Warum #2G weder wissenschaftlich noch politisch zu halten ist und unbedingt überdacht gehört:

⛔️ Das Risiko, sich als Geimpfter zu infizieren, steigt nach einigen Monaten rapide an (thelancet.com/journals/lance…).
⛔️ Geimpfte erreichen ähnlich hohe Viruslasten wie Ungeimpfte
(bei kürzerer Dauer des Peaks) (thelancet.com/action/showPdf…) und sind im Schnitt (über alle Altersgruppen und Zeiträume nach Impfung) nach einer ersten Studie etwa 2/3 so ansteckend im Zellkultursystem wie Ungeimpfte (medrxiv.org/content/10.110…)
Bei Veranstaltungen sollte sich durch den
kurzen Peak statistisch eine kürzere ansteckende Periode ergeben und damit ingesamt bei hoher Impfquote die Wahrscheinlichkeit senken, dass jemand zum Zeitpunkt gerade ansteckend ist.

Die SAR (der Anteil angesteckter Kontakte) im Haushalt allerdings ist in einer aktuellen
Studie nicht signifikant anders als bei Ungeimpften Indexfällen (thelancet.com/journals/lanin…). Das heißt, alles was von 2G Veranstaltungen mit nach Hause gebracht wird, hat gute Chancen, dort geimpfte und ungeimpfte Haushaltsmitglieder (etwa gleich wahrscheinlich) zu treffen.
⛔️ Da die Viruslasten vergleichbar und eher hoch sind (thelancet.com/journals/lanin…: in der Studie werden 0·69–0·95 log10 units per mL erreicht, das liegt ca. 1-4 Potenzen über der Nachweisgrenze), können gute Schnelltests hier sehr gut und effektiv Veranstaltungen schützen, wobei ein
„durchrutschender“ Geimpfter oder ein „durchrutschender“ Ungeimpfter aus o.g. vergleichbar ansteckend sein sollten. Entweder ist zum Zeitpunkt die Viruslast hoch genug um ansteckend zu sein und im Test anzusprechen oder sie ist es nicht. Der Anstieg ist bei beiden Gruppen ähnlich
steil, der Abfall des Peaks ist in diesem Fall irrelevant.

➡️ 2G ist also politisch nicht damit zu rechtfertigen, dass Geimpfte Teilnehmer ein geringeres Risiko darstellen.

Wie sieht es mit dem Argument Schutz der Ungeimpften aus?

⛔️ Der Schutz ungeimpfter durch Ausschluss
(z.B. um Krankenhausbetten nicht zu überlasten) ist nicht nur paternalistisch - er verkennt auch völlig, dass das Risiko hospitalisiert zu werden so stark altersabhängig ist, dass selbst ungeimpfte Junge ein geringeres Hospitalisierungs-Risiko haben als alte
⛔️ Geimpfte testen sich seltener und unerkannte Infektionsketten laufen tendenziell weiter durch.
Dazu gibt es keine mir bekannten empirischen Daten, da die Schnelltests jedoch auch für Geimpfte kostenpflichtig geworden sind und Tests fast nirgendwo vorgewiesen werden müssen,
liegt diese Vermutung nahe. Das ist grundsätzlich erstmal für die Betroffenen kein Problem, aber mit hohen Infektionszahlen steigt die Chance schwer verlaufender Durchbrüche (die Risiken wirklich weit entfernt von null: medrxiv.org/content/10.110…) und das Treffen auf Ungeimpfte,
die durch das Testen bisher quasi als Sentinals funktioniert haben (und daher auch öfters Indexfälle waren) und durch den Wegfall der kostenfreien Tests jetzt ein weiteres Ausbreiten des Dunkelfeldes zu erwarten ist.

⛔️ Geimpfte sind nicht hundertprozentig geschützt.
Das trifft sowohl auf das Infektionsrisiko und mögliche Infektionsketten zu (wie oben erläutert), als auch auf das eigene Erkrankungsrisiko.
Vor allem beim Schutz vor #LongCovid zeigt die oben genannte Studie keine Unterschiede. Angesichts der Limitationen der Studie, aber der
durchaus wenig in Frage stehenden Waining Immunity nach wenigen Monaten, ist das sicher mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen, vor allem bei älteren PatientInnen.

➡️ Ein guter Schutz von Geimpften und Ungeimpften kann bei einer
2G oder 3G Veranstaltung, bei der ein nennenswerter Anteil der TeilnehmerInnen nicht getestet ist, nicht voraus gesetzt werden.

⛔️ 2G hat nicht zu nennenswerten Erhöhungen der Impfquote geführt.
Menschen politisch für etwas zu sanktionieren, das rechtlich zulässig ist, ist
nicht möglich. Eine Impfpflicht gibt es nicht. Ein Aussourcen dieser Verantwortung in die Privatwirtschaft ist politisch fragwürdig.

➡️➡️➡️ Fazit: 2G und 3G erzeugen falsche Sicherheit und eine politisch polarisierte Stimmung. Aus wissenschaftlicher und politischer Sicht
überwiegen meines Erachtens die Nachteile die Vorteile bei Weitem.
Ein gutes Konzept, welche Orte priorisiert, die einen besonderen Schutz brauchen und dort #1G (getestet) empfiehlt, ist der aus meiner Sicht einzig sinnvolle Weg durch den Winter.

Dass die Politik dazu eine
180 Grad Wendung hinlegen muss, ist unschön, aber notwendig. Es wurde hier völlig aufs falsche Pferd gesetzt. Diesen Fehler aus Angst vor Gesichtsverlust nicht zu korrigieren, wird zu vermeidbarem Leid führen.

@BMG_Bund @jensspahn @GrueneFraktionB @GrueneBundestag @spdbt
Nachtrag: weil es hier offenbar notwendig ist, weil sich manche nicht die Mühe machen meine Position zur Impfung nachzuverfolgen:
Der hohe Schutz des Impflings gegen schwere Verläufe ist weiterhin unbestritten. Impfangebot und Booster sollten unbedingt genutzt werden.

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2 Nov
Ich möchte das gerne aufgreifen, aber modifizieren.
Ich habe mit 17 Jahren meine erste DNA isoliert, später dann Biochemie mit Schwerpunkt Molekulare Medizin studiert. Bis zum Diplom habe ich die naturwissenschaftlichen Grundlagen bis zur Quantenphysik vertieft und in der
mündlichen Biophysikprüfung die Wellengleichung einer Evaneszenzwelle in der Nahfeldmikroskopie aus der Schrödingergleichung herleiten dürfen.
Seit dem habe ich 13 Jahre Berufserfahrung in der translationalen Forschung. Habe darin promoviert.
Ich kann PCR in allen
Varianten. DNA und RNA aufreinigen und Sequenzieren, Proteine aufreinigen und analysieren, all das global oder gezielt nach ganz spezifischen Modifikationen. Ich kann dir sagen, welche Gene in einer Zellen gerade an- oder ausgeschaltet und welche ganz stillgelegt sind. Ich kann
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1 Nov
Ich denke, ich werde mich auch zur CovidImpfung meines Großen durchringen, wenn sie für U12 kommt.
Warum?
Ich habe immer dafür argumentiert dass wir den Kindern nicht ihre Beteiligungsrechte nehmen dürfen, dass es wichtig ist, dass sie so viel Normalität behalten wie möglich.
Diese Bundesregierung setzt aber seit Beginn der Pandemie auf möglich viel Normalität für ältere Menschen und hilft die Belastungen überproportional den Familien über.
In unserem engeren Umfeld sind (bis auf eine Person) alle geimpft, auf jeden Fall die älteren Kontaktpersonen.
Ich glaube, die Impfung wird für mein Kind keinen Mehrwert haben, aber ich weiß, dass sie ihm sehr wahrscheinlich auch nicht schaden wird. Er ist 11 und fällt damit fast in die Altersgruppe in der schon sehr viele Real Life Daten vorliegen.
Der einzige Grund ihn nicht zu impfen
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31 Oct
Wie gut schützt die #Impfung vor Ansteckung? Eine weitere Studie, vor 2 Tagen im Lancet veröffentlicht, gibt weitere Hinweise darauf, dass wir uns von der Idee der #Herdenimmunität verabschieden & Alternativstrategien finden müssen.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Studie ⬇️:
thelancet.com/journals/lanin…

Man hat COVID-19 Indexfälle (Alpha und Delta) und ihre Kontakte (>5 Jahre) via UK Nachverfolgungssystem ausgewählt und bis zu 20 Tage lang Abstriche gesammelt.

Für die Delta Variante untersuchte man 138 Indexfälle und 204 Haushaltskontakte
unter Einbeziehung des Impfstatus beider Gruppen.
Von den Indexfällen waren 50 voll, 25 teilweise und 63 nicht geimpft.
Es steckten sich bei geimpften Indexfällen etwa genauso viele Haushaltskontakte an (SAR 25%) wie bei Ungeimpften (23%).
Hierbei steckten sich die geimpften
Read 17 tweets
30 Oct
Disagree. Wir haben mittlerweile einige Publikatiken, die zeigen, dass der Infektions-(thelancet.com/journals/lance…) und Übertragungsschutz (medrxiv.org/content/10.110… & thelancet.com/journals/lanin… ) durch die #Impfung relativ schnell nachlässt. 2G ist überhaupt nicht sicher. 2G ist eine
paternalistische staatliche Erziehungsmassnahme, mit dem Ziel eine #Impfquote zu steigern, anstatt #Risikogruppe zu definieren, dort Impflücken aufzufüllen und zu boostern.

Was wirklich hilft, die Infektionszahlen und damit sekundär auch die schweren Erkrankungen zu reduzieren,
ist 1G: #TESTEN für alle (itwm.fraunhofer.de/de/presse-publ…)
Die Schnelltests hat sich Ihre Regierung leider von fragwürdigen BeraterInnen/Labormedizinlobbyisten madig machen lassen.
Aus meiner Sicht war das Abschaffen der Kostenübernahme für Tests einer der größten Fehler der Pandemie.
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29 Oct
Nein, Herr @Karl_Lauterbach - #LongCovid und kognitive Defizite sind kein Tabu - es gibt nur bisher wenig gute (zB. prospektive, kontrolliert erhobene) Studien dazu. Aber dennoch qualitativ deutlich hochwertigere, als die, die Sie hier zitieren.
ZB: thelancet.com/journals/eclin…. Es liegt also durchaus nah, dass kognitive Einschränkungen tatsächlich zu beobachten sind.
Die ungeklärte Frage: wie lange hält das an? Dazu haben wir keine langen Nachbeobachtungszeiträume. Wir wissen es daher einfach nicht. Das hat aber nichts
mit Tabu zu tun. Die Fachleute sind einfach vorsichtig mit voreiligen Schlüssen.

Bei der hier durch Sie zitieren, habe ich allerdings nach dem Material und Methodenteil aufgehört zu lesen.
Warum?
1️⃣ Rekrutierung u.a. im Facebook LongCovid Forum —> Selection bias? Image
Read 7 tweets
28 Oct
Eine aktuelle Studie aus Oxford, (medrxiv.org/content/10.110…) basierend auf Forschungsnetzwerk Daten vor allem aus den USA, wurde vor 10 Tagen als Preprint (noch nicht begutachtet, man kann Anhänge nicht einsehen) veröffentlicht.

Thread mit allgemeinverständlichen Erklärungen ⬇️
Die Studie untersucht etwa 10.000 Geimpfte
mit Durchbruchinfektionen gegen eine passende Kontrollgruppe und zeigt zunächst erwartbare Ergebnisse:

➡️ Covid Impfung reduziert effektiv das Risiko von schweren #COVID19 Verläufen (ITS, Tod, Beatmung etc.), zwei Impfungen schützen
besser als eine, Menschen >60 profitieren
weniger als Jüngere usw.

💡Erklärung der Grafik: Die Abbildung zeigt einen sogenannten Forestplot, der das relative Risiko für die Symptome/Ereignisse gegenüber der Kontrollgruppe als Punkt und den Vertrauensbereich des Ergebnisses
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