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die Janki @dieJanki
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Kann mir jemand was erklären, bitte?

Ich umreisse mein Verständnisproblem mit Beispielen:

+ 15jährige wird um 23:45 in "gehobenem Stadtviertel" vergewaltigt - Kommentare: was hat das Kind um die Zeit draußen gemacht? Was für Eltern erlauben das?
+ 23jährige wird beim Joggen im Wald überfallen - Kommentare: warum joggt die Frau im Wald? Womöglich im Dunklen?

+ Frau taucht wiederholt grün und blau im Frauenhaus auf - Kommentare: warum geht sie denn auch immer zurück? Lässt sich das gefallen?
+ Frau trennt sich vom koksenden Freund, weil er sie darüber belogen hat, der will das nicht hinnehmen - Kommentare: jeder hat 'ne zweite Chance verdient, muss man denn so überreagieren?

+ Frau/ Mann bittet darum, nicht mehr mit einem Wort zu bezeichnen, weil sie/er sich davon
(rassistisch) abgewertet fühlt - Kommentare: ach, die Sprachpolizei, das ist doch gar nicht "böse" gemeint, immer diese Befindlichkeiten.

+ Frau stimmt zum Sex m Kondom zu, Mann zieht Kondom heimlich ab - Kommentare: soll sich nicht so haben, Frauen hängen Männern auch Kinder an
und schließlich wollte sie es ja ers'ma auch.

+ Frau lebt am Existenzminimum, Exmann schuldet ihr jahrelang Geld/ belügt sie darüber/ gibt es anderweitig aus, was sie schließlich öffentlich macht - Kommentare: also das ist nun wirklich privat, das macht man nicht.
+ Frau/ Mann spricht über eine Vergewaltigung vor 20 Jahren durch jetzt mehr o. weniger erfolgreichen Mann/Frau - Kommentare: die/der ist doch nur auf Geld aus, warum hat sie das denn nicht früher gesagt, erst jetzt um ihm/ihr zu schaden.
+ Frau/ Mann erzählt von Kindheit m. böser Stiefmutter inkl. Schlägen, psychisch/emotionalem Mißbrauch - Kommentare: Nestbeschmutzer, das macht man aber nicht. Die arme Familie so in Verruf zu bringen...
Warum ist es so, dass immer, immer wieder nicht das Problem benannt und der Täter/ die Tat angeprangert wird, sondern immer und wieder und wieder Opfern die Verantwortung zurück übertragen wird, Tat/ Täter verharmlost wird und einfach der Ursprung ausgeblendet wird?
WARUM IST DAS AUSSPRECHEN DER TAT SCHLIMMER, ALS DIE TAT SELBST?

Wieso ist die erste Reaktion nicht: So'ne Riesenkackscheiße, was müssen wir ändern/ besser machen, wie können wir helfen, so etwas verhindern?
WIE VERHINDERN WIR TAT UND TÄTER und nicht "naja, vlei selbst schuld?"
Warum hampeln alle darum herum, lieber ernsthaft #notallmen zu schreien, um Differenzierung herumzueiern & individuelle Verantwortung zu betonen, bloß als erstes #einzelfall oder #alllivesmatter zu rufen, um nur nicht festzustellen, dass wir strukturelle Grundprobleme haben?
Wenn jemand (f/m) Erwachsenes beleidigt, diskriminiert, ausgrenzt, mobbt, lügt, betrügt, vergewaltigt, tötet, oder was auch immer gegen einen anderen tut, was -wie auch immer- verletzt, dann ist nicht der RE-Agierende o. der das Benennede schuld, sondern der, der die Tat begeht.
Das relativieren, differenzieren, verharmlosen und verstehen gilt immer nur für die, die die mächtigere Position im im Hierarchiegefüge haben: Männer, Weiße, Heterosexuelle, Reiche, Chefs, Anführer, Leiter, Eltern, Kirchenleute, Polizisten, Nicht-Behinderte blablabla.
Fresse halten zu sollen und doch irgendwie selbst schuld/ bitte nicht zu empfindlich/ undankbar/ hysterisch usw. zu sein, gilt immer nur für die, die die Regeln nicht gemacht haben, sich trotzdem dran halten: Frauen, PoC, Flüchtlinge, Kinder, Arme, Queer Menschen, Behinderte.
Das ist nicht richtig. Einfach nicht richtig.
Es ist mir wurscht, in welchen religiösen Büchern das so steht (deshalb richtig genannt wird) oder wie lange das schon so ist & in welchen Staatsformen das angeblich besser oder schlechter ist. Es ist jetzt und hier NICHT RICHTIG.
Es muss möglich sein, dass Menschen unabhängig von Staatsform, Religion, "Kultur" untereinander richtig & gut miteinander umgehen. Staat, Parteien, Institutionen, Firmen und Familien sind keine entmenschlichten Konstrukte, die unveränderbar sind. Auch das sind alles nur Menschen.
Nicht Institutionen sind Täter, sondern Menschen.
Wir sind diejenigen, die das verändern können.
Die einfach sagen können, scheiße, meine Clichées im Kopf tun anderen weh, das ändere ich, weil ich es will, egal, wie lange "man" etwas angeblich schon macht.
Oh, da hat wer andere Erfahrungen als ich, da höre ich mal zu. Aha, dass dies und das andere verletzt, wusste ich nicht, war in meiner Welt nie Thema, ist mir nicht begegnet, ABER JETZT habe ich es gehört und nehme es hin.
DAS TUT NÄMLICH NICHT WEH.
Entgegen der allg. Annahme,
nimmt es einem nämlich nichts weg, wenn man anderen zuhört & sie gut behandelt.
Nicht rassistisch sein, nicht diskriminieren, Frauen, Kinder, Nicht-Heterosexuelle, Behinderte nicht scheiße zu behandeln, kostet nichts, nimmt niemandem was weg & tut nicht weh.
(Auch wenn man manchmal erst später merkt, dass man selbst Clichées bestätigt, Vorurteile verbreitet hat. Das fühlt sich vielleicht komisch an, aber ooch bloß nicht schlimmer, als es denen weh tut, die drunter leiden. Kosten-Nutzen-Rechnung! Müsste den Kapitalisten gefallen.)
Edit: ich habe hier Trans*menschen nicht mit einbezogen. Das tut mir ernsthaft leid. Ich weiß darüber eindeutig noch zu wenig und werde mich dazu besser umschauen und Betroffenen zuhören.
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