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Ich schreibe das jetzt so sachlich wie möglich: Ja, die Notwendigkeit von Mobilität für Millionen wird ignoriert, aber nicht wegen geringgeschätzter Autos, sondern wegen viel zu vieler Autos. Mobilität ist deutlich mehr als nur Verkehr in vierrädrigen Blechkisten.

Thread (1/12)
1959 erschien "Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos" von Hans Bernhard Reichow, und Folks, was war das eine buchgewordene Scheißidee... Straßen in Städten waren vor dem Siegeszug des Autos Orte der Begegnung, Lebensraum aller Bewohner, jung und alt.

(2/12)
Dann wurden breite Schneisen durch Altstädte geschlagen, damit der Autoverkehr zügig fließen kann. Fußgänger durften fortan nach Urin stinkende Unterführungen benutzen und an Kreuzungen auf 3 Ampeln warten, Radfahrer wurden von der Straße verdrängt.

(3/12)
Schon in den frühern 80ern sind wir als Kinder dem Wiesbadener Westend entflohen, weil das primär ein Parkplatz inmitten von Stadtautobahnen war. Heute gibt es nochmal doppelt so viele Autos in D., 47 Millionen. Die Folge: Die Mobilität von Millionen ist eingeschränkt:

(4/12)
Menschen im Rollstuhl können zugeparkte Bürgersteige nicht benutzen, Kinder können nicht alleine zur Schule gehen. Weil es zu gefährlich ist, fahren die Eltern sie und machen alles noch gefährlicher. Googelt mal "kind vor schule angefahren", wenn Ihr zu gut gelaunt seid.

(5/12)
Deutschland war mal ein Eisenbahnland, man konnte aus dem hinterletzten Kaff mit dem Zug überall hinkommen. Das wurde systematisch kaputtgespart, die Ansage an Menschen auf dem Land ist jetzt: "Kauft halt ein Auto und steht täglich im Stau, sonst habt Ihr Pech gehabt".

(6/12)
Stattdessen werden mit den Milliarden Euro immer mehr Straßen gebaut, Autobahnen immer breiter gemacht, Umgehungsstraßen durch Wälder gezogen, ohne damit irgendein Problem zu lösen, denn: Wer mehr Straßen baut, der bekommt mehr Autos.

(7/12)
Die religiöse Autoverehrung in der deutschen Nachkriegspolitik war eine grandiose Fehlplanung, die nicht mal den Autofahrern nutzt: In Wiesbaden haben wir an normalen Werktagen zwei mal einen kompletten Deadlock auf den wichtigsten Durchgangsstraßen der Stadt.

(8/12)
Da geht dann gar nichts mehr und für 4 Kilometer ist man 40 Minuten im Auto unterwegs. Die Strecke fahre ich mit dem Fahrrad in 15 Minuten. Busse stehen dann ebenfalls im Stau und als Radfahrer muss man aufpassen, weil alle doppelt so aggressiv unterwegs sind.

(9/12)
Das ist das Gegenteil von Mobilität. Das ist ein idiotische und krass ineffiziente Aufteilung von öffentlichem Raum und es gibt längst schlauere Konzepte, die in modern agierenden Ländern seit Jahrzehnten sehr erfolgreich umgesetzt werden.

(10/12)
In Dänemark oder den Niederlanden sind Menschen viel freier in ihrer Mobilität, da sie tatsächlich zwischen gleichberechtigten Verkehrsträgern (auch Autos) wählen können. In Deutschland ist das Motto hingegen "Fahr Auto oder sei Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse."

(11/12)
Das führt zu immer mehr Autos, wodurch wir alle in unserer Mobilität und unserer Lebensqualität stark eingeschränkt sind. zu Fuß, mit dem Rad, im ÖPNV UND auch im Auto. Wer denkt, das sei ein faires Miteinander, sollte es vielleicht mal einen Tag ohne Chauffeur versuchen.

(12)
Fun Fact: Wiesbaden ist neben Münster die einzige Stadt mit >280k Einwohnern, aber ohne Straßenbahn in Deutschland (Münster hat halt 39% Radanteil).
Hier verhindert die FDP seit Jahrzehnten den Bau einer Straßenbahn.
Mit einem fairen Miteinander hat das genau gar nichts zu tun.
Sorry, das war etwas ungenau, auch Hamburg hat keine Straßenbahn, aber eben ein anderes schienengebundenes Verkehrsmittel. Die Stadtbahn wurde da von Olaf Scholz verhindert.
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