Der Punkt ist nur: Es geht mir nur gar nicht um Satire und Witze.
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Ich schreibe hier doch keine Texte, nur weil jemand schlechte Witze macht, da wäre ich nach Erscheinen von Hangover 3 ja zwei Wochen mit nichts anderem beschäftigt gewesen. Es wäre mir auch maximal egal, wenn er 24 Stunden lang schlechte Witze über Greta machte.
Ich bin vegan lebender Radfahrer in einer Stadt voller SUV-Pelzmantelsnobs, mit unlustigen Witzen klarkommen ist meine Kernkompetenz. Sie rangieren bei mir auf derselben Ebene wie langweilige Filme, fades Essen und Neuerscheinungen von Nickleback: I don’t give a flip.
Nun machen Satiriker aber in der Regel keine harmlosen Witzchen, deren einziges Ziel Zwerchfellkontraktionen sind, sondern transportieren damit auch immer eine Botschaft. War früher anders, da haben seine unpolitischen Nummern ja niemanden gestört.
Das Problem ist schlicht, dass er sich immer mehr von der Welt des faktischen entfernt. Ja, die Meinungsfreiheit garantiert ihm, dass er Unsinn verbreiten darf. Sie beißt sich nur mit dem Bildungsauftrag der ARD und erlaubt mir zu sagen, dass ich es peinlich finde.
Das Interview bei @merkur_de erlaubt da ein paar interessante Einblicke, was für ein Verständnis von Forschung und Erkenntnisgewinn Dieter Nuhr mittlerweile hat: merkur.de/politik/dieter…
Wissenschaft ist eine bunte Wundertüte, in die man beherzt reingreift, und wenn einem das Gezogene nicht gefällt, dann bekommt es das Label „unbegründete Panik“. Wenn es aber gut passt, dann zitiert man es als Beweis dafür, dass Klimaschutz nur global funktionieren kann.
Diese Denkweise ist nur halt das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit. Ich kenne sie von den Netzfrauen, von Wunderheilern, Evolutionsleugnern und allerlei anderen Leuten, mit denen Nuhr sich sicher nicht verglichen sehen möchte.
Die reden auch von Studienergebnissen, Quanteneffekten und Vererbungslehre, lassen aber immer exakt so viele entscheidende Details aus, dass ihre eigene Welterklärung einen pseudowissenschaftlichen Anstrich bekommt.
Das konnte man schon im November letzten Jahres beobachten, Nuhr behauptete in seiner Sendung verschiedenen Dinge, die einfach grundfalsch waren:
1. Er behauptete, in Oldenburg würden demnächst Dieselfahrverbote verhängt (wurden sie nicht).
2. Er behauptete, Stickoxidwerte in Städten hätten nichts mit Dieselmotoren zu tun, weil eine Messstation in Oldenburg solche gemessen hätte.
An diesem Tag wären in Oldenburg aber keine Autos gefahren, weil zeitgleich ein Marathon stattfand. Es müsse nun auch dem „letzten Trottel“ auffallen, dass die gemessenen Werte nichts mit dem Dieselverkehr zu tun hätten.
Für den Marathon wurden aber nur von 9 bis 14 Uhr ein paar Straßen gesperrt. Es gibt auch nicht nur einen einzelnen Messtag. Ferner fuhren auch am Tag des Marathons 2500 Pkw und rund 200 LKW / Busse durch den Heiligengeistwall.
Allein die Annahme, in ganz Oldenburg, immerhin eine Großstadt mit 170.000 Einwohnern, führe einen kompletten Tag nicht ein Auto, lässt eine gewisse Trägheit in Bezug auf die Wahrheitsfindung erahnen.
3. Er behauptet, vegetarische Ernährung sei für Menschen definitiv nicht gesund. Er befindet sich mit diesen Aussagen weit außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses. Dennoch bricht er eine Lanze für die sogenannte „Schulmedizin“.
Dass führende Epidemiologen die gesundheitsschädliche Wirkung von Stickoxiden ähnlich plausibel nachgewiesen haben wie die Gefahr von Tabakrauch in Lungenflügeln, ist aber ebenfalls Teil der evidenzbasierten Medizin.
Genau das gleiche Problem tritt in seinem Beitrag vom März 2019 auf. Er verwechselt da Stickoxide mit Treibhausgasen, macht unwissenschaftliche Behauptungen zur Verkehrswende und Falschaussagen zu synthetischem Fleisch.
So beschreibt er die Wissenschaft in seinem Interview auch wieder primär als Gegner, die ständig das baldige Ende der Welt prophezeie. Dazu nennt er als Beispiele allen Ernstes das Ozonloch, das Waldsterben, Rinderwahnsinn und Stickoxid:
„Das fing mit dem Waldsterben und dem Ozonloch an, ging weiter mit dem Rinderwahnsinn und endete beim Stickoxid. Jedes Mal gab es wissenschaftliche Fakten. Und trotzdem wurden die Menschen immer älter als je zuvor. Ein Jahr lang sind wir am Diesel fast gestorben [...]“
Der ganze Absatz ist entlarvender als alle seine bisherigen Sendungen zusammen. Ja, die Wissenschaft hat vor all diesen Dingen gewarnt – zurecht! Das Waldsterben war und ist ein Problem, deswegen wurden in den 80er Jahren Entschwefelungsfilter in Kraftwerke eingebaut,
was das Problem mutmaßlich eindämmte. Das Ozonloch wurde adressiert, indem die Produktion von FCKW massiv zurückgefahren wurde. Damit BSE sich nicht ausbreiten kann, ist es in der EU verboten, Hirn, Rückenmark und Milz von älteren Rindern in den Handel zu bringen.
Und obwohl er hier die Wissenschaft ganz klar als Feindbild benennt, bemängelt er im selben Interview, es werde nicht mehr inhaltlich geredet, sondern ideologisch diskriminiert. Er würde mit seiner Tochter sprechen und versuchen, sie zu verstehen.
Das gelinge, weil er ihr zuhöre. Seriösen WissenschaftlerInnen hat er aber offenbar schon lange nicht mehr zugehört. Der Andersdenkende gelte heute als moralisch minderwertig. Unglaubwürdige Worte aus dem Mund des Mannes, laut dem führende Personen der Epidemiologie...
die „letzten Trottel“ sind, weil sie nicht seiner Meinung sind.
Das Frage ist nicht, ob der Mann schlechte Witze macht. Die Frage ist, warum er Menschen mit öffentlichen Gebührengeldern desinformiert.
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