My Authors
Read all threads
"Während der Nachtschicht erleidet ein 59-jähriger VW-Arbeiter in einem Werk in Wolfsburg einen Herzinfarkt und stirbt kurz darauf an seinem Arbeitsplatz. Doch statt den Betrieb einzustellen, läuft die Produktionslinie einfach weiter" (amp.blick.ch/auto/vw-arbeit…)
Die staatlich geförderte Gruppe der Kuratoren betritt die Halle ihres Sponsors, fordert Aufklärung und verlangt Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Lohnerhöhungen und einen Wirtschaftstrat. Das Gedankenspiel zeigt mittelbar die Grenzen des Kulturellen und
des sozialen Kapitals auf. Aus der Sozialwissenschaft ist das "soziale Kapital" bekannt. Es legt nahe, die persönlichen habituellen Vermögen (Status-Verhalten, kulturelles Wissen) zur Quelle von fungierendem Kapital zu machen, das als Geld oder materielle
Verfügungsmasse (Anlagen, Fabriken) wirksam werden kann. Es verhält sich in Wirklichkeit nicht einfach umgekehrt, so dass aus ökonomischen Kapitalien die Verhaltensweisen in der Zeit der Nichtarbeit (Kultur) entstünden. Dies nur unter der geschichtlichen Bedingung ihrer
Trennung, der Trennung in Kultur und Arbeit für Lohn. Eine funktionshistorische Kulturtheorie, die zugleich einer der Arbeit ist, trennt gesellschaftlich notwendige Arbeit nicht von Kultur ab, sondern sieht Kultur als Begriff der Vorbedingung von gesellschaftlich
notwendiger Arbeit. Das kann man Intellekt nennen. Bereits frühe Kulturen (sic) trennen in "materielle Arbeit" und "ideologische Arbeit". Kultur wird dann schließlich hochkulturell von Arbeit sozial und begrifflich getrennt, wenn Teile der Gesellschaft von
notwendiger Arbeit entledigt werden und das Kulturelle vom Notwendigen getrennt für sich veranschlagen (müssen) - für die Repäsentanz, für den spezialisierten ideologischen Zweck (Kunst, Religion).
Im Weiteren: "Cause autos are money" (Sex Pistols). Kultur in Kulturen entsteht so als Branche jenseits der Lohnarbeit. Diese offizielle Kultur muss die Lohnarbeit aber, auch bereits prähistorisch lohnfrei, reflektiert zu etwas _nach-der-Notwendigkeit_ erheben oder sie
"kritisch" betrachten. Kultur ist der Aspekt von entwickelten kapitalistischen Gesellschaften (in Ungleichzeitigkeiten - etwa im Vergleich zu Brasiliens religiöser Aberglaubensozialität, katholisch wie evangelikal), der besonders betrachtet wird, wenn dem
Anderen, dem Nicht-Kulturellen, das Instrumentale zugewiesen werden muss, um "zweckfreie" Kultur von der Produktion der Gebrauchsdinge (im Kapitalismus Gebrauchswerte) abzutrennen. Das bringt religiöse oder mythische Vorteile in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. So erst
kann das ästhetische Genießen am oder durch das nicht instrumentalisierte "Objekt selbst" entstehen, ein Genuß des Genusses, der vorschnell mit Dekadenz in Verbindung gebracht wird.
Gut erscheint an diesem Kulturobjekt, dass es nicht wie Lohnarbeit aussieht und der Freizeit in einem Dienstleistungssektor zugeordnet ist. Intellektuelle Dienstleister übernehmen nachfeudal und spätbürgerlich weniger religiöse Funktionen. Sie übernehmen soziale und
pädagogische Aufgaben, die in den kulturell "blinden" Sektoren der Produktion nicht erkannt oder nur kultural, als _nichtnotwendige Notwendigkeit_ des Genusses oder der Reflektion reflektiert und ausgestellt werden. Hier werden dann im nächsten
Schritt ästhetische Kategorien aus der nichtnotwendigen Arbeit in die Leistungsformatioen der Sektoren eingebracht und wie von Außen das Soziale bestückt. Ein Vorgang, den Kirchen jahrhundertelang perfekt beherrschten.
Die zuvor von den tatsächlichen Produktionsweisen und -bedingungen abgeschiedenen "Aspekte" des Kulturellen, beziehungsweise der _Aspekt Kultur_, sind dafür bereits in Institutionen verselbstständigt. Banksy existiert, weil Kultur von der Produktion der
Gebrauchsdinge und ihrer Ökonomie getrennt als ideeller Wert zu Wert, d.h. besonderer Ware oder "reiner Ware" (mit nur ideellem Gebrauchswert) in Geldform werden kann - bezahlt aus Revenuen ... Vermögen aus der Mehrwertproduktion gewandelt in Profit.
Dass eine moderne Sozialkunst das Instrumentale für sich im Übergang zum frühen 21. Jahrhundert (wieder-)entdeckte - Lebensführungsporzesse, Umfeldgestaltung, politische Supervision/Subversion und Vision, Ästhetik als - heißt nicht, dass, sie die
Ökonomie der "dominierenden", der strukturell zwingenden Produktionsweise "designen" kann. Design und Kultur wiederum sind lange in die Konzepte einer Abteilung der Ökonomie der Produktionsweise eingegangen, die sich damit un-ökonomisch, bloß kulturell maskiert. Die deutschen
Institutionen, insbesondere der Nachkriegsrestauration mit ihren nach-nazistischen Managern (Werner Haftmann, Mastermind der ersten documenta-Ausstellungen, war NSDAP-Mitglied und vor allem "Konstrukteur" des kulturell freien Westens), hatten in
der Doktrin der Funktionalität nach Bauhausart und "freier bildender Kunst" kapitalistische Produktionsweise und Ästhetik zu vermitteln gehabt. Unternehmenskultur ist kann nun auch Kultur sein und die Produktionsweise zu ihrem Aspekt, statt umgekehrt Fließband und
Flexarbeiterin am Notebook zur Gundlage für die "Kultur" der Produktionsweise zu nehmen: lebenslanges Lohnarbeiten, Kontrolle des Selbst, Kommando, Steuerung durch Geldvergabe und -entzug.
Ästhetik ist in der kleinbürgerlich kapitalistischen Gesellschaft eine von der Produktionsweise der Dinge abgetrennte Branche, die als Design für diese Produktionsweise Oberflächen designt und als Kunst für diese Produktionsweise das Interesse der
Kapitalien, _auch Kultur_ zu sein, vermittelt. Produzentinnen des Ästhetischen insgesamt haben sich im privaten Arbeitsteilungsprozess der Gesellschaft spezialisiert. Die Wenigen, die in der "Autonomie der Kunst" nun breiteste (ungenauste) Sozialarbeit machen, gehören
in eine post-"bürgerliche Kategorie" (vgl. Berthold Hinz, der Kunst als bürgerliche Kategorie diskutiert hat). Die Zivilgesellschaft wird zum Gestaltungsraum mutualer Künstler, die das Dogma der Autonomie der Kunst aufheben wollen.
Spästens hier wird es für Kaptalienvertreter interessant, da sie Produktionsprozesse der Ware und Ästhetik emotional und bildungsschichtspezifisch zueinanderstellen können, ohne Konsequenzen für den Produktionsprozess.
Die soziale Kunst, die angeblich alle Bereiche von Gesellschaft meint, spart Eigentumsverhältnisse spätestens seit 1968 nicht aus. Sie umgeht sie in utopischen Vorschlägen und Trickster-Praktiken für die Bühne. Kunst übernimmt (historisch nicht neu und gut aus der Renaissance
bekannt) offen politische Handlungsfunktionen der Ablenkung und Subjektherstellung, ohne Gestaltungsraum in die Fabrik ausweiten zu können oder gar zu wollen.
Fabrik, synonym mit den minimalen Gestaltungsräumen der Lohnabhängigen, wird jetzt "Factory" - die Freizeitveranstaltung per Partizipation. Warhols Vermächtnis der Affirmation, der Privilegierung mit nicht-entfremdeter Arbeit. Diese Freizeitveranstaltung hat die Aufgabe, soziale
Bindungen und Bedürfnisse zu sichern. / Aus der Sozialwissenschaft ist das als "soziales Kapital" bekannt. Es legt nahe, die persönlichen habituellen Vermögen (Status-Verhalten, kulturelles Wissen) zur Quelle von fungierendem Kapital zu machen, das als
Geld oder materielle Verfügungsmasse (Anlagen, Fabriken) wirksam werden kann. / Örtliche Erfolgsgeschichten scheinen das zu bestätigen. Aus Ideen und Wissen würde dann Kapital - und das auch noch "für alle". "Für alle" ist die Floskel der Verteilung
von etwas _als Kultur_. Nicht allein, weil VW, Hübner (in Kassel) oder die Wechselrichterfabrik hier Sponsor von Freizeitgroß- und kleinveranstaltungen ist, sollte die "Alle"-Floskel diskutiert werden. Das auch. Diese Firmen verwalten immerhin Profite und pontenziell
"demokratische" Steuermittel an den Lohnabhängigen vorbei ins Hoch- und Nierdigkulturelle. "Alle und Alles" sollte vor allem "realfaktisch" und ideologisch diskutiert werden. Formelle offizielle professionelle Kultur - kulturelle Kultur - greift auf informelle Sub-Kulturen
(nicht-offizielle, marginale) zu (Trickle Up und steuernd) und erzählt in der Regel Bildungs-Gesellschaften diese "Forschung". Das tut sie abgetrennt - "autonom" - von den anderen sozialen Funktionen und von ihren Geldgebern. Sie soll
"symbolisch" soziale Räume gestalten, die zivile Kampagnen oder Projekte kurzer Laufzeit hervorbringen. Dadurch wird offizielle Kultur zu einem wichtigen Befriedungsmilieu in der Dauerkrise der gesellschafftlichen Verhältnisse. Ohne materielle Grundlage, kein
"soziales Kapital". Für diese Grundlagen sind wiederum "kulturelle" Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig. Sowenig die kulturelle Kultur die materiellen Grundlagen bestimmen kann, soviel erzeugt sie ideologisches Material, das durchaus als Design und "Vision" und als Prozedere
in den Aufbau der materiellen Grundlagen eingeht (entgegen Michael Hirschs zu enger und "sozialrealistischer" Argumentation in seinem Text _Logik der Unterscheidung. Zehn Thesen zu Kunst und Politik_, Kunst sei nur symbolischer Natur).
Die Perspektive, und nicht das Narrativ (die fertige Erzählung), die ein situationistischer Ansatz vorschlug, war die Aufhebung der Kunst, die das Ästhetische "monopolisiert" hatte und in den Bereich des Symbolischen, den bloß "meinenden" Bereich abführte.
Damit sollte nicht Kunst in die Gesellschaft wieder eingeführt werden, wie der Rollback der A- und Re-Politisierung bis heute verfolgt (Kunst als Forschung, Kultur als Therapie). Damit sollte die kapitalistische Produktionsweise selbst _attakiert_ werden, statt zwischen ihr
und den Nichteigentümern der Produktionsmittel kreativ zu vermitteln mit dem Effekt, Korrektiv der Bedingungen zu sein.
Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh.

Enjoying this thread?

Keep Current with WORKSHOP

Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just three indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!