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Herzlich willkommen zum heutigen Vortragsabend: Holocaust und Zwangsarbeit in #Galizien. Die Vernichtung einer multikulturellen Gesellschaft mit Prof. Dr. Pickhan und Prof. Dr. Pohl.
Dr. Katrin Steffen (Lüneburg), Wissenschaftliche Mitarbeiterin und DFG-Projektleiterin am Nordost-Institut stellt die Referentin und den Referentin vor und wird den weiteren Verlauf des Abends moderieren.
Zunächst trägt Gertrud Pickhan über die jüdische Gemeinschaft #Galizien|s vor der deutschen Besatzungszeit vor.
Der Schriftsteller Joseph Roth als Chronist des alten #Galizien|s. Prof. Pickhan zitiert aus seinem Werk.
Laut Münkler fühlten sich die Juden in Galizien sehr geschützt, da sie innerhalb des Habsburgerreiches nur eine von vielen Minderheiten war.
Trotz allem nahm der Antisemitismus in #Galizien ab 1890 zu. Als Gegenreaktion gründeten sich hier auch zionistische Bewegungen, auch eine jüdische sozialdemokratische Partei wurde hier gegründet.
Viele Juden verließen dennoch #Galizien. Neben dem Antisemitismus war der Grund vor allem die große Armut auf dem Land. Hauptziele waren Wien und die USA. Die, die zurückblieben waren zu 75% in Handel oder Handwerk, 10 % in der Landwirtschaft und 15 % als Ärzte oder Anwälte.
Nach dem Ende der Habsburger Monarchie gehörte #Galizien zu Polen. Der Antisemitismus verstärkte sich durch verschiedene Einflüsse.
Nach dem Überfall auf Polen durch die Deutschen flohen die Juden #Galizien|s zu großen Teilen in die Sowjetunion.
Die Sowjetunion wurde als das kleinere Übel gegenüber dem Nationalsozialismus gesehen.
Wir fahren fort mit Prof. Dr. Pohls Vortrag zu Massenmord und Zwangsarbeit #Galizien
Der Weg zum Massenmord in #Galizien war, laut Pohl nicht so weit. Er versucht, diesen Weg nun zu skizzieren.
Wir haben heute technische Probleme und können daher leider nicht so flüssig mitwittern. Wir hoffen aber, dass das Problem jetzt gelöst ist.
Ab 1940 wurden in Polen Lager für jüdische Zwangsarbeiter errichtet. Sie unterstanden der SS. Sie erwiesen sich zumeist als ökonomisch ineffektiv und wurden bereits zum Jahresende wieder geschlossen.
Im Sommer 1941 rechnet man mit etwa 200.000 zu Tode gekommenen Juden, meist an den Lebensumständen. Dann begann der geplante Mord an den jüdischen Menschen.
Der "Blitzkrieg" verband sich mit einem rassenideologischen Krieg unter dem Bewusstsein, dass ein überlegener Feind und ein riesiges Gebiet besetzt werden sollte.
Man wollte die "sozialie Basis des Bolschewismus" besiegen. In Deutschland stellte man sich vor, dass diese vor allem durch jüdischen Menschen geleitet wurden. Die sowjetischen Juden wurden als gefährlicher eingeschätzt als die jüdische polnische Bevölkerung.
Mit der deutschen Besatzung Ost #Galizien|s brachen Pogrome aus, diese wurden zum größten Teil durch die einheimische Bevölkerung verübt.
Bei den polnischen Aktivisten erschoss man die Aktivisten selbst, bei jüdischen Aktivisten erschoss man diese und ihre Familien.
Nur wenigen gelang ab Juni 1941 die Flucht vor den Deutschen - obwohl sie bereits Kenntnis hatten von dem, was in den bereits besetzten Gebieten geschah. Das war auch durch die schnelle Besetzung Ostgaliziens, innerhalb einer Woche, begründet.
Im Ukrainischen Teil wurde die deutsche Besatzung zunächst als Befreiung erlebt, im polnischen Teil wurde das anders gesehen, es war bereits bekannt, wer durch die Deutschen innerhalb der polnischen Elite ermordet wurde.
Es scheint wenig Kenntnis über die Auslöschung jüdischer Orte in der Ostukraine gegeben zu haben.
Bereits vor der Einrichtung von Ghettos erschoss man möglichst viele jüdische Menschen, um die Ghettos möglichst klein zu halten.
Parallel zu Ghettoisierung und Massenmord wurden Zwangsarbeitsstätten errichtet.
Die Lager an der Durchgangsstraße 4 wurden der SS unterstellt, der Leiter Katzmann machte deutlich, dass die Arbeiter bis zur Erschöpfung zur Arbeit angetrieben werden müssen. Dennoch ist nicht belegbar, dass hier das Ziel die Vernichtung war.
Im Protokoll der Wannseekonferenz gibt es einen Hinweis, dass dies dennoch wissend, gerade im Straßenbau, in Kauf genommen wurde.
Die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung war sich trotz der Deportationen nicht bewusst, dass der Massenmord bereits in geplanten Maße im Gang war.
Im Sommer 1942 wurde die Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Generalgouvernement geplant. Sie erfassten die noch lebende jüdische Bevölerung.
Gleichzeitig trat die Wehrmacht auf den Plan, die die jüdischen Zwangsarbeiter vor allem für die Wartung ihrer Fahrzeuge etc. nutzte und darauf drängte, dass sie nicht ermordet würden.
Bei den Ghettorazzien konnten jene wieder zurück ins Ghetto, die Arbeitsbescheinugungen hatten. Die Menschen ohne, wurden selektiert oder wie alte Menschen, Kranke und Kinder direkt erschossen.
Menschen versuchten zu fliehen und unterzutauchen. Manchmal gelang es bei befreundeten Pol*innen, in den Wäldern konnten sie mangels Nahrung kaum überleben.
Nach den ersten Morden, nahm die Polizei keine Rücksicht mehr auf Arbeitskarten - trotz Konflikten mit den Arbeitgebern. Die Deportationszahlen waren wichtiger.

Deutlich mehr Frauen und Kinder als Männer fielen den Morden zum Opfer.
Inzwischen wurden auch die Zwangsarbeiter bei der Wehrmacht der SS unterstellt.
Die Selektionen fanden später im Lager Lemberg-Janowska statt. Hier wurden mehr Menschen direkt ermordet, statt sie nach Belcek zu deportieren. Das Lager wurde der Hauptvernichtungsort der Lemberger Juden.
Man rechnet heute etwa mit 50-60 Lagern in Ostgalizien. Der Großteil der jüdischen Zwangsarbeiter blieben aber weiter über die Städte in den Ghettos, wo die Fabriken standen.
Das Vernichtungslager Belzec wurde bereits 1943 geschlossen. Sehr vermutlich, weil es keinen Platz mehr für Massengräber gab.
Im Juli 1943, nach der Auflösung der Ghettos, wurden auch in den verbliebenen Lager aufgelöst und ihre Insassen ermordet. Man betrachtete die "Endlösung" in #Galizien als abgeschlossen.
Dennoch lebten etwa 10% der jüdischen Bevölkerung im Untergrund, die Zahlen gelten für das heutige Polen, man rechnet für die Ukraine mit ähnlichen Zahlen.
Durch den bereits vor der Besatzung weit verbreiteten Antisemitismus in der Region, gab es kaum Widerstand gegen die Ermordung der jüdischen Bevölkerung.
Wir gehen nun über zur Diskussion der Referent*innen.
Es wird zunächst diskutiert, wo nun Galizen war, bzw. Ostgalzien war.
Es wird nach ukrainischen Kriegsgefangenen aus dem ersten Weltkrieg und ihren Einfluss auf die Kollektivierung gefragt. Dieser wird von Prof. Pohl als sehr gering bezeichnet.
Wie spezifisch ist #Galizien als multiethnische Region und wie spezifisch ist Galizien als Gewaltraum?

Prof. Pohl: In den Regionen mit jüdischer Bevölkerung sind die Gewaltexzesse in ihrer Öffentlichkeit exorbitant hoch.
In Ostgalizien konnten Juden hingegen noch relativ lang überleben, es ist lediglich eine Verzögerung von einem halben Jahr. Spezifisch ist hier auch die jüdische Bevölkerung besonders hoch.
Es wird nach dem Weg der galizischen Auswanderer Richtung USA gefragt: Prof. Pickhan beantwortet das mit den klassischen Häfen: Hamburg und Bremerhaven.
Die Frage nach dem Gedenken im ehemaligen Galzien wird von Prof. Pohl beantwortet. Vor Ort ist dieses eher gering und wird vor allem durch Nachfahren von Überlebenden initiiert.
Erinnerungsbücher können z.B. auch über die @nypl eingesehen werden.

digitalcollections.nypl.org/collections/yi…
@nypl Die Aktenlage hingegen ist eher schlecht, die Unterlagen wurden gezielt vernichtet. Zu den Transporten nach Belzec z.B. gibt es einen einzigen Bericht.
@nypl Prof. Pickhan spricht vor allem für Mikrostudien, sich nur auf einen einzigen Ort konzentrieren.
@nypl Sie verweißt auf eine Dissertation, die sich ausschließlich mit der Stadt Tarnów/Tarnuv beschäftigt. Sie verweißt in diesem Zusammenhang auf die Publikation im kommenden Jahr und auch auf eine Fotoausstellung zur Stadt, die in der Topographie des Terrors zu sehen sein wird.
@nypl Wir beenden den Abend nach intensiven Diskussionen. Herzlichen Dank auch von uns für Ihr Interesse.
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