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Karas setzte Mitarbeiter für seine Doktorarbeit ein diepresse.com/home/ausland/e… via @DiePressecom [Premium]
Und weil nun manche eine gezielt gegen Karas lancierte Kampagne wittern: die gibt es nicht. Es hat mir auch kein politischer Gegner der ÖVP einen „Zund“ gesteckt. Warum also diese Recherche nun, so knapp vor der EU-Wahl? Eine Blick in die Werkstatt:
Am 5. 12. 2017 informierte Karas‘ Pressesprecher uns Brüssel-Korrespondenten darüber, dass sein Chef tags darauf zu „aktuellen europapolitischen Themen“ mit uns sprechen wolle. Erinnern Sie sich: die Bildung von Türkis-Blau stand knapp bevor, mit unschönen EU-Nebengeräuschen.
Würde Karas seinen Unmut über die Koalition seiner Partei mit der FPÖ kundtun - vielleicht gar, wie er es so oft lanciert, aber nie umgesetzt hatte, im Groll der Volkspartei den Rücken kehren? Wir waren gespannt und fanden uns in Karas‘ Büro ein.
Doch Überraschung: uns empfing ein freudenstrahlender Abgeordneter, der uns darüber in Kenntnis setzte, dass seine Diss mit „Sehr gut“ bewertet worden sei. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns wusste, dass Karas eine Doktorarbeit schreibt.
Im Zuge dieses unsererseits nicht ganz freiwilligen Pressegespräches verteilte Karas Ausdrucke des Vorwortes an uns; er erwähnte auch, kaum ein MEP habe auf seinen Fragebogen geantwortet, weshalb es einer „Telefonaktion“ seines Büros bedurft habe, für ein paar Antworten.
Nach einer knappen Stunde ohne Nachrichtenwert zogen wir ab, allesamt genervt von dieser Art und Weise eines einflussreichen Politikers, ein Privatvergnügen (seine Doktorarbeit) über die ihm generell sehr wohlgesonnenen Medien zu bewerben.
Ich erinnere mich, meinen Kollegen beim Rückmarsch in unsere Büros recht sauer gesagt zu haben, die einzige Story, die dieser Termin abwerfen könnte, wäre: „Karas spannt Mitarbeiter für Diss ein“.
Wieso aber haben wir diese Story damals nicht geschrieben, keiner von uns? Nun, erinnern Sie sich: Koalitionsbildung, Brexit, Rechtsstaatskrise in Polen und Ungarn, dazu der übliche Stau an Arbeit knapp vor Weihnachten. Viel zu tun, knappe Ressourcen.
Bis auf APA und ORF (und seit vorigem Jahr die SN) sind wir in Brüssel alle Einzelkämpfer. Jeden Tag müssen wir eine Menge interessanter, wichtiger Themen an uns vorbeigleiten lassen, weil es sich schlicht nicht ausgeht.
Doch die Sache mit dem Privatprojekt Diss, für das die aus dem EU-Budget bezahlten Assistenten arbeiten mussten/„dürften“, blieb mir im Hinterkopf. So etwas ist nicht in Ordnung, weder aus Sicht des Abgeordnetenstatutes, noch aus wissenschaftlicher Sicht.
Ich schwor mir darum: vor der Europawahl muss ich darüber berichten. Nüchtern, ohne Skandalisierung, unter umfassender Zitierung unabhängiger Experten und natürlich Karas‘ selbst.
Das Ergebnis ist heute zu lesen. Dass es knapp vor die EU-Wahl fällt, kann ich nicht ändern. Wäre es Karas‘ Anhängern lieber gewesen, das vor Monaten zu lesen und damit seinen Gegnern die Möglichkeit zu geben, nachzubohren? Ich weiß es nicht. Es ist mir auch gleichgültig.
Nicht gleichgültig ist mir jedoch die offenkundig mangelnde Einsicht von Karas (und seinen Anhängern) für das hier dargestellte ethische Problem: nur, weil er über das EP geschrieben hat, legitimiert das den indirekten Einsatz von Steuergeld nicht.
Dieses Argument, das ich mir heute am Telefon anhören musste, ist absurd: ließe Nigel Farage sich von seinen Assistenten in der Verfassung einer Diss über die Korruption im EP helfen, wäre der Aufschrei wohl enorm - und zu Recht.
En bref: ich habe hier keinen Skandal offengelegt. Karas ist ebenso wenig rücktrittsreif, wie OLAF ermitteln oder die Uni Wien ihm den Doktortitel aberkennen sollte. All das wäre Unfug. Sehr wohl aber ist das, denke ich, ein Sittenbild.
Leider verlieren zu viele EU-Mandatare spätestens nach ihrer zweiten Wiederwahl das Gespür dafür, was privat ist und was amtlich. Die unzureichenden Vorschriften für die diversen Zulagen, die geografische Entfernung von der kritischen Öffentlichkeit daheim fördern das.
Wenn EU-Abgeordnete ihr Mandat wie ein Erblehen betrachten, laufen sie allzu schnell aus der Spur des gewissenhaften, allein dem Wähler verpflichteten Amtsverständnisses. Ich fände es schade, wenn das Europaparlament und damit die europäische Demokratie Schaden nähmen. \finis
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