Worum gehts bei der Debatte um einen Artikel der Süddeutschen Zeitung gegen den Pianisten @igorpianist? Ein kurzer Recap der letzten zwei Tage:

Levit ist einer der gegenwärtig erfolgreichsten Pianisten in Deutschland & darüber hinaus sehr aktiv im Kampf gegen rechts. 1/9
Letzteres scheint dem Musikjournalisten Helmut Mauró zu missfallen, der unter dem plakativen Titel "Igor Levit ist müde" in der SZ einen Verriss des Künstlers schrieb. Besonders auffällig: Mauró vermengt Kunstkritik mit der Kritik von Levits politischem Engagement. 2/9
Er kontrastiert Levits musikalische Leistung mit der eines anderen Pianisten, Trifonov, der wiederum wenig mit Levit zu tun hat und auch ein vollkommen anderes Repertoire spielt. Es wird suggeriert, Levit sei nur populärer als Trifonov, wegen seinem Twitter-Auftritt. 3/9
Die künstlerische Kritik ist dabei bedenklich nahe am antisemitischen Ressentiment: Levit spiele "unverbindlich", sein "Pathos" sei "theatralisch". Während Trifonov ein "hochriskantes emotionales Spiel" zeige, sei die Kunst Levits also irgendwie unecht, falsch. 4/9
Diese Kunstkritik wird eingesetzt, um Levit weiter politisch zu delegitimieren (und umgekehrt): Er werde wahrgenommen, weil er "oft und laut schreit", beispielsweise dass Deutschland ein "Menschenverachtungsproblem" habe - eine Ansicht, die Mauró offenkundig nicht teilt. 5/9
Bottom Line: Der Künstler soll sich auf seine Kunst konzentrieren, vielleicht mal ein Benefizkonzert spielen, aber ansonsten leise Töne anschlagen. Besonders absurd: Mauró beklagt im Text die Ausgrenzung "Andersdenkender", während er eben dies gegenüber Levit fordert. 6/9
Der Text wurde massiv kritisiert u.a. von der Journalistin und Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) und dem BR-Kultur (br-klassik.de/aktuell/news-k…). 7/9

Woraufhin die @SZ ein Statement veröffentlichte, das als Fauxpology oder non-Apology betrachtet werden kann. Man arbeitet sich an Nebensächlichkeiten ab, um schließlich auf der Polemik als journalistische Form zu beharren. Polemiken sind durchaus legitim, 8/9
allerdings drängt sich in der wahllosen Vermengung von Kunstkritik und Kritik des politischen Engagements der Verdacht auf, hier wird ein jüdischer Künstler, der sich weigert, zu #Antisemitismus und #Rassismus in Deutschland die Klappe zu halten, zum Schweigen aufgefordert. 9/9

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2 Jun
🥔Nach dem rassistischen Mord an #GeorgeFloyd kam es zu Relativierungen von anti-schwarzem #Rassismus. Während in den USA #alllivesmatter trendete, sprachen auch in DE Politiker*innen & Influencer*innen von “Rassismus gegen Weiße”, vor dem es sich nun ebenfalls zu hüten gelte. ⬇️
Dieser Begriff passt nicht:
1. Ja, weiße Menschen können diskriminierende Erfahrungen machen - aber nicht, systematisch benachteiligt zu werden. Sie erleben weniger Probleme bei der Wohnungssuche, weniger demütigende Kontrollen UND sie müssen dabei nicht um ihr Leben fürchten! ⬇️
2. Weiße Menschen gelten in Deutschland als “normal”, sie sind überall repräsentiert - ob auf Vorstandsetagen oder in Werbeanzeigen. Andere müssen hingegen meist für Repräsentation kämpfen. ⬇️
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15 Mar
Heute ist internationaler Tag gegen #Polizeigewalt. In Deutschland nehmen dies viele Menschen zum Anlass, institutionellen #Rassismus und die damit verbundene polizeiliche Praxis zu thematisieren. ⬇️ #15MRZ
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12 Dec 19
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lto.de/recht/nachrich…
… Der Wohnungsmarkt ist ein besonders einschneidender Bereich für die von Diskriminierung Betroffenen, da es um Fragen existenzieller Natur geht. Gerade vor diesem Hintergrund hätten wir uns gewünscht, dass die Entschädigung höher als 1000€ angesetzt wäre. ... [2/6]
… In einem Fall hatte beispielsweise das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg einem türkischen Ehepaar wegen diskriminierender Benachteiligungen in einem Mietverhältnis jeweils 15.000€ zugesprochen (Urteil vom 19.12.2014 dejure.org/2014,42964) … [3/6]
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11 Dec 19
⚽️„Ist gar nicht passiert“ - „Soll sich nicht so haben“ - „Ich habe nichts mitbekommen“: #Rassismus & #Antisemitismus im #Fußball werden oft ignoriert oder bagatellisiert. Mehr dazu in unserem Thread 🚩
2 Fußballspiele wurden in der letzten Woche von Spielern & deren Teams abgebrochen, weil sie auf dem Platz rassistisch beleidigt wurden. Besonders schlimm sind solche Fälle, wenn Rassismus & Antisemitismus ignoriert oder bagatellisiert werden, wie z. Bsp. am WE in #Schwerin. ...
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Als Zentrum für politische #Bildung & #Beratung #Hessen treten wir tagtäglich gegen #Rassismus, #Antisemitismus & #Rechtsextremismus ein. Und wir stehen an der Seite derer, die #Hass, #Ausgrenzung & #Gewalt ausgesetzt sind.
Dass diese Arbeit bitter nötig ist, sehen wir auch daran, dass der Hass zuweilen unser eigenes Team trifft. Jüngst erlebte unsere pädagogische Leiterin @sabanurcheema auf einer Dienstreise #Rassismus & wurde von einem Rechtsextremisten im Zug bedroht.
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10 Aug 19
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