, 11 tweets, 2 min read Read on Twitter
Das zuverlässige Anzetteln einer „Darf man?“-Debatte, sobald irgendwo etwas Gegenrede oder Widerspruch aufkommt, ist ein Zeichen für eine zutiefst obrigkeitsgläubige, ja obrigkeitssüchtige Gesellschaft.
Diese Besessenheit vom Dürfen und Nachdürfen, von Verboten, tatsächlichen und vermeintlichen, ist pathologisch. Verkitscht wird sie als Kampf um die Freiheit, der eigentlich nur eine vage Sehnsucht nach Entgrenzung und moralischer Deregulierung ist.
Groß ist auch die Sehnsucht nach der anderen Seite der Verbotsmedaille, nämlich nach Erlaubniserteilung, Genehmigung, Vergewisserung, Absolution. Nach FREIHEIT, aber einer Freiheit, die gewährt wird, die Dir sagt, was und dass Du darfst.
Diese Freiheit ist nur dann vollkommen, wenn sie von oben abgesichert ist. Dummerweise kommt da aber nichts, weil man sich auf die Installation eines neuen Führers noch nicht hat durchringen können. Springerstiefel-Chefredakteure könne diese Lücke nicht dauerhaft schließen.
Kommt diese Freiheit nicht von oben, dann muss sie eben aus der Menge kommen, aus der gegenseitigen Vergewisserung in der Meute. Der Begriff „Follower“ passt schon beinahe zu gut hierfür.
Der faule Weg zur Absolution ist es hierbei, sich taktisch zu dumm stellen und rhetorische Fragen in Stellung zu bringen; die Absolution ergibt sich somit implizit aus dem gelernten Umstand, dass die Antwort auf eine rhetorische Frage ja bekanntlich immer schon klar ist.
Darf man also? Es reicht nicht, ein Arschloch zu sein. Man besteht auf SEIN VERFASSUNGSMÄSSIGES RECHT, ein Arschloch zu sein. Alles andere ist Denkverbot, Sprachverbot, Gesinnungsterror, Meinungspolizei, Elfenbeinturm. Wer Arschlöcher nicht mag, muss wohl die Freiheit hassen.
Darf man also Greta Thunberg kritisieren oder Witze über sie machen? Das wäre eine spannende Frage, wenn die „Moralpolizei“ dann morgens um halb vier Deine Tür eintreten und Dich aus Deiner Wohnung schleifen würde. Aber vielleicht nimmst Du Dich auch einfach nur zu wichtig.
„Darf man als SPIEGEL-Redakteur an einer Geburtstagsfeier teilnehmen, zu der auch Menschen mit rechter oder sogar rechtsradikaler Gesinnung eingeladen sind?“, fragte Fleischhauer, als ob man Jurist sein müsste, um diesen verdrucksten, absolutionssüchtigen Stuss zu beantworten.
Die bessere Frage ist doch in allen diesen und ähnlich gelagerten Fällen: Warum in drei Gottes Namen sollte man wollen? Das wäre eine Frage nach der Haltung. Faustregel: Ist die Antwort hierauf nur wenig schmeichelhaft, kämpft man statt für seine Haltung lieber für seine Rechte.
Das Anzetteln einer „Darf man?“-Debatte ist ein unbedingter Deppen-Indikator. Wer diese rhetorische Frage aufwirft, will uns eine rhetorische Antwort unterjubeln, die unter unser aller Niveau sein sollte.
Missing some Tweet in this thread?
You can try to force a refresh.

Like this thread? Get email updates or save it to PDF!

Subscribe to Dichtheit & Wahrung
Profile picture

Get real-time email alerts when new unrolls are available from this author!

This content may be removed anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just three indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!