Vor ein paar Wochen gab es eine Interviewanfrage des Spiegels (jemand aus dem Hauptstadtbüro), die ich abgelehnt habe. Jetzt verbreitet eine führende Mitarbeiterin einen Thread, in dem ich justiziabel beleidigt werde. So geht das in den Medien gerade zu, und es ist nicht schön.
Der Beruf war schon früher nichts für Zartbesaitete, aber in den Jahren letzten entstand eine Kultur des allgemeinen Misstrauens, die zu einer Schweigespirale führt. Man weiss nie, wer einen intern dran hängt, und abweichen kann man, wenn die Leitung voll hinter einem steht.
Ich denke, der Moment, in dem das jedem klar wurde, war der Debattenexzess um Finis Germania. Bestsellerlisten wurden gereinigt, Köpfe wurden gefordert, eine Sendung wurde reformiert - da sah die Öffentlichkeit einen Moment, wie das heute hinter den Kulissen laufen kann.
Nach aussen hin hat das natürlich nichts gebracht, ganz in Gegenteil, aber seitdem kennt auch jeder den Preis, den man eventuell für das Abweichen bezahlen muss. Und wer nicht den vollen Rückhalt von oben hat, passt halt auf, was er an Themen bringt oder auf dem Flur sagt.
Da führt zum massiven Ungleichgewicht in der Berichterstattung, und dazu, dass breite Teile des Meinungssprektrums andere Anknüpfungspunkte suchen. Um über das Niveau von Hauptstadtpresse zu kommen, die "Oberarschloch" goutiert, ist für die Kubitscheks dieser Welt nicht schwer.
Der Druck richtet sich gegen die Moderaten: Der Generalverdacht gegen "die FAZ", die führende Oppositionspolitiker einlädt, der Versuch, aus einem Gemälde von Gerhart Richter einen Stuka-Skandal für Lanz zu machen... überall sind auch Journalisten mit dabei. So ist das heute.
Wie auch immer, dass Leute von ZDF, ARD, Spiegel etc. mit Retweets dabei sind, wenn einer Person um zwei Uhr morgens bei der Vulgärkampagne mit dem LTI-Begriff "Judenstern" die rechte Gehirnhälfte verrutscht, ist auch ein Zeichen dafür, was bei den "Guten" als akzeptabel gilt. 
