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Eine kurze Studie visueller #Metapolitik kann zeigen, wie Bilderpolitiken und Politiken zusammenhängen. Der Bildakt, eine Analogie zum Sprechakt oder Schreibakt, evoziert etwas. Man spricht ihm eine handungsstiftende Wirkung nach. Die Zeichnung ist das durchgepauste Foto der
Fraktion der SPD im Reichstag 1914. Die Friedrich-Ebert-Stiftung entnimmt für Ihre Webseite "Blog Sozialdemokratie 1914" ihrem "Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung" das Foto (blog.sozialdemokratie1914.de/Archive/149). Leicht erkennbar sind – auf dem Foto – damals wie
heute prominente Köpfe Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann als Mitglieder des Parteivorstands sitzend in der erste Reihe, in der zweiten Reihe rechts Karl Liebknecht? Das Foto soll im Frühjahr 1914 entstanden sein, also kurz vor der Billigung der Kriegskredite, die den
den "Ersten Weltkrieg", in englischsprachigen Ländern den "Great War", ermöglichten. Fritz Fischer erläutert in seinem Buch _Griff nach der Weltmacht_ – im Gegensatz zu Christopher Clarks "Schlafwandlern" aller Nationen, die in diesen Krieg hineingeschlittert wären – die
expansionistischen Ziele des ökonomischen, politischen und militärischen Kriegs des deutschen Kaiserreichs. Foto und Kopie zeigen diese Ziele nicht, beide sind Artfekate im Kontext oder Diskurs um die Deutung von Geschichte.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung versucht mit dem Foto für die SPD kritisch an die Selbst-Darstellung der SPD vor dem Beginn der legalen industriellen Massentötung heranzugehen. Die Linie Noske-Ebert-Luxemburg, die man als "tödliche ties" (ties sind die personellen Verknüpfungen
in der Netzwerktheorie) erkennen könnte, sind unsichtbar. Sichtbar sind Gesichter, Körper in lockerer oder auch steifer Pose, auf vermutlich Podesten, welche die 86 abgebildeten Abgeordneten im Bild in Reihen ordnen.
Die SPD ist damals (mit eigentlich 110 Abgeordneten) stärkste Fraktion im Parlament, dem 13. Deutschen Reichstag, gewählt 1912. Bis 1918 sollte keine Wahl in Deustchland mehr stattfinden. Erst ab 1906 erhielten Abgeordnete Diäten. Viele der Abgebildeten sind erst seit
wenigen Jahren auch staatlich finanzierte professionelle Politiker. Es ist der verengte Blick (Blick als Sichtweise und Bildinformationsangebot) auf diese Riegen, der nicht darstellen kann, dass es vor 1914 bereits in zum Beispiel Bremen Sozialdemokraten gab, die gegen
Kriegsrüstung waren. Alfred Henke, Reichstagsbegeordneter für den Wahlkreis Bremen, steht vermutlich in der dritten Reihe hinter Scheidemann. In der Kopie der Striche ist er nicht zu erkennen. Die Kopie, löscht im Konterfei (frz. contrefait = nachgemacht, wörtlich
"gegengemacht") die Züge der Gesichter fast aus. Fast. Denn die Licht- und Schattenverhältnisse für die Fotografie von 1914 sind gut, die Gesichter gut erkennbar, der Tiefenschärfebereich ist durchgängig, aber die Position im Bild ist entscheidend.
Weiter vorne sitzen die höheren Hierarchien. Das Vorn-Hinten wurde in der repräsentativen Gruppenfotografie im Laufe der Jahre nicht geändert. Ein (veraltetes) Foto der SPD zeigt die "Parteispitzen" vorne (guelistan-yueksel.de/wp-content/upl…).
Die das Foto kopierende Zeichnung, eine Vorabversion, soll die Gesichter verabstrahieren, kann aber die Reihen nicht neu "mixen". Die innere Koordination des Vorbilds käme abhanden. Würde die Zeichnung die Positionen der Abgeordneten von 1914 im Bild ändern, in der Logik der
Repräsentation aber nach anderen Kriterien, etwa die einer antikapitalistischen, antikriegersichen politischen Repräsentation, wäre dies kein Eingriff in das Artefakt. Es wäre ein Remix. Und dieser würde einige Kenntnisse der innerparteilichen politischen Konstellationen
der SPD von 1914 voraussetzen – wenn man davon ausgeht, politische Repräsentation (Parlamentarismus) ginge auf materielle, ökonomische Bedingungen zurück, die im politischen lediglich gezeigt würden. Das Verständnis repräsentativer Demokratie müsste zur Diskussion gestellt
werden, um diesen Remix erklärbar zu machen. Repräsentation, Zeigevorgänge, sind in der Theorie der Metapolitik und der "demokratischen Ästhetik" wie der Ästhetik des autoritären Staates, des liberalen Staates, der Staatsästhetik wichtiges Topic.
Ohne Vorbild aber kein Remix. Die Binnenzeichen, kleine Merkmale, die an Details erkennbare "Bauart" des Remix, lässt erkennen, _dass_ es sich um einen Remix handelt. Nur im Kontrast mit dem Vorbild, lässt sich aber bestimmen,
· was der Phänotyp des Remix remixt
· wie er es technisch umformte, denn Remix ist Umformung und Dekontextualisierung
· wie weit der Remix aber noch auf den originären Kontext, aus dem sein Material stammt, rekurriert
· ob der Remix damit nicht auch den Kontext des Kontextes "remixt", also Diskurs herstellt,
einfach _indem_ er der Datenlage, den gegbenen Texten oder Bildern ein weiteres Artefakt hinzufügt. Breit ist diese Diskussion im HipHop bekannt (in der Granularsynthese der Synthesizer-Sampler nur noch bedingt und weitestgehend formell), aber lange auch in der Tradition
der Kopisten von Bildern. Die Subversion des ikonischen Remix, der Formierung von originären Bildern oder ihren ohnehin nur als Kopien und Reproduktionen vorhandenen Erscheinungsweisen in neue Bilder ist Grundmerkmal der Bilderpolitik. Aber die Gleichsetzung von Metapolitik mit
Bilderpolitik wäre vekürzend. Meta-Politik – meta. d.h. nach oder neben Politik – ist aber weniger eine "Politik ohne Politik", also nur Repräsentation von Politik, ihr Bild oder Trugbild, sondern eine Technik, die mit Kalkül vor allem präsentieren wirksam ist. Metapolitik und
Spektakel sind in einem Verhältnis zueinander praktische Sichtbarkeiten und Konsum produzierter politischer Prozesse. Spektakel, Metapolitik und Medien sind mit dem kulturellen Vorgang zusammen eine Politik, aber eine andere, als die materielle.
Präsentierend wirksam heißt, Metapolitik sagt nicht was real ist, sie sagt was real sein soll. Und dieser Wahrheitsdiskurs, der "falsch" gern in der Ästhetik im Gegensatz zum Wirklichen verortet wird, beschäftigt die Sageprozesse als Zeigeprozesse wiederum über das
Kontemplative hinaus als Tunsprozesse. Für den "staatsdistanzierten" Philosophen Alain Badiou wird Politik in seinem Buchtext _Metapolitik_ zu einem Wahrheitsprozess der Ereignisse zwischen der (öffiziösen) Politik und dem Staat. Und dieses ist die Metapolitik.
Jedenfalls für Badiou. Er schreibt von "lokaler Metonymie". Metonyme sind Echtzeichen von realen Abläufen. Sie sind keine Symbole, die etwas meinen. Sie repräsentieren nicht etwas, sie sind materieller Effekt von etwas. Badious marxistische Metapolitik ist direkt ausgerichtet
auf eine Maxime egalitärer Praxis, die letztlich nur lokal praktikabel ist. Dass die "Neue Rechte" solche lokale Politik der Metonyme für sich ebenso veranschlagt, zeigt, wie sehr der Diskurs von Politik hier im Diffenrenzverhältnis von Sagen und Tun steht.
Politisches handeln wird als Metonymie verstanden, als Form. Der Unterschied zur Rechten ist unübersehbar. Der voreilige (?) Schluss, neue Nazis würden demokratische Diskurse zerstören wollen, muss nachträglich betrachten, dass die politischen Ziele immer mit metapolitischen
Handlungsweisen oder besser in ihnen "formuliert" werden. Die Unterscheidung ins Politische des Großen und und das wirkliche politische Tun im lokalen ist schwierig. Präsentieren die Abgeordneten von 1914 im Foto ihre Macht im Reichstag und die damit symbolisch (!) verlinkten
lokalen Praktiken, ihre Wahlkreise? Wollten die Wähler in den Wahlkreisen aber metonymisch real, Krieg oder nicht? Ist das Foto und seine remixte Präsentationsfigur nur ein Akt unter vielen, politisch wirksam zu werden? Bindet dieser Fotoakt aus dem (vermutlich) Gebäude des
Reichstags in Berlin damals die offizösen Politiken des geplanten Krieges (siehe Fritz Fischer, alle Angaben siehe oben) oder die des linken Flügels der SPD, eben den Krieg abzulehnen? Präsentieren die Riegen eine einheitliche sozialdemokratische Politik, die sich bald spaltet?
Ist Metapolitik der falsche Begriff, wenn die Politik der lokalen Praxis doch gezeigt werden muss an Orten, die logischerweise nicht am Ort sind, an anderen (medialen) Stellen der Wahrnehmung?
Wenn Bilderpolitiken ebenso Politiken sind, gemeint ist _auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht_, und den "eigentlichen" politischen Prozess mit bestimmen, für Mehrheiten und Minderheiten in Entscheidungsfindungsprozessen, sind sie dann einfach auf einem Level wie die
Realpolitik angesiedelt? Die Rechte will auch die "Utopie einer anderen Gesellschaft", und sie weiß, die "läßt sich nicht in Buchstaben, sondern allenfalls in kulturellen Formen artikulieren", wie die autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe in den 1990ern schrieb. Wird hier ein
Kulturbegriff unterlegt, der den Begriff es Politischen ablöst oder das Politische erst anders sichtbar macht, weil Subversion als solche sich vor allem kulturell äußere, Subversion nur eine symbolische Form politischen Handelns darstellt?
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