„Je suis Meinungsfreiheit“? In Sachen #Religionskritik steht das deutsche Recht übrigens keineswegs klar auf Seiten der Aufklärung. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, den #Gotteslästerung-Paragrafen abzuschaffen. Thread 1/
Zu Zeiten Tucholskys, der 1928 wegen seines Gedichts „Gesang der englischen Chorknaben” angeklagt wurde, hieß die Strafvorschrift noch offiziell „Gotteslästerung”. Heute, in modernisierter Form, „Beschimpfung von Bekenntnissen“, § 166 StGB. 2/
Es macht sich strafbar, wer „den Inhalt des religiösen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”. Und das ist das Problem: 3/
Mit Strafe bedroht ist #Religionskritik nach deutschem Recht (erst) dann, wenn sie *unfriedliche Reaktionen* erwarten lässt. 4/
Es ist, wie @NadiaPantel mit Blick auf #ConflansSainteHonorine treffend schreibt, „wahnwitzig, Zeichnungen für einen Mord verantwortlich zu machen und nicht den Mörder“. Aber genau dieser Logik verschreibt sich das deutsche Strafrecht (anders als 🇫🇷). 5/
Beispiel: Das @Titanic-Titelbild mit einem zum Klopapierhalter umfunktionierten Kruzifix unter der Frage „Spielt Jesus noch eine Rolle?” (1995): Strafverfahren eingestellt – weil keine gewaltsamen Reaktionen von Christen erwartet wurden. 6/
Die „Anleitung zur Hostienschändung” des Comic-Zeichners Walter Moers oder auch das gekreuzigte Schwein auf T-Shirts der Band WIZO: Strafverfahren eingestellt – weil keine gewaltsamen Reaktionen von Christen erwartet wurden. 7/
Als hingegen 2006 ein Mann in NRW Toilettenpapier mit dem Wort „Koran“ bedruckte, reagierte das Amtsgericht Lüdinghausen (angesichts gewaltsamer Proteste gegen dänische Mohammed-Karikaturen damals) drastisch: ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung + 300 Sozialstunden. 8/
Warum? - Das ist die Logik des Gotteslästerungsparagrafen: Wenn die Forderung von Fundamentalisten nach „Grenzen der Meinungsfreiheit” sehr laut und bedrohlich wird - dann erfüllt die Justiz diese Forderung (unter Umständen). 9/
Als, ebenfalls 2006, @MTV_Germany die Zeichentrickserie „Popetown” sendete (1 infantiler Papst + 3 korrupte Kardinäle tollen durch den Vatikan), gab es ebenfalls Strafanzeigen wegen „Beschimpfung von Bekenntnissen“. Aber… 10/
Solange sich keine empörten Katholik*innen fanden, die Steine auf die MTV-Zentrale warfen, konnte nach dem Gesetz auch die größte „Lästerung“ nicht bestraft werden. Eine Logik, über die sich damals Edmund Stoiber öffentlich sehr ärgerte. 11/
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