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Im Übrigen war die Kombi aus "die Stärken hervorheben" und "die Schwächen verbergen" und "möglichst alles mit Humor" nehmen noch nie die Definition von Würde.

Das ist das Verhaltensrepertoire, das unseren Großeltern i. Endeffekt verboten hat, über Kriegstraumata zu sprechen.
Das ist die Handlungsmaxime, die meinem Vater in Quintessenz verboten hat, über seine Nachkriegskindheit zu sprechen & ihn tatsächlich gequält hat, wenn wir nur den Rand vom Käse seines Erachtens zu großzügig entfernt haben & er seine hilflose Wut darüber nicht erklären konnte.
Dieses Verhalten gilt vornehmlich als erwünscht für männliche Bewohner unseres Planeten, denn Mädchen & Frauen "durften" bis zur "Hysterie" leiden & "Schwächen" zeigen, es ist ja im Grunde alles, was Frauen zugesprochen wird & was gleichzeitig Abwertung ohne Ende rechtfertigt.
Und zur Ursache von "Indianer kennt keinen Schmerz", "heul' nich', wie'n Mädchen" und dgl. wird, dessen Ergebnisse ja permanent sichtbar sind (weinen/ leiden/ Gefühle offenbaren, das tun nur "schwache" Frauen, ernstgenommen wird das aber natürlich nicht, usw.)
Nicht absichtlich mißverstehen, jeder sollte seine Stärken lieben & hervorheben, Schwächen nutzen, an sich zu arbeiten und 'ne Portion Eigenhumor, sich selbst nicht zu ernst nehmen/ über sich selbst lachen können ist 'ne sehr hilfreiche & positive Eigenschaft.
Aber tatsächlich ist die von Tretter so vielgeliebte Kombi, dessen Mangel er beklagt u. als Wehleidigkeit deklariert & das dann auch noch mit Würde gleichsetzt (die im Übrigen jedem innewohnt & lt GG unantastbar ist), die Wurzel des toxischen Gesellschaftssystems, unter dem
wir alle leiden.

Wie aus diesen drei Faktoren eine Gesellschaft wird, in der Mütter ihren Söhnen mit spätestens 4 erklären, sie sollten nicht jammern od. "Heulsusen" werden, was die später dann aufkommende Entwertung v. Gefühlen = Frauen & regelrechte Misogynie erzeugt, muss ich
sicher nicht erklären.
Dass in diesem Weltbild -in dem "weibische" Männer (sic!) schon Argwohn hervorrufen- Menschen keinen Platz finden, deren Selbstdefinition nicht durch Mann oder Frau abgedeckt wird, ist quasi logische Folge.
Daraus ergibt sich also das vollkommene Unverständnis für Menschen, die vielleicht aussehen, wie Männer/ Frauen, aber keine sind/ sich anders definieren. Es reicht i.Grunde schon, diese lächerlichen Schwäche/Stärke-Regeln zu brechen, Gefühle zu verbalisieren, zu weinen.
Es mag noch irgendwie nachvollziehbar sein, vieles nicht zu verstehen & deswegen privat in hilflosen Humor zu verfallen, der eher selten wirklich lustig ist.

Warum man dann aber Menschen komplett abwerten muss, weil man sie nicht "versteht",
sie nicht in die eigene starre Sozialisierung passt, das will mir nicht in den Kopf.
Warum muss die innere Notwendigkeit für eigene Zuordnung durch vollkommen unsinnige Beliebigkeit (Salatgurke? Come on... das ist wie die Ehe für alle mit "dann kann man bald auch
sein Auto heiraten" zu verdrehen/entwerten.) persifliert werden? Das erschließt sich mir nicht.

Ich verstehe vieles selbst nicht. Liebe für Horror-Filme, Heavy-Metal-hören, freiwillig langsam Auto fahren.
Verstehe ich alles nicht.
Woher kommt aber das Bedürfnis,
es per se abzuwerten?

Weil ICH es nicht verstehe, kann es nicht "normal" sein & verdient meine Verachtung?

Was zwingt Menschen, andere Menschen, weil sie nicht in vorgegebene Muster passen, abzuwerten, ihnen Würde abzusprechen, sie der Lächerlichkeit preis zu geben und
damit am Ende auch Gewalt gegen Menschen Tür und Tor zu öffnen?

Gewalt in der Sprache fängt nicht erst bei Nazis, die and. den Tod wünschen, an.
Es fängt an, indem man Unverständnis in abwertenden Humor steckt, aus Unverständnis ein Bild von Abnormalität zeichnet,
ein "normales wir" und "unnormales die" kreiert.

Aber "Normalität" ist ein breites Spektrum.

Menschen, die anders aussehen, sich anders kleiden, anders lieben o. sich anders definieren sind immer noch Menschen und definitiv "wir".
(Könnte mich jetzt auch noch wirklich daran aufhängen, dass das Benennen totaler Entwertung/ Verweigerung der Anerkennung d. Existenz als "Wehleidigkeit" - od. Empörung, auch gern genommen- abgetan wird... aber das dann besser ein anderes Mal.)
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