1/ Welche Argumente und wesentlichen Zusammenhänge mir bislang in der Berichterstattung über den #Mietendeckel fehlen:
2/ Der #Mietendeckel ist auch volkswirtschaftlich für das Land Berlin langfristig intelligente Politik. Warum? Mieten schlagen für Arbeitgebende fast 1:1 auf die Löhne durch.
3/ Hohe Mieten sind also ein monatlich wirksamer Standortnachteil, niedrige Mieten wirken als wirtschaftsstrategischer Standortvorteil. Der #Mietendeckel sichert niedrige Mieten und schafft damit Anreize zur Ansiedlung neuer Arbeitsplätze.
4/ Beispiel gefällig?
Eines von Elon Musks Argumenten für die Standortentscheidung der Gigafactory bei Berlin war, dass junge Menschen in einer Wohnung in Berlin und auch Familien hier günstig wohnen können.
5/ Hohe Mieten belasten eine Volkswirtschaft ähnlich wie Zölle oder Steuern. Nur das davon so gut wie niemand etwas hat, außer den wenigen Immobilienbesitzer*innen.
6/ Diese investieren ihre Mieteinnahmen jedoch - anders als der Staat seine Zölle oder Steuern - nicht für das Gemeinwohl.
7/ Wo wir bei Steuern und Staatsausgaben sind: Auch die Landeskasse Berlin dürfte von den sinkenden Wohngeldzahlungen profitieren. Ganz zu schweigen von den bis zu 586.000 Menschen in Berlin, die Grundsicherung beziehen.
8/ Sozialleistungen und Hartz IV sehen feste „Angemessenheitsgrenzen“ für die Miethöhe vor. Diese Grenzen waren fernab der Angebotsmieten. Der Mietendeckel von ca. 7€ bedeutet für diese Menschen, eine Chance auf ein Leben in Berlin. #Gentrifizierung
9/ Die Immobilienvermögen in Berlin sind in den vergangenen 20 Jahren unvorstellbar gewachsen. Ich kenne einen Menschen, der hat um das Jahr 2001 ein 1.000 m2 Mehrfamilienhaus für 500€/m2, also in Summe für 500.000,-€ erworben.
10/ Den Kauf hat Mensch mit 20% Eigenkapital, also 100.000,-€ finanziert. Dieses Haus könnte er jetzt aufgrund der unvorstellbaren Wertsteigerung (trotz Deckel) für 3.000.000,- € verkaufen.
11/ Abzüglich des Kaufpreises hat sich das eingesetzte Eigenkapital in dieser Zeit also verfünfundzwanzigfacht (100.000 -> 2.500.000 = +2.500%). Dabei sind die Mieteinnahmen in dieser Zeit nicht Mal berücksichtigt.
12/ Diesen Wertzuwachs haben die meißten Häuser in der Berliner Innenstadt in dieser Zeitspanne hingelegt.

Statt Mieter*innen an diesen unfassbaren Wertzuwächsen zu beteiligen, wurden stattdessen die Angebotsmieten in Berlin verdoppelt.
tagesspiegel.de/berlin/angespa…
13/ Durch die Zinssenkungen der EZB hat am Immobilienmarkt eine Art Hyperinflation stattgefunden. Nur eben exklusiv für Vermögende.
spiegel.de/wirtschaft/ser…
14/ Anders als in den 1920er Jahren gehen die Wertzuwächse nicht in die Staatskasse, sondern verteilen sich überproportional auf die oberen Prozent und insb. auf Immobilienbesitzer*innen. Mieter*innen profitieren indes kaum von dieser Entwicklung.
15/ Diese Entwicklung benachteiligt nicht nur Berlin! Aufgrund der historisch bedingt geringeren Eigentumsquote, sind die Mitbürger*innen der neuen Bundesländer davon überdurchschnittlich stark betroffen.
16/ Zumindest vorstellbar scheint, dass die explodierenden Kaufpreise für Personen, die an der Entwicklung nicht partizipieren, ein subjektives Empfinden des „abgehängt werdens“ begründen.
Wer partizipiert und wer nicht, hängt leider noch immer stark vom Bundesland ab.
17/ Während Arbeit in Deutschland so hoch besteuert wird, wie in kaum einem anderen Land, werden in kaum einem anderen entwickelten Land der Erde Vermögen und Vermögensübertragungen so gering besteuert wie in Deutschland.
18/ Warum ist es eigentlich so, dass wir Einkünfte aus Vermögen (Kapitalerträge) nur halb so hoch besteuern, wie Einkünfte aus Arbeit?

Warum zahlen gerade die größten Immobilienbesitzer mit GmbH Struktur signifikant weniger Steuern auf Mieterträge?

19/ Warum werden die vermögendsten Immobilienbesitzer*innen von der Grunderwerbssteuer befreit, der Selbstnutzer*innen aber nicht?

Und warum sind die unvorstellbaren Wertzuwächse für private Großgrundbesitzer*innen beim Verkauf meist komplett steuerfrei?
20/ Mein Bekannter zahlt auf die 2.500.000,- € Wertzuwachs seines Mehrfamilienhauses genau 0,- € (in Worten: Null – Komma – Null) Steuern beim Verkauf. Und er könnte gleich drei Mehrfamilienhäuser dieser Größenordnung auf einmal steuerfrei verkaufen. Denn...
21/ ... das mit der Steuerfreiheit klappt wie beim Spiel Monopoly jede Runde neu: Nach zehn Jahren Haltefrist im Grundbuch ist das Spielfeld im Steuerrecht erfolgreich umrundet und sämtliche Wertzuwächse dürfen vom Veräußerer unversteuert einbehalten werden.
22/ Da können Arbeitnehmer mit ihrer Einkommenssteuer, den Sozialbeiträgen und den aus dem versteuerten Einkommen geleisteten Mietzahlungen nur drüber staunen. Das ist doch absurd!
23/ Die Preistreiberei bei Mieten in Berlin ist möglich, weil Bauflächen mit den bestehenden Bebauungsplänen ein endliches Gut sind und die Nachfrage nicht mehr bedient werden kann.
24/ Das Grundprinzip des freien Marktes der Ausweitung des Angebots zur Preisstabilität funktioniert nicht - es herrscht seit vielen Jahren ein „Marktversagen“. Statt der Bautätigkeiten steigen daher vor allem die Grundstückspreise.
de.wikipedia.org/wiki/Marktvers…
25/ Ohne ordnungspolitische Eingriffe werden die Mieten in Berlin weiter durch die Decke gehen, eine ähnliche Entwicklung nehmen wie in anderen Metropolen und einen immer größeren Teil der Haushaltseinkommen verschlingen.
wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/20…
26/ Egal wie stark die Löhne steigen: Wohnen muss jeder und Mieten sind ein relativ „unelastisches Gut“. Die Lebensqualität der zur Miete wohnenden, absoluten Mehrheit der Bevölkerung, wird perspektivisch immer weiter beeinträchtigt.
27/ Derart steigende Mieten können große Teile der Produktivitätsgewinne ohne einen adäquaten gesellschaftlichen Nutzen aufzehren. tagesspiegel.de/berlin/angespa…
28/ In Berlin werden im Verhältnis zum Bestand pro Jahr nur 0,5 - 1% neuer Wohnraum geschaffen. Nur für den Neubau auch die 99% Bestand zu verteuern, ist absurd. Es macht also Sinn, Bestand- und Neubau zu entkoppeln.

Genau das tut der #Mietendeckel.
29/ Die Kosten für Wohnraum setzen sich aus Bau-, Grundstücks- und Kapitalkosten zusammen. Wenn die erwarteten Mieteinnahmen durch den #Mietendeckel sinken, dann wird das bei gleichbleibenden Renditeerwartungen / Kapitalkosten vor allem Grundstückskosten senken.
30/ Hier liegt die Chance für die Politik: Würde sie Transparenz über die Zukunft schaffen (Stichwort: “Dauerhafter Mietendeckel") würde sich rasch ein neues Preisgleichgewicht bilden, bei dem die Bautätigkeit mit niedrigeren Grundstückspreisen fortgesetzt würde.
31/ Eine Ankündigung der „Nichtverlängerung“ des #Mietendeckels verhindert die Preisbildung auf geringerem Niveau.
Wohnungen werden leer stehen gelassen, Grundstückspreise fallen nicht. Der #Mietendeckel scheitert an der veränderten Erwartungshaltung - an halbherziger Politik.
32/ Ja, die Wohnungsanzeigen auf Plattformen sind zurückgegangen. Dafür hat sich das Angebot an Kaufwohnungen erheblich ausgeweitet und ist weiter steigend. Mit steigendem Angebot sinken die Kaufpreise und deren Vermietung wird wieder attraktiver.
33/ Auch vorenthalten wohl einige Vermieter*innen leere Wohnungen bis zum BGH-Entscheid dem Markt. Auch ist eine mehrere hundert Euro teure Vermarktung über Plattformen bei günstigen Deckelmieten kaum erforderlich.
34/ Nicht nur Mieter*innen profitieren vom #Mietendeckel. Auch Berliner*innen, die eine Eigentumswohnung kaufen möchten, können profitieren: Die vergleichsweise geringe Mietrendite von unter 3% lohnt sich für auswärtige Kapitalanleger*innen kaum.
35/ Wird der #Mietendeckel langfristig bestätigt, werden folglich die Preise sinken. Auch Berliner*innen, die Wohneigentum zur Selbstnutzung erwerben möchten, können dann von gefallenen Kaufpreisen profitieren.
36/ Finanziell können mindestens 84% der Berliner Haushalte, die zur Miete, wohnen früher oder später vom #Mietendeckel profitieren. Für die 17%, die im selbstgenutzten Wohneigentum leben, hat der #Mietendeckel zunächst keinen Einfluss auf das verfügbare Haushaltseinkommen.
37/ Nur 5% der Berliner*innen sind selbst private "Kleinvermieter*innen". Die meisten dürften ihre Immobilien schon längere Zeit besitzen und von den unfassbaren Wertzuwächsen der letzten Jahre profitiert haben.
38/ Für weit über 90% der Eigentümer*innen in Berlin dürfte der heutige Marktwert ihrer Immobilien (also teils erheblich) über dem Preis liegen, den sie damals beim Erwerb gezahlt haben.
39/ Die "Not" der Vermieter*innen dürfte in den meisten Fällen klagen auf extrem hohem Niveau sein (vgl. "unvorstellbare Wertzuwächse"). Für tatsächlich überforderte Eigentümer*innen sieht der #Mietendeckel Ausnahmen vor.
40/ Die zuletzt gezahlten, hohen Marktpreise haben dabei in vielen Fällen bereits Annahmen über zukünftige Miet- und Preissteigerungen eingepreist.
41/ Wer für 4.000€/m2 eine zum Mietspiegel vermietet Wohnung kauft schließt damit eine Wette („Spekulation“) auf steigende Mieten und letztlich die Untätigkeit der Politik ab. Das ging lange gut. Muss es aber nicht ewig unter einer sozialen Regierung. #r2g
42/ In der bisherigen Berichterstattung scheinen Argumente „für“ den #Mietendeckel deutlich weniger bekannt zu sein, als die fein säuberlich von Interessengruppen aufbereiteten Argumente „gegen“ den #Mietendeckel.
43/ Ich würde mich daher freuen, wenn die mediale Berichterstattung dahingehend an Tiefe und Ausgewogenheit gewinnt. Die Darstellung sollte zumindest quantitativ nicht diametral im Gegensatz zum Größenverhältnis der repräsentierten Interessengruppen (84% gegenüber 5%) erfolgen.

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More from @echseBerlin

26 Feb
Liebes @DIW_Berlin,
das sind doch einige substanzielle Kritikpunkt, die der @BMieterverein hier vorbringt. Ist da was dran?

1) Dass Vermieter freien Wohnraum zurückhalten und damit Gesetze brechen wird nicht hinterfragt und dem #Mietendeckel zur Last gelegt?
2) "Ferner wird behauptet, dass der Mietendeckel langfristig teurere Wohnungen produziere, weil Vermieter auf umfassende Modernisierung setzten, die nicht dem Mietendeckel unterliege. Hier aber verwechseln die Autoren wohl #Mietendeckel und #Mietpreisbremse."
3) Auch nicht weiter thematisiert wird, dass selbst bei wohlwollender Auslegung wohl 75% der Annoncen nicht gesetzeskonform sind. Ist das statt einem Argument gegen das Gesetz nicht eher der Beweis für dessen Notwendigkeit?
Read 5 tweets
19 Aug 20
@tacheles_D @Karl_Lauterbach @CKemfert @MonikaSchnitzer @AchimTruger @SDullien Sehr gerne - auch zu allen 3!

2009- 2014 führt das ifo (damals noch unter Sinn) eine breit angelgete, mediale Kampagne gegen den #Mindestlohn.

"Gefährdet 900.000 Jobs"
"Benachteiligt Geringverdiener"(???!)
"Tarifbindung reduzieren" ImageImageImage
@tacheles_D @Karl_Lauterbach @CKemfert @MonikaSchnitzer @AchimTruger @SDullien Am 01.01.2015 wurde der #Mindestlohn eingeführt. Hier die Beschaftigungszahlen 2014/2015. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat weiter zugenommen, die Zahl der Arbeitlosen weiter abgenommen.

Trotz Mindestlohn. Image
@tacheles_D @Karl_Lauterbach @CKemfert @MonikaSchnitzer @AchimTruger @SDullien In 2017 hat Herr Sinn seine Berechnungen zur Energiewende und dem vermeintlich sehr hohen Speicherbedarf vorgestellt.

Das Problem: Mathematisch stimmen seine Formeln, die ganze Rechnung beruht allerdings auf völlig absurden und unrealistischen Annahmen.
Read 11 tweets
21 Jul 20
Hallo @Prognos_AG,
zu Ihrer #Wasserstoff-Studie folgende Fragen.
1) Verstehe ich Sie richtig, dass die lokale Erzeugung von #Wasserstoff in Deutschland bereits mittelfristig günstiger sein wird, als der Import aus #MENA?
Und das obwohl in dem deutschen Modell mit Netzbezug sogar noch die volle EEG-Umlage + Stromsteuer(?) + Netzentgelte(?) auf den Elektrolyse-Strom aufgerechnet wurde?
2) Mit welchen Kosten wurde in den jeweiligen Jahrzehnten bei den Modellen für PV- und Windstrom in DE gerechnet?

Bei der @bnetza wurde ja zB. im Feb. 2020 Freiflächenphotovoltaik zu 3,55ct/kWh gezeichnet... Hätte man vor 5 Jahren auch noch nicht für möglich gehalten in DE.
Read 13 tweets
10 Jun 20
Gegen die #Erneuerbaren Energien (#EE) werden die abwegigsten Argumente bemüht.

Eine ganz besonders absurde Blüte wurde zuletzt auch wieder vom @BMWi_Bund, bemüht. Daher hier exklusiv für Sie, die hoffentlich letzte Richtigstellung zu:

"ABER DER #FLÄCHENVERBRAUCH!"⬇️
Die These: #Deutschland habe nicht genügend Flächen, um die Energieversorgung mit #Solar und #Windkraft im eigenen Land zu gewährleisten. Hier angeführt vom @BMWi_Bund:
Wohlgemerkt kommt dieser Kommentar wenige Wochen, nach dem Sie / die @cdu gegen erheblichen Widerstand einen 1.000m Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnbebauung beschlossen, und dadurch die zumindest für #Windkraft verfügbaren Flächen erheblich dezimiert haben.
Read 17 tweets
9 Jan 20
Der Präsident des größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts (@DIW_Berlin), Herr @MFratzscher über die Folgen von 20 Jahren wirtschaftsliberaler Politik:
-explodierende #Vermögensungleichheit
-#Steuerungerechtigkeit
-Einkommensschere
-#Altersarmut

🤔
Statt sich mit den Argumenten und Zahlen auseinanderzusetzen lese ich in den Drukos ein Feuerwerke der ad hominem Angriffe auf den Interviewpartner. 🤦

Ein Grund mehr, sich die präsentierten Zahlen und Fakten anzusehen ⬇️
Read 13 tweets

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