Viele Personen scheinen sich hier ganz sicher zu sein, dass Hausbesetzungen in "unserem Rechtsstaat" nicht gehen (Stichwort: #Liebig34). Nur: Hausbesetzungen und die Frage, wie Räumungen vonstatten gehen können, sind seit Jahrzehnten rechtlich höchst umstritten.
Umstritten ist schon, ob das Grundgesetz überhaupt eindeutig eine kapitalistische Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung vorgibt. Viele neoklassisch beeinflusste Zivilrechtler*innen mögen das so sehen, aber kurz nach 1945 war dies vor allem im Staatsrecht sehr umstritten.
Vor allem Jurist*innen aus der Marburger Schule betonten die wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes und die Möglichkeit, dass auch eine nicht-kapitalistische Wirtschaftsordnung politisch im Rahmen der Verfassung durchsetzbar ist.
In der Rechtsprechung zu Hausbesetzungen zeigte sich diese Umstrittenheit sehr klar: Denn die Gerichtsurteile zu Hausbesetzungen, vor allem in den 70er und 80er Jahren, waren immer stark von den politischen Debatten ihrer Zeit beeinflusst.
Einige Gerichte entschieden in den 1980er Jahren, dass Hausbesetzungen leerstehender Häuser trotz § 123 StGB unter bestimmten Voraussetzungen straffrei sind, weil der Hausfriedensbruch nur den Schutz der individuellen Privatsphäre schützt, nicht Vermögenswerte.
Ungenutzter Wohnraum sei auch keine Ware wie jede andere und gerade bei "Abrisshäusern" gebe es faktisch keinen schützenswerte Hausfrieden. Auch aus gewohnheitsrechtlichen Gründen blieben langjährige Hausbesetzungen für viele Jahrzehnte straffrei.
Die Crux bei der Räumung von Hausbesetzungen ist zudem: Bei Räumungsanträgen müssen eigentlich die konkreten Hausbesetzer*innen namentlich benannt werden (§§ 130, 750 ZPO). Da die Hauseigentümer die Personen oft nicht namentlich kennen, fangen hier schon die Probleme an.
Immer wieder versuchen Gerichte mit "kreativen Rechtsauslegungen" Räumungen zu legitimieren: So geschehen bei der Räumung des Instituts für vergleichende Irrelevanz 2013, als eine angebliche "IvI GbR" konstruiert wurde, die es so nicht gab:

akjffm.blogsport.de/images/Gutacht…
Wie Hausbesetzungen im Recht nun zu bewerten sind, hängt von den dynamischen rechtspolitischen Debatten und Entwicklungen ab, die sich immer spezifisch im Recht und in Urteilen verdichten. Gerade das Recht ist eben auch gesellschaftlich umkämpft.

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