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„Warum dauert das denn so lange?!?“
Eine Frage, die man in der Apotheke häufiger mal hört.
Ich versuche meist parallel zu erklären, was ich da mache, aber manchmal braucht man einfach zu viel Gehirnkapazität dabei, während man wild tippt und in den Monitor starrt.

Ein THREAD:
Kurze Anmerkung bevor es richtig los geht:
Ich beschreibe, wie bei uns ein Kassenrezept manuell bearbeitet wird - so wie es weit verbreitet ist. Wir haben inzwischen Scannerkassen, die einen Großteil des Rezepts automatisch erfassen, was Zeit spart. Wenn das System richtig liest.
*Kunde reicht Rezept*
Ist das Rezept formell korrekt? Alle Angaben drauf?
Daten des Versicherten vollständig
Ausstellungsdatum (wichtig)
Arztstempel + Unterschrift (fehlt gern mal)

Dann geht’s weiter:
Ist der Kunde in der Kundendatei?
Rezeptstatus auswählen (gebührenpflichtig, befreit, Kind)
1. Medikament eintippen
Ist die PZN auf dem Rezept, muss nur die Nummer getippt werden, ansonsten (Wirkstoff-)Name, Stärke, Packungsgröße, damit die Auswahlliste nicht ewig lang wird und man fix den Artikel auswählen kann.
Ein Fenster ploppt auf: Krankenkasse auswählen
Ist die KK nicht in der Vorauswahl, muss die 9-stellige IK-Nummer eingetippt werden.
Ein Fenster ploppt auf: Rabattverträge der gewählten Krankenkasse
Hatte der Kunde schon mal eines der möglichen Präparate?
Oh, leider sind die Vertragsartikel alle nicht lieferbar.
Online-Anfrage bei 2 Großhändlern und den Filialen.
Nix. Also darf ich (noch) das namentlich verordnete oder eins der 3 günstigsten Präparate auswählen, dass dann mit einer Sonder-PZN aufs Rezept gedruckt werden muss.
Wir müssen allerdings auch nachweisen können, dass kein Großhandel liefern kann.

Beim 2. Medikament gibt es keine Rabattverträge, aber Reimporte. Der Arzt hat einen Reimport verordnet, dann darf ich weder das Originalpräparat noch einen teureren Reimport abgeben.
Leider ist der Reimport nicht lieferbar. Ich muss die Praxis informieren, dass dem so ist und ich nur das teurere Original abgeben kann. Der Arztpraxis ist es meist egal, der Krankenkasse nicht. Ich muss die Nichtlieferfähigkeit nachweisen, eine Sonder-PZN aufdrucken und
einen kleinen Roman aufs Rezept kritzeln, dass der Import nicht lieferbar und nach Rücksprache mit der Praxis auch das Original ok ist.

Hätte der Arzt das Original verordnet, hätte ich erst prüfen müssen, ob es einen wirtschaftlicheren Import nach 15/15-Regel gibt und
wenn ja, ob der lieferbar ist. Gibt es so einen, müssen wir unsere Importquote je Krankenkasse erfüllen - bei Hochpreisern wird’s schnell problematisch. Ist der nicht lieferbar, muss eine Sonder-PZN aufs Rezept. Gibt es keinen, ist die Welt tatsächlich mal in Ordnung.
Medikament 3 ist ein Nasenspray für ein Kind.
Die Krankenkasse erlaubt mir nur einen Vertragspartner: kein Spray, sondern Tropfen, die auch noch Konservierungsstoffe enthalten. Das gefällt mir pharmazeutisch und dem Kind bei der Anwendung so gar nicht.
Ich möchte das verordnete Spray abgeben. Natürlich muss wieder eine Sonder-PZN für die pharmazeutischen Bedenken drauf plus ein kleiner Roman aufs Rezept, dass die Darreichungsform nicht identisch und die Compliance gefährdet ist.
Alles soweit bearbeitet? Fein, dann kann ich jetzt endlich loslaufen und die Medikamente holen.

Das waren jetzt nur die „Standards“, die bei fast jedem Rezept inzwischen vorkommen.
Dazu kommen Sonderregelungen für Hilfsmittel (das würde den Thread wirklich sprengen!),
Verbandstoffe (irgendwelche skurrilen Packungsgrößen oder Hersteller, die der Arzt verordnet, die aber nicht zu bekommen sind - ebenfalls ein weites Feld), verzwickte Mehrfachverordnungen oder Stückelungen zwischen N-Bereiche (ach ja, die Normgrößen, auch ein schönes Thema...)...
Die bürokratische Liste ist lang und wird immer länger.
Oft muss geprüft werden, ob das Rezept überhaupt so beliefert und abgerechnet werden kann, ob Änderungen möglich sind oder ob man gleich ein ganz neues Rezept vom Arzt braucht, weil die Krankenkasse sonst nicht zahlt.
Manchmal hat man tatsächlich einen Berufsanfänger vor sich, der noch etwas länger braucht, um das alles im Blick zu haben.
Meist sind es aber erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die irgendwie versuchen, durch den bürokratischen Dschungel an Ihr benötigtes Medikament zu kommen.
Vielen Dank für Ihre Geduld!
Ups, das ist jetzt doch ganz schön langatmig geworden. Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu Tode gelangweilt, wenn Sie sich bis hier unten durchgekämpft haben...
Und das ist nicht mal im Ansatz vollständig - die Kolleginnen und Kollegen mögen mir verzeihen...
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