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Tobias Blanken @Tobias_B
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Marktversagen.

Ich schildere jetzt mal, wie das angebliche Marktversagen im Prenzlauer Berg ablief. Weil der Stadtteil immer als Paradebeispiel für die Gentrifizierung (o. ä.) herhalten muss.
Die Grundstückspreise sind irgendwann steil gegangen, mittlerweile liegt der Bodenrichtwert bei 5.500 € pro Quadratmeter. Dafür muss eine alte Oma lange stricken.
Zur Einordnung: 1.000 Quadratmeter (traditionelle niedersächsische Einfamilienhausgrundstücksgröße) würden bei dem Bodenrichtwert 5,5 Mio. € kosten, ein Fußballfeld (68m x 105m) 39,27 Mio. €, ein Hektar 55 Mio. €, ein Saarland 14,9 Billionen €.
Normalerweise schaffen steigende Grundstückspreise - über den Markt - einen enormen Anreiz, in die Höhe zu bauen. Weil ein Bau in die Höhe zwar teurer ist (Statik, Treppenhäuser, Fahrstühle, Fluchtwege, etc.), man aber den Grundstückspreis auf mehr Stockwerke umlegen kann.
Deshalb ist etwa auch im schweineteuren New York jeder freie Quadratmeter mit Hochhäusern ausgereizt, während im billigen Niedersachsen ums 1,5-geschossige Einfamilienhaus noch Platz für zwei Carports, ein Gartenteich und fett Rasen ist. It’s all about the money.
Die steigenden Grundstückspreise schaffen also im Prenzlauer Berg einen massiven Anreiz, in die Höhe zu bauen. Also neuen, zusätzlichen Wohnraum in bisher noch nicht erschlossenen Höhen zu errichten.
Dummerweise ist aber die Traufhöhe von 22 Metern heilig, höher darf per Gesetz nicht gebaut werden. Hat was - I shit you not - mit der handelsüblichen Länge von Feuerwehrleitern des 18. Jahrhunderts zu tun.
Damit hat die Politik einen entscheidenden Marktmechanismus komplett ausgehebelt, der sonst zu zusätzlichen Wohnungen geführt hätte. Die Traufhöhenbegrenzung wirkt da wie 'ne Angebotsverknappung, die dann für steigende Immobilienpreise sorgt.
Doch selbst wenn man innerhalb der Traufhöhenbegrenzung bauen will, hat man im Prenzlauer Berg bei jedem Neubauprojekt die komplette NIMBY-Crew an der Backe: Ökos, Nachbarschaftsinitiativen, die Grüne Partei, Spießer, Latte-macchiato-Muttis.
Und die erklären dann jede noch so beschissene Bomber-Harris-Gedächtnislücke zum unverzichtbaren Biosphärenreservat, das nicht bebaut werden darf. Karl der Käfer und überlebenswichtige Frischluftschneise: die kennen da nichts.
Die Latte-macchiato-Muttis haben jedoch nicht nur zu viel Freizeit, sie haben im Gegensatz zum Hartz-IV-Empfänger aus Hohenschönhausen auch noch Geld und gute Anwälte. Was eine ganz üble Kombi ist. Ganz übel.
Dann fühlt sich natürlich auch die Politik berufen (Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen!), einzugreifen, es kommt zu irgendwelchen runden Tischen und am Ende steht ein Kompromiss: Es wird gebaut, aber mit Einschränkungen.
Also weniger Wohneinheiten, dafür mehr Freiraum. Der vorhandene Platz wird nicht voll ausgereizt, sondern auch irgendwas mit Blumen, Bäumen und Biene Maja.
Da die Grundstückspreise im Prenzlauer Berg jedoch nun mal so teuer sind, führt die abgespeckte Bebauung dann aber dazu, dass die einzelnen Wohneinheiten unbezahlbar werden. Also unbezahlbar für Normalbürger, nicht für Latte-macchiato-Muttis.
Und diese ganze Chose ist für mich nicht Markt-, sondern Politikversagen.
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