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Ich wollte wissen, ob Talkshows von ARD und ZDF wirklich so diskriminierend sind und habe alle 135 Sendungen von @annewill, @hartaberfair, @Maischberger u @maybritillner aus 2019 nach Spuren von Diversität untersucht. Das Ergebnis ist leider noch schlimmer als befürchtet. /Thread
Anlass für Untersuchung war die Verleihung der #GoldenenKartoffel im November dieses Jahres. Die @NDMedienmacher warfen den Talks der ÖR u.a. klischeehafte Inhalte und eine diskriminierende Gästeauswahl vor. Die Talkshow-Macher bestritten das. Ich wollte wissen: Wer hat Recht?
Dazu habe ich neben Faktoren wie Geschlecht, Nationalität, Geburtsort, weiß/PoC und Ost/West auch ausgewertet, zu welchen Themen Leute eingeladen wurden: Durften z.B. türkeistämmige Menschen nur Fragen nach Erdoğans Außenpolitik oder auch zu Klima, Pflege oder GroKo beantworten?
Vorab die Basics: Zusammen kamen @annewill, @hartaberfair, @Maischberger und @maybritillner in diesem Jahr auf 135 Sen­dun­gen, 728 Gäs­te und rund 8800 Sendemi­nu­ten. Jede Menge Platz und Zeit also um der Vielfalt der deutschen Gesellschaft gerecht zu werden.
Zunächst nicht überraschend für dt. Talkshows: Die meisten Gäste waren Deutsche. Von 728 Gästen hatten 689 die deutsche Staatsbürgerschaft oder schon seit Langem ihren Lebensmittelpunkt in D. Auf 39 Gäste traf dies nicht zu. Das ergibt einen Ausländeranteil von 5,4 Prozent.
17x waren Gäste aus dem Vereinigten Königreich vertreten. Der Grund: die Masse an Brexit-Sendungen. 20 ausländische Gäste verteilen sich auf andere europ. Länder. 2 kamen aus den USA. Ausl. Gäste aus afrikanischen, südamerikanischen o asiatischen Ländern waren nicht vertreten.
Anschließend habe ich mir die Geburtsorte der dt. Gäste angeschaut: Hier zeigt sich ein Mangel an Diversität. Von 689 deutschen Gästen wurden nur 33 – also rund jeder zwanzigste - im Ausland geboren. Zum Vergleich: In der deutschen Gesamtbevölkerung ist es etwa jeder achte.
Auch auffällig: Menschen aus Ländern, die in den vergangenen Jahren im Fokus der Migrationsdebatte standen, sind kaum vertreten. Allein CDU-Politiker @n_roettgen brachte es auf mehr Auftritte (9) als alle Gäste aus Afrika, der Arabischen Welt und dem Iran zusammen (7).
Ein Auslöser für Diskriminierung sind Namen. Deshalb habe ich mir Vornamen der Gäste angeschaut: Von 728 Gästen der ÖR-Talkshows trugen 671 (92%) einen Vornamen, der als deutsch wahrgenommen wird. Nur 57 (8%) Gäste trugen einen Vornamen, der als ausländisch wahrgenommen wird.
Von 56 nicht-deutschen Vornamen auf den Gästelisten der ÖR-Talkshows gelten 15 als englisch, 13 als türkisch, 6 als arabisch oder persisch. Oder anschaulicher: Menschen mit Namen Peter begegnet man in deutschen Talkshows häufiger als allen Personen mit türkischen Namen zusammen.
Die beliebtesten Talkshow-Vornamen 2019:
1. Peter (14x)
2. Markus (13x)
3. Norbert, Michael (11x)
5. Annalena, Sahra/ Sarah, Stefan/ Stephan (10x)

32. Anthony (5x) häufigster Name, der nicht als dt. wahrgenommen wird

45. Cem (4x) häufigster „nicht-dt.“ Name unter dt. Gästen
Ich wollte wissen: Wie steht es um Dominanz jener Gruppe, die Preis der @NDMedienmacher Namen verliehen hat: "Kartoffeln". Zu entscheiden, ob Person als „weiß“ o „nicht-weiß“ wahrgenommen wird, war nicht immer einfach. Im Zweifel habe ich zu Gunsten d Talkshow-Macher entschieden.
Von 728 Personen, die 2019 in Talkshows der ÖR zu Gast waren, sind rund 7 Prozent (48 Personen) PoC oder nicht-weiß. Von diesen werden 14 als türkisch wahrgenommen, 9 iranisch, je 8 Personen asiatisch oder südeuropäisch und 6 arabisch. Nur 3 v 728 Gästen waren schwarz.
100 der 135 Talkshow-Sendungen im ÖR des Jahres 2019 waren ausschließlich mit weißen Gästen besetzt. Negativ-Rekord im Ausschluss von PoC stellte @hartaberfair auf. In 11 aufeinander folgenden Sendungen gab es ausschließlich weiße (55) und bis auf einen Briten nur deutsche Gäste.
Besonders auffällig war Fehlen von schwarzen Gästen: 7,5 Monate, 76 Sendungen und 405 Gäste vergingen bis in @Maischberger-Sendung vom 14. August mit Schauspieler Charles M. Huber der erste schwarze Mensch in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow des Jahrs 2019 zu sehen war.
Der Fall macht weiteres Problem deutlich: Auch Huber wurde nicht zu seiner Schauspielkarriere oder politischem Engagement befragt. Stattdessen sollte er rassistische und anti-afrikanische Aussagen eines Fußballfunktionärs kommentieren.
Solch stereotype Besetzung zeigte sich bei fast der Hälfte der nicht-weißen Gäste. 23 von 48 wurden zu Thema eingeladen, das mit Herkunftsland der Eltern, ihrer Religion o allgemein Integration/ Migration zu tun hat. Bei weißen Gästen war psnl Biographie fast nie Hauptthema.
Unterrepräsentiert waren auch Ostdeutsche (wenn auch weit weniger als PoC). Etwa 12% der deutschen Talkshow Gäste kamen aus dem Osten (vs. 17% Gesamtbevölkerung). Am besten schnitt @AnneWill ab (18,5% Ostdeutsche). Wieder Ganz hinten: @hartaberfair (6%).
Auch Frauen sind in den Talkshows von @annewill, @hartaberfair, @Maischberger und @maybritillner weiterhin unterrepräsentiert. In 135 Sendungen trafen 450 Männer auf 278 Frauen. Das macht einen Frauenanteil von 38,2 Prozent.
Hier gab es allerdings große Unterschiede zwischen den Talkshows. Wieder ganz vorn: @AnneWill mit 44,5% Frauenanteil. Schlusslicht einmal mehr: @hartaberfair. Hier war nur jeder dritte Gast weiblich (33%).
Erfreulich allerdings: 2019 gab es quasi kein All-Male-Panel in den Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen. (Sieht man von einer @maischberger-Sondersendung mit @sigmargabriel und Roland Koch ab. Dafür bekam @akk eine ganze Sendung für sich allein.)
Weitgehend unproblematisch war auch die Themenauswahl. Waren in letzten Jahren Kopftuch, Flüchtlinge usw noch Talkshow-Dauerbrenner, gab es in diesem Jahr kaum Sendungen, in denen Menschen mit ausländischen Wurzeln oder Muslime von vornherein als Problemfall dargestellt wurden.
Allenfalls zwei Sendungen zu arabischer Clamkriminalität lassen sich kritisch sehen. Positiv hingegen: Zu sechs Gelegenheiten wurde im Öffentlich-Rechtlichen über radikale Entwicklungen in der Mehrheitsgesellschaft wie rechte Gewalt, Antisemitismus und Rechtspopulismus getalkt.
Die beliebstesten Talkshow-Themen 2019:
1. Groko + Landtagswahlen (24x)
2. Klima- + Umweltpolitik (22x)
3. EU + internationale Politik (16)
4. Soziales (13x)
5. Brexit (12)
Ein positives Fazit also immerhin: Über PoC und Menschen mit Migrationserfahrung wurde bei @annewill, @hartaberfair, @Maischberger und @maybritillner im Jahr 2019 kaum noch diskutiert. Das negative Fazit: Mit ihnen leider auch kaum.
@annewill @hartaberfair @maischberger @maybritillner Die Gästeauswahl der ÖR-Talkshows war im Jahr 2019 vor allem ggü nicht-weißen Menschen tatsächlich stark diskriminierend und stereotyp. Die #GoldeneKartoffel haben sich @annewill, @hartaberfair, @Maischberger und @maybritillner mehr als verdient.
@annewill @hartaberfair @maischberger @maybritillner Die gesamte Analyse zur Diversität der öffentlich-rechtlichen Talkshows im Jahr 2019 mit vielen weiteren Zahlen, Differenzierungen und Erklärungen gibt es bei @bliqjournal.
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