schlicht falsch:
Im letzten Schuljahr fiel keine einzige Klassenarbeit oder Klausur aus, trotz absurder Absenzen musste alles nachgeschrieben werden.
Rücksicht auf Quarantänezeiten oder Covid-Folgen in Prüfungen : Nicht vorgesehen 5/21
Die Formulierung der „jahrzehntelang
praktizierte[n] Pädagogik der Schonung und
Niveauabsenkung“ ist eine eingestreute Unverschämtheit, damit sich die älteren Leser:innen ergötzen können:
Früher™️ war natürlich alles viel härter und schwieriger, alle klüger und fleißiger 👍🏻 6/21
Die folgenden, sehr überraschenden Aphorismen lasse ich mal unkommentiert. 🤯7/21
Der folgende Strohmann ist sehr ärgerlich:
Wer auch immer „DIE deutsche Bildungsdebatte“ sein mag – wer auf diesem Planeten würde ernsthaft abstreiten, dass Kinder, Erwachsene, alle Menschen unterschiedliche Begabungen haben…? 🤷🏼♂️🤷🏼♂️🤷🏼♂️ 8/21
Im Gegenteil basieren doch die didaktische Forschung und innovative Unterrichtskonzepte gerade darauf, stärker das Individuum in den Blick zu nehmen und Gleichmacherei (derselbe #Frontalunterricht für 30 Leute) zurückzufahren.
Der Topos der „Gleichmacherei“ passt hier nicht 9/21
Nächster Strohmann:
Wer fordert denn, dass „alle den höchsten Bildungsabschluss mit Bestnoten“ erreichen sollen?
Ich habe diese Forderung noch nie ernsthaft irgendwo gelesen 🤷🏼♂️ 10/21
Die Armee der Strohmänner marschiert nur auf, um den deutschen Sonderweg der #Dreigliedrigkeit zu legitimieren:
Abschulen sei gut für Kinder, ein Schulwechsel mache ihnen nichts aus.
Wer das anders sieht, hänge „verbreiteten Vorurteilen“ an 🤡 11/21
Frau Bethkes Behauptungen – samt und sonders unbelegt – rühren natürlich an die Debatte um die Mehrgliedrigkeit, die hier im #TWLZ ja sehr leidenschaftlich geführt wird.
Ohne das Fass aufzumachen jedoch:
Den „verbreiteten Vorurteilen“ hängt ihr Kommentar an: 12/21
Ohne über den Sinn und Unsinn früher Selektion zu streiten:
Empirisch belegt ist, dass die „Durchlässigkeit“ in 90% der Fälle nach unten arbeitet.
Die Datenlage und v.a. die sozialen Hintergründe erläutert der Soziologe @AladinMafaalani hier ausführlich bei @TiloJung ➡️
13/21
Frau Bethke zitiert folgend Heinz-Peter Meidinger, der von abgesenkten Anforderungen spreche.
Auch hier frage ich mich, woher er das nimmt 🤨
Die Lehrpläne platzen vor Stoff und mir ist keine Regelung bekannt, dass irgendwo ein Thema weggefallen wäre.
Bauchipedia? 🤷🏼♂️ 14/21
Wir gehen zum #Lehrerbashing über – Vorwurf in Verpackung:
Wir Lehrer:innen vertuschen schlechte Leistungen und geben Schüler:innen geschöntes Feedback.
Da eine unbelegte Behauptung ja durch schlichten Widerspruch zu entkräften ist:
Nö, tun wir nicht.
Wozu auch…? 15/21
Horror-Szenario:
Wenn ✨das Niveau™️ – Subtext: früher™️ natürlich unermesslich hoch 🥹 – nicht „wieder (!) angehoben“ werde, verliere das in Geschmeide aufzuwiegende deutsche Abitur an Wert 😱
Wieder der Topos einer goldenen Vergangenheit, in die wir zurück müssten 16/21
Eine rückwärtsgewandte Utopie, die wieder gerade die älteren Leser:innen begeistern wird.
Mit dem komplexen Diskurs in Didaktik, Forschung und unter Lehrer:innen über in der Zukunft bedeutsame Kompetenzen und agile Methodik hat diese Erzählung leider nichts zu tun. 17/21
Zum Schluss die überraschende Wendung:
Im letzten Absatz rattert die Autorin dann die wirklichen Probleme (#Lehrermangel, Unterfinanzierung, der Ruf des Lehrberufs…) in 3 Sätzen herunter.
DIE wären doch ein tolles Thema für den Kommentar gewesen?! 🙈 18/21
Zusammenfassend:
Die Erzählung einer goldenen, längst vergangenen Bildungsgesellschaft wird vom Chor der Strohmänner besungen, garniert mit einigen Mythen und gelegentlichen Seitenhieben auf die Lehrer:innen.
Die echten Probleme sind nur der Rausschmeißer. 19/21
Zielführender hätte ich zB Einschätzungen gefunden, was „das Niveau“™️ – ja scheinbar längst verloren – denn 2022 ausmacht; WAS denn sinnvolle Zukunftsperspektiven für Schüler:innen und unsere Bildungssysteme sind.
Es gibt SO viele Ideen und Projekte überall 🤷🏼♂️ 20/21
Die vage Verklärung der Zeit vor der Pandemie bildet die aktuellen Diskurse der Bildungslandschaft weder ab, noch hilft sie ihnen weiter.
Auch Feuilleton-Leser:innen, die nicht im Bildungsbereich arbeiten, hätte man mehr zutrauen können. 21/21
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Nichts schießt weiter am eigentlichen Problem vorbei als aktuelle Angebote zur „Lehrergesundheit“. 😐 #TWLZ
Ui, du bist fertig von deiner durchgetakteten 50-Stunden-Woche mit drölfzig Extra-Terminen? 🫢
Wie könnte man das wohl lösen…? 🤔
Hier! Ein Workshop für Extreme-Highspeed-Mini-Meditationen, die du in deine 3-Minuten-Klopause integrieren kannst! 🤗🤗🤗
Du hast für nichts mehr Zeit?
Hier unser 8-tägiges 15-Stunden-Wochenend-Seminar zur effizienten Zeitplanung in Bad Bummsdorf im von Verkehrsmitteln und -wegen bisher unberührten Hinterland 🤗
Das Transparent, das die #Nazi|s gestern bei ihrem „Gedenkmarsch“ an die Bombardierung #Dresden|s vor sich hertrugen, ist eine bodenlose Geschmacklosigkeit.
Unfreiwillig lieferten sie damit aber erstklassiges Anschauungsmaterial für den Deutschunterricht! #TWLZ#Thread ⬇️ 1/11
(Mit meinem Q1-Leistungskurs stecke ich gerade im Themenkomplex „Sprache – Denken – Wirklichkeit“.
Dafür – wie hier v.a. durch Sprache eine neue Wirklichkeit konstruiert werden soll – war das Foto ein wunderbarer Gesprächsanlass.
Schüler:innen entlarven Nazis spielend.) 2/11
1. „Bombenholocaust“
Die gewaltigste Widerlichkeit zuerst:
Durch das zusammengesetzte Schlagwort setzt die Bombardierung einer kriegswichtigen Stadt mit der millionenfachen Entrechtung, Folter und Ermordung der Juden 1:1 gleich.
Bei der Recherche für unseren #Laberfach-#Podcast🎧 (open.spotify.com/show/0G3o7TI59…) bin ich oft fasziniert, dass man für sehr (!) komplexe, (zB historisch) voraussetzungsreiche Literatur S:uS-Materialien für Klasse 7/8 findet.
Mit „fasziniert“ meine ich „arg misstrauisch“ 🤨 2/15
Natürlich schaue ich dann immer in die Lehrer-Heftchen.
Was mache ich falsch, dass offenbar nur meine 8er keine feuilletonfähigen Essays über zynische Regieanweisungen in Jelinek‘schen Dramen abfassen…? 🤔
Die Nebenausstellung „Grammatik“ direkt am Eingang ignorieren wir heute (wie die meisten Besucher).
Die staubigen Exponate (ellenlange Tafelanschriebe, gestelzte Lückentexte aus 3 Jahrhunderten…) sind eher etwas für Liebhaber. Der Bereich wird aber bereits renoviert. 2/10
Die Hauptausstellung „Literatur“ wird am stärksten frequentiert.
Auf meterhohen Podesten stehen monolithisch die leicht vergilbten Prunkstücke des Hauses – Goethe, Fontane, Heine, Kleist.
Ein Konzept scheint die Anordnung nicht zu haben. Insgesamt ist der Raum recht eng. 3/10