Weil auch nach meinen theoretischen Erläuterungen zur #Schuldenbremse hier die Diskussion mit wissenschaftlich fragwürdigen Argumenten weitergeführt wurde, noch einmal, um welche Frage es geht, und welche Fakten uns KEINE Antwort geben können. 1/
Was war die Frage? Ich hatte die These aufgestellt, dass die Schuldenbremse dazu führt, dass die öffentliche Hand weniger investiert.
Was heißt aber in diesem Zusammenhang „weniger“? 2/
Wenn wir in der Ökonomie (oder Medizin oder sonst wo, wo es um kausale Analysen geht) die Frage stellen, wie ein Faktor A auf das Ergebnis X wirkt, dann geht es um den Vergleich einer Situation mit dem Faktor A gegenüber einer hypothetischen Situation ohne den Faktor A. 3/
Warum hypothetische Situation? Weil es immer zig Faktoren gibt, die das Ergebnis X beeinflussen können. Deshalb muss man mental versuchen, für alle andere Faktoren außer A zu kontrollieren, um den Effekt von A zu isolieren. 4/
Bei der Frage der Schuldenbremse heißt das: Würde es zum Zeitpunkt t in der speziellen Gebietskörperschaft C mehr oder weniger Investitionen geben, wenn wir die Schuldenbremse nicht hätten. 5/
Das Argument: „Aber es war ja Geld für andere, aus meiner Sicht unsinnige Sachen da, also kann die Schuldenbremse die Investitionen nicht beeinträchtigt haben“ ist hier kein sinnvolles Argument. 6/
Denn es geht ja nicht um die Frage, ob andere, unsinnige Sachen gemacht worden sind. (Die wären ja evtl. auch ohne SB gemacht, und das ist auch nicht die Frage, die gestellt wurde.) 7/
Auch das Argument: „Aber in Bayern sind die Schulgebäude besser als in Berlin, also kann die Qualität der Schulgebäude keine Folge der Schuldenbremse sein“ ist logisch nicht haltbar. 8/
Bayern ist nicht Berlin. Nicht von der Demographie, nicht vom Migrationsanteil, nicht von der Wirtschaftsstruktur, nicht von der Historie. Nun könnte man versuchen, für all diese Faktoren zu kontrollieren. 9/
Das ist aber wahrscheinlich (auch wegen der vielen Faktoren und wenigen Datenpunkte) nicht möglich. Also bleibt diese Aussage für die Frage sinnbefreit. 10/
Für die wissenschaftliche Analyse ist auch das Argument „Aber es sind doch die Einnahmen insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, deshalb kann die Schuldenbremse nicht die Investitionen begrenzt haben.“ 11/
Noch einmal: Wissenschaftlich geht es um einen Vergleich möglichst ähnlicher Situationen mit und ohne Schuldenbremse. Diese Aussage hilft uns nicht. 12/
Allen, die mit dieser Art der Argumentation Probleme haben (und ich bin erschreckt, wie viele hier frei von sauberer Kausalitätidentifikation argumentieren), kann ich nur ganz wärmstens das hervorragende Buch von @yudapearl empfehlen. 13/
bayes.cs.ucla.edu/WHY/
(Und nein, man kann trotz allem zu dem Schluss kommen, dass die #Schuldenbremse gut und richtig ist, aber mit der schlampigen Argumentation von einigen hier kann man nicht dieses Folgerung untermauern.) /END

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29 Oct
Mein Tweet zu maroden Schulbauten und der #Schuldenbremse hat viel Aufregung verursacht.
Ein paar Erläuterungen, warum die abgefallene Decke vielleicht nicht direkt mit der SB zusammenhängt, warum die SB aber trotzdem ein Problem für Schulbauten ist. 1/

Zunächst: Ich weiß nicht, ob die Decke so alt und unsaniert war, dass sie aus Geldmangel abgefallen ist oder ob beim Bau gefuscht wurde. Beides kommt vor, und nicht nur in Berlin.
Und natürlich läuft in Berliner Verwaltungen einiges nicht so, wie man sich das wünschen würde. 2/
Aber: Das ändert nichts daran, dass viel dafür spricht, dass die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form mit zu der verlotterten Infrastruktur in Deutschland beigetragen hat – und vor allem einer schnellen Sanierung im Weg steht. 3/
Read 17 tweets
13 Sep
Lesenswerter #Thread zur Diskussion „Innovation durch Verbote?“ von @Phuenermund.
Ein paar Ergänzungen von meiner Seite zur #EU-Dimension der Frage. 1/
Jenseits der Frage, wie Standards und Verbote auf die Innovationskraft der Unternehmen wirken, sollte man im #EU-Kontext nicht unterschätzen, wie stark die Standards in der EU auf die Innoviationen im Rest der Welt wirken. 2/
In den Politikwissenschaften und in den Randgebieten der Handelsökonomie wird seit einigen Jahren betont, dass die #EU ein „regulatory superpower“ geworden ist. @anubradford nennt dies den „Brüssel-Effekt“. 3/ scholarship.law.columbia.edu/books/232/#:~:….
Read 7 tweets
13 Sep
Half a year ago,there was a huge outcry in Germany that the EU had presumably botched #Covid19 vaccine procurements.

Now, it shows that the mistakes at the EU level are dwarfed by failures of the vaccination campaign in Germany–but no one talks about it anymore.
A thread. 1/
When early this year, Israel, the #UK and the #US pulled ahead of EU countries in the vaccination drive, there was a lot of finger pointing at the EU commission. As was broadly discussed, the Commission had looked too much after not paying excessive prices 2/
and had ended up with contracts under which vaccine producers such as #Astrazeneca believed they could serve other countries first and the EU only second. (Some of this ended before courts.)

In Germany, media called it the “Impfdebakel” (vaccination debacle).3/
Read 17 tweets
31 Aug
Ich bin etwas überrascht, welch emotionale Reaktionen mein Tweet ausgelöst hat. Ein paar Erläuterungen und Klarstellungen. #Thread. 1/
Ich wollte mit dem Tweet verdeutlichen, dass auch kleine Wahrscheinlichkeiten (0,01 %) in einer größeren Population eine relevante ABSOLUTE Zahl ausmachen. Ich habe nicht behauptet, dass 0,01 % der deutschen Kinder an Covid19 sterben, wenn sie infiziert sind. 2/
Es war also KEINE Projektion oder Prognose,sondern ein Beispiel.Auch wollte ich keine Panik verbreiten.
Es ging vielmehr darum, die oft gehörte Bemerkung „0,0x% Sterblichkeit ist nicht so schlimm“ etwas zu relativieren.
Ich hätte das aber wohl noch klarer formulieren sollen.
3/
Read 23 tweets
9 Aug
Big news: According to the details in today’s quarterly report, #Biontech alone is now set to boost German GDP this year by 0.5 % and hence German GDP *growth* 2021 by 0.5 percentage points. This is quite extraordinary for a start-up. 1/
Usually, as a macroeconomist, I do not tweet about individual companies. Sometimes, however, there are rare cases where single companies have a macroeconomic relevance. #Biontech is such a rare example. 2/
Quick back-of-the-envelope calculation: #Biontech has estimated the revenue from #Covid19 vaccines for 2021 to €15.9 billion, which is roughly 0.5 % of GDP. As Biontech had only marginal sales in 2020, this impacts also GDP growth rate almost 1-to-1. 3/
investors.biontech.de/node/10446/pdf
Read 7 tweets
6 Aug
Sehr spannende (und soweit erkennbar solide gemachte) neue Studie zur Übersterblichkeit seit 2020. Ergebnis: Deutschland ist pro Kopf mit etwa halb so vielen zusätzlichen Toten durch die Pandemie gekommen wie Frankreich, Österreich oder die Niederlande.1/
elifesciences.org/articles/69336
In den USA gab es pro Kopf etwa viermal so viele Tote wie bei uns, in Großbritannien immerhin dreimal so viele.
Hätten wir die gleiche Übersterblichkeit wie die USA, wären bei uns rd. 116.000 Menschen zusätzlich gestorben. 2/ Image
Kanada dagegen hat rd. 20 % weniger zusätzliche Tote gehabt, Australien und Neuseeland noch weniger.
(Im PDF sehr detaillierte Tabellen mit Angabe von Datenstand, absoluten und relativen Zahlen.) 3/
Read 6 tweets

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