Immer wieder gibt es einzelne Studien, die hohe Wellen schlagen in Presse und v.a. auf Twitter. Seltsamerweise bleiben die meisten Fachleute erstaunlich ruhigâ wieso?
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Ich möchte einfach mal als Zwischenruf âkurzâ ein paar Dinge zum Wesen der #Wissenschaft loswerden. Ein mal wieder lĂ€nger gewordener Thread mit ein paar Punkten, die man auĂerhalb des wissenschaftlichen Systems vermutlich nicht so ohne weiteres weiĂ und wahrnimmt.
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Der Schocker: Wissenschaft und insb. Wissenschaftler sind nicht unfehlbar! Daraus folgt unmittelbar, dass eine einzelne Studie nicht zwangslĂ€ufigâ bei den ganz groĂen Dinger sogar seltenstâ auf Anhieb ein ganz neues Konzept vollstĂ€ndig und korrekt erfassen und beschreiben.
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Ein paar Punkte:
1) Jede/r Wisssenschaftler/in ist gezwungen, möglichst viel und in möglichst hoch angesehenen Magazinen zu veröffentlichenâ das ist die einzig gĂŒltige WĂ€hrung im Wissenschaftssystem. Keine Karriere ohne entsprechende Publikationen. Der Druck ist also enorm!
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2) Wissenschaftl. Magazine sind Unternehmen und leben von âclicksâ, also der Aufmerksamkeit, die Artikel auf sich ziehen. Sowohl in der breiten Ăffentlichkeit (Werbung!) als auch in Fachkreisen (Zitierungen!). Und kontroverse Themen sind nunmal ein Garant fĂŒr Aufmerksamkeit!
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3) In gew. Weise eine Folge aus Punkt 2): Studien mit negativen Ergebnissen sind praktisch nicht veröffentlichbar, jedenfalls nicht in angesehenen Journals. Ein Paper â#SARSCoV2 kann T-Zellen nicht infizierenâ ist per se einfach keine Nachricht (jedenfalls nicht *bevor*âŠ
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âŠjemand die Sensation âSARS2 infiziert und tötet T-Zellenâ rausgehauen hat). Von daher hat man in veröffentlichten Studien immer einen Bias hin zu Effekten, ggf. klitzekleinen, die irgendwie unter irgendwelchen Bedingungen messbar waren. Die Relevanz bleibt da oft fraglich.
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4) Und jetzt zum richtig fetten Punkt âQualitĂ€t/VerlĂ€sslichkeit/Reproduzierbarkeit von Studienergebnissenâ.
Ja, um die QualitĂ€t zu sichern werden Studien vor Veröffentlichung von Fachleuten begutachtet (im âPeer-Reviewâ). Aber das ist in der RealitĂ€t fernab von perfekt!
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Man muss wissen: die gewissenhafte Begutachtung eines Manuskripts dauert etliche *Stunden*.
Ein KfZ- oder Bau-Gutachter hat einen Stundensatz von ~100⏠âŹïž.
FĂŒr ein fundiertes Gutachten einer wissenschaftlichen Studie, fĂŒr das nur promovierte,âŠ
âŠalso höchstausgebildete und spezialisierte Expert/innen in Frage kommen, belĂ€uft sich der Stundensatz auf exaktâ hier kann man tats. eine genaue Summe angeben, da das international vereinheitlicht wurde:
0,00 ⏠pro Stunde
= ânixâ, ânadaâ, âLuft und Liebe [vom Verlag]â
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Ja, wirklich: der peer-review-Prozess beruht vollkommen auf Freiwilligkeit, gutem Willen und KollegialitÀt (ich will ja auch, dass jemand meine Manuskripte begutachtet).
Auch wenn das keine Entschuldigung fĂŒr schlechte Gutachten sein darf, muss man sich das vor Augen halten.
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Der Anreiz, viele Stunden seiner ohnehin immer knappen Zeit fĂŒr ein Gutachten aufzuwenden, ist arg begrenzt. Und zu allem Ăberfluss sind die Editoren, also diejenigen Verantwortlichen, die letztlich darĂŒber entscheiden, ob eine Studie veröffentlich wird oder nicht,âŠ
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âŠhĂ€ufig selbst nur ehrenamtlich (âfĂŒr Ruhm und Ehreâ) und im Hauptberuf eigentlich Wissenschaftler. Unglaublich aber wahr! Und selbst wenn sie, wie zB bei @Nature, hauptamtliche Profis sind können sie seltenst den Inhalt eines Artikels in jedem Detail fachlich beurteilen.
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Darum, und bisweilen vielleicht auch aus âBequemlichkeitâ/Verantwortungsscheu, verlassen sich meist voll auf das Urteil der Gutachter (meistens 2 bis 3).
So kommt es durchaus und immer wieder zu Veröffentlichungen, die mitunter gravierende MÀngel aufweisen.
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Und selbst wenn die Gutachter nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet haben, kann man nicht erwarten, dass sie jeden technischen Aspekt beurteilen können âŹïž.
Zu einem gewissen MaĂe gehört es also schlicht dazu in der Wissenschaft, dass auch publizierte DatenâŠ
âŠfĂŒr sich alleine genommen nie ungeprĂŒft und -hinterfragt hingenommen werden sollten. Nur durch die Einordnung in den Kontext anderer, Ă€hnlicher Studien kristallisiert sich im Lauf der Zeit eine bestmögliche AnnĂ€herung an âdie Wahrheitâ heraus. Dieser Prozess istâŠ
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âŠdie öfter beschriebene und auch diskutierte âKonsensbildungâ in der Wissenschaft. Ohne diesen Konsens (der auch das unabhĂ€ngige Reproduzieren der Ergebnisse beinhaltet) ist eine âwissenschaftliche Erkenntnisâ einfach nicht sehr belastbar.
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Darum ist es eben so wichtig, auch bei eindeutig klingenden Studienergebnissen die fachliche Einordnung durch mehrere Experten abzuwarten bevor man in Ekstase oder Panik verfĂ€llt. Im Bezug auf die eingangs zitierten Beispiele hier jetzt noch ein paar gute Links zu ebensolchen âŹïž
Und letztlich noch ein Video von @maithi_nk zum Thema, dass auch Wissenschaft/ler/innen irrenâ und zwar stĂ€ndig, und dass das zum gesunden Prozess der Wissenschaft dazugehört:
Und jetzt noch einerâ @friedemann1 musste mir auf die SprĂŒnge helfen, den Tweet zu finden. Sehr guter und interessanter Artikel ĂŒber das Prinzip der wissenschaftlichen Konsensfindungâ bei grĂŒner Gentechnik, Klimawandel wie auch COVID relevant:
Das System, insb bezogen auf das Veröffentlichungswesen, sowie die Beurteilung von Wissenschaft/lern rein nach Performance-Zahlen, hat seine Schattenseiten. Andererseits gehört es zum Kern der Wissenschaft, dass auch âsteile HyothesenââŠ
âŠaufgestellt, mit geeigneten (möglicherweise [noch] unausgereiften) Methoden getestet und in Form von Publikationen mit Kollegen geteilt werden können und sollen. Der anschlieĂende (bisweilen schmerzhafte) Diskurs gehört dazu, ist wichtig und Kernbestandteil des Fortschritts!
âą âą âą
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Eigentlich hatte ich nicht vor, in die ganze #lableak-Diskussion einzusteigenâ ist auch gar nicht mein Forschungsfeld, aber das ist es von fast keinem der aktivsten Diskutanten đ
Ich möchte v.a. ein paar Dinge gerade rĂŒcken, die hĂ€ufig durcheinander gewĂŒrfelt werden.
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ZunĂ€chst: #SARSCoV2 ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein neues Virus, d.h. eines, das vor ein paar Jahren in der Form noch nicht existierte, auch nicht in Tieren. Ăhnlich sicher ist: es stammt von einem #Coronavirus aus FledermĂ€usen ab. Es ist ebenfalls⊠2/n
âŠklar, dass diese #SARS-Ă€hnlichen Viren aus FledermĂ€usen erschreckend wenig genetische VerĂ€nderungen benötigen, um Menschen zu infizieren (siehe âSARS1â aus 2003, oder auchâ wenngleich kein engster SARS-Verwandterâ MERS aus 2012).
Die Zukunft der #Corona/#COVID19-#Impfung, ziemlich sicher! Die aktuelle #mRNA Impfung wird in den Muskel (Oberarm) gespritzt und fĂŒhrt zu sehr guten Antikörpern und auch T-Zellenâ nur leider nicht unbedingt dort, wo man sie am dringendsten brĂ€uchte: in den Atemwegen!
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Stattdessen bilden sich in erster Linie sog. IgG-Antikörper, die v.a. im Blut zirkulieren und fast gar nicht in die Schleimhaut der oberen Atemwege gelangen. Und auch die gebildeten T-Zellen zirkulieren im Körper, aber sind nicht sonderlich angereichert in der Schleimhaut.
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Dadurch kann nun zwar gut verhindert werden, dass das Virus (#SARSCoV2) sich im Körper ausbreitet und schwerere Krankheit auslöst. Aber der erste Schrittâ das die erste Infektion in der Nasenschleimhautâ kann damit nur unzureichend verhindert werden. Darum kommt es auchâŠ
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Und jetzt, wo ich eben den wichtigen Thread von @Fischblog retweetete, hier ein spannender Thread von Akiko Iwasaki zu einem möglichen Mechanismus hinter #longCOVID. Die Autoren verwendeten ein Maus-Modell, bei dem *nur* die Lunge von #SARSCoV2 infiziert werden kann. 1/
Damit schlieĂen sie die Möglichkeit aus, dass es direkt im Hirn oder irgendwo anders im Körper zu einer persistenten/chronischen Infektion kommt. Dennoch beobachteten sie bei den MĂ€usen klare Zeichen von neurologischen Defiziten, inkl. histologischer Auswirkungen im đ§ .
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FĂŒr Experten: Mikroglia waren ĂŒberaktiviert, was (KausalitĂ€t wahrscheinlich) zu einer UnterdrĂŒckung der Neurogenese im Hippocampus fĂŒhrte (Neuroblastenâ).
FĂŒr alle: es wurden VerĂ€nderungen beobachtet, die GedĂ€chtnisprobleme und den sog. âbrain fogâ (mit-)erklĂ€ren können. 3/
Aktuell ĂŒberall zu lesen: #Omikron scheint in der Tat milder zu sein, zumindest in Geimpften (und Genesenen?)! Mehrere Studien zeigen (ganz grob) eine halbierte Wahrscheinlichkeit mit #COVID19 ins Krankenhaus zu kommen bei Omikron im Vergleich zu #Delta & Co.
2) Ja, es wurde hier getrennt nach Alter, Geschlecht, etc. verglichen! Der Effekt ist, nach allem, was man momentan sagen kann, wirklich auf die Variante (#Omikron) zurĂŒckzufĂŒhren.
3) Die meisten Daten schauen nur auf 2x Geimpfteâ ob und wieviel milder OmikronâŠ
Erstaunlich, wieviele Menschen sich mit den verschiedenen Arten von Impfstoffen auseinandersetzenâ vor #Corona/#COVID19 konnte ich damit selbst Bio-Studenten kaum begeistern!?
Weil Lebendimpfstoffe (LIS) vermehrungsfĂ€hige Erreger enthalten, die aber so abgeschwĂ€cht wurden, dass sie keine Krankheit mehr auslösen können. AuĂer: in ImmungeschwĂ€chten, da kann es problematisch werden! Darum muss man bei LIS, auch wenn hochwirkungsvoll, vorsichtig sein!
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FĂŒr alle, denen #mRNA- oder Vektorimpfstoffe suspekt sind: die đȘđșEMA hat den #COVID19-Impfstoff von #Novavax fĂŒr die Zulassung empfohlen (= quasi die EU-weite Zulassung)! Das ist der Impfstoff, der einem klassischen â#Totimpfstoffâ bislang am nĂ€chsten kommt!
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Ich sage aber auch nochmal, dass ich (wie praktisch alle Fachleute) die mRNA-Impfstoffe sowohl als sicher als auch als hochwirkungsvoll ansehe! Die Art & Weise, wie bei denen dem Immunsystem das Spike-Protein prĂ€sentiert wird, ist viel effektiver als bei einem âTotimpfstoffâ!
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Zudem weise ich darauf hin, dass ganz streng genommen auch die mRNA- und Vektorimpfstoffe âtotâ sind, da keinerlei vermehrungsfĂ€hige Komponenten enthalten sind. Echte âLebendimpfstoffeâ funktionieren zwar im Prinzip Ă€hnlich wie mRNA, aber eben mittels tatsĂ€chlich lebender Viren!