1. Lesenswert: Interview mit der scheidenden #BVerfG-Richterin Susanne Baer (@rechtreal). Sie hielt die Tischrede beim „Kanzlerdinner“ zu „Entscheidungen unter Unsicherheiten“.
2. Auf S. 4 geht es um die #Corona-Zeit mit einem bemerkenswerten Satz: „Die Corona-Pandemie war für mich als Bürgerin natürlich genauso belastend wie für andere Bürgerinnen.“
3. Der Satz ist natürlich von hinten bis vorne falsch: Gesichertes Einkommen, keine Kinder, #HomeOffice möglich. Eine Realitätsblindheit, die man in der #Corona-Zeit bei den Gerichten oft erlebte.
4. Belastend war für Baer nicht d Verantwortung f Ausgangssperren u geschlossene Schulen, sondern die viele Arbeit: „Als Verfassungsrichterin war das eine extrem belastende Zeit, weil wir unglaublich viele Verfahren hatten und ich selten so viel gearbeitet habe wie in der Zeit.“
5. Kritik an den Entscheidungen der #BVerfG macht Baer auch nicht im Nachhinein nachdenklich. Vielmehr beklagt sie sich, die Kritik sei „teilweise auch sozusagen populistisch gezielt gefördert worden“. Dies habe sie (wehleidig!) „betroffen gemacht“.
6. Bemerkenswert auch: „Deswegen haben wir da, fand ich, gearbeitet wie Hölle, um dem gerecht zu werden, und haben sehr streitig diskutiert. Wir waren uns überhaupt nicht einig im Senat, ob wir das alles so richtig finden oder nicht richtig finden.“
7. Wenn man sich „überhaupt nicht einig war“, warum gab es eigentlich keine Sondervoten? Warum diese Mutlosigkeit der Senatsminderheit? Auch an einem Gericht darf man Zivilcourage und den Mut zur Mindermeinung erwarten.
8. Bemerkenswert auch, dass Baer kein juristisches Argument benutzt, weder von Grundrechten noch von Verhältnismäßigkeit ist die Rede. Stattdessen: „Karlsruhe ersetzt nicht die Politik und kann nicht mal - zack über den Daumen - irgendwie dies und das und jenes klären.“
9. Kritik am #BVerfG wird laut Baer in Karlsruhe sehr genau wahrgenommen: „Wir kriegen als Richter und Richterinnen jeden Tag einen Pressespiegel auf den Tisch und lesen diese ganze Kritik. Das ist nicht immer nett, und das erfreut einen auch nicht immer.“
10. Zur Kritik an #Harbarth fällt Baer dann aber nur der „Sound“ ein, der sie stört. Die „Verfassungsgerichtsbarkeit“ werde in aller Welt „stark angeschossen“: „Das reicht von den USA über Brasilien bis in die europäischen Mitgliedstaaten Ungarn, Polen, Rumänien und so weiter.“
11. Erstaunlich dann auch: „Das ist brandgefährlich, denn Verfassungsgerichte sind am Ende die einzigen Institutionen, die an die Leitplanken erinnern, die eine Verfassung setzt. Und wenn es diese Institutionen nicht mehr gibt, können Mehrheiten machen, was sie wollen.“
12. Baer ist nicht bewusst, dass man dem #BVerfG ja gerade den Verzicht auf #Corona-„Leitplanken“ vorwarf und dass man durchaus sagen kann, dass (politische) Mehrheiten „machen“ konnten, „was sie wollten“, weil Karlsruhe keine Grenzen setzte.
13. Karlsruhe wirkt in dem Interview wie eine Wagenburg, die sich als „Institution“ Angriffen ausgesetzt sieht und aus Sorge vor „Populismus“ nur hinter verschlossenen Türen streitet.
14. Dass die #Grundrechte der Bürger seit 1949 nie so sehr eingeschränkt waren wie zur #Corona-Zeit, scheint Baer weniger besorgt zu haben als der aus ihrer Sicht gelegentlich fehlende Respekt vor dem Gericht./
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1. Im Gespräch mit Prof. Dr. Arnd Diringer will Max Adamek wissen, wie das Arbeitsrecht mit politisch motivierten Kündigungen umgeht und welche Grenzen die Gerichte „cancelnden“ Arbeitgebern aufstellen. Auch geht es um die s.g. „Hassrede“.
2. Im Gespräch stellen Diringer und Adamek fest, dass der Diskurs auf Online-Plattformen auch aus Angst vor Kündigungen teilweise eingeschlafen ist und Nutzer lediglich noch „Liken“, teilen und „Emojis“ verwendeten, um am Meinungsaustausch teilzunehmen.
3. Wie diese Ausdrucksformen zu interpretieren und rechtlich zu bewerten sind, stellt sich als überaus diffizil dar. Diringer erläutert die Unterschiede, welche auch Arbeitsrichter offenbar damit haben, „Likes“, Emojis, Reactions und Weiterleitungen richtig einzuordnen.
1. Keine Demokratie ohne Vertrauen. Kein Vertrauen ohne Transparenz. Hieran haben sich Parlamentarier, Verwaltungen, Ministerien in einem langen Prozess gewöhnen müssen. Die Justiz hat gewaltigen Nachholbedarf. Dies gilt ganz besonders für die Bundesgerichte. @juristentag
2. Die Bundesgerichte - BGH, BVerwG, BFH, BSG und BAG - haben eine herausragende Verantwortung f d Anwendung u Fortbildung d Rechts. Ihre Entscheidungen sind oft für Jahrzehnte wegweisend für die Instanzgerichte. Besonders hohes Gewicht hat das Wort d BVerfG als Verfassungsorgan.
3. Bundesrichter und das BVerfG erwarten derzeit noch, dass man ihnen blind vertraut. Die Wahl der Richterinnen wird in den Hinterzimmern von Richterwahlausschüssen und Parlamenten abgestimmt. Streng geheim und abgeschirmt von den Augen der Öffentlichkeit.
2. Der Antrag lautete: „Der Deutsche Juristentag fordert zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Justiz die sinngemäße Erstreckung des Lobbyregistergesetzes auf die Justiz einschließlich des Bundesverfassungsgerichts.
3. „Das beinhaltet die Offenlegung der Gutachten für akademische Titel, um verdeckte Dritteinflüsse zu verhindern.“
1. Bei aller berechtigten Freude der Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler über das heutige Urteil des #EuGH zur #Vorratsdatenspeicherung: #VDS bleibt weiter möglich.
2. Dies gilt jedenfalls für die anlasslose Speicherung von IP-Adressen zur Verfolgung und Verhinderung schwerer Straftaten, insbesondere auch im Zusammenhang mit #Kinderpornograhie und #Kindesmissbrauch. Rn. 100 und 101 des #EuGH-Urteils sind besonders lesenswert.
@m_kubiciel@PinG_Journal 1. Michael Kubiciel unterhält sich mit Max Adamek und mir über die Strafrechtspolitik der „Ampel“, die sich deutlich von der Politik der (schwarz-roten) Vorgängerregierungen unterscheidet.
@m_kubiciel@PinG_Journal 2. Insbesondere in der Amtszeit des Bundesjustizministers Heiko Maas (2013 bis 2017) wurden immer wieder neue Strafnormen geschaffen, bestehende Straftatbestände verschärft und „Strafbarkeitslücken“ geschlossen. Dies begründete man gerne mit der Symbolkraft von Strafgesetzen.
2. Ob die Karlsruher Entscheidung im Ergebnis überzeugt oder nicht, sei einmal dahingestellt. Es gibt jedenfalls erneut zwei Auffälligkeiten:
3. Erstens: Keine roten Linien. Der Entscheidung ist an keiner Stelle zu entnehmen, wie weit der Gesetzgeber bei Impfpflichten gehen darf. Damit lässt Karlsruhe letztlich auch die Politik im Stich.