Wenn (ehemaligen) Drogenkonsumenten der Vorwurf der Drogenverherrlichung gemacht wird und gesagt wird das wäre nicht okay, sobald ihre Erfahrungsberichte einmal nicht überwiegend negativ sind, dann ist das eine Form von Stigmatisierung:
"Klar darfst du über dein Leben erzählen, aber bitte nicht so, dass es die Kinder (denkt denn niemand an die Kinder?) auf dumme Ideen bringt"
Marlene Mortler gefällt das.
Aber reden wir doch mal über echte Risikofaktoren für Drogenabhängigkeit. Fangen wir mal mit dem ganz einfachen an: Alkohol. Risikofaktoren: in Deutschland geboren sein. Armut. Perspektivlosigkeit. Depression. Der Irrglaube das eine Bier am Tag sei harmlos.
Praktischerweise übrigens eine völlig legale Droge. Und die beliebteste Einstiegsdroge überhaupt.
Na gut, nehmen wir eine illegale als nächstes: Cannabis. Risikofaktoren für körperliche Abhängigkeit... äh... ernsthaft?! Nein. Psychische Abhängigkeit? Da gibt es schon ein paar...
Na gut, nehmen wir eine illegale als nächstes: Cannabis. Risikofaktoren für körperliche Abhängigkeit... äh... ernsthaft?! Nein. Psychische Abhängigkeit? Da gibt es schon ein paar...
... aber die sind relativ. Soziale Isolation ist einer, mit Sicherheit, weil das ein genereller Risikofaktor für Drogenabhängigkeit ist. Unbehandeltes ADHS ist einer, obwohl man sich darüber streiten kann, ob permanente Selbstmedikation wirklich eine "Drogenabhängigkeit" ist...
... und das ist übrigens eine gute Überleitung zur nächsten Stoffgruppe: Phenylethylamine - dazu gehört zum Beispiel Amphetamin. "Risikofaktor" unbehandeltes ADHS ist hier ziemlich hoch anzusiedeln, auch wieder: Selbstmedikation. Ausserdem Stress. Und natürlich wieder: soziale...
... Probleme. Das heisst übrigens nicht "die falschen Freunde", sondern "zu wenig oder keine echten Freunde, kein familiärer Rückhalt". Und sowas wie finanzielle Probleme. Nur ist diesmal die Abhängigkeit oft (nicht immer!) sehr wohl schon körperlich...
... und bei der nächsten "Steigerung", Kokain, kann man fast alles so übernehmen, nur dass die körperliche Abhängigkeit nochmal wahrscheinlicher wird - und weiterhin bleiben übrigens die Sozialfaktoren einer der grössten Entscheider, ob aus dem Konsumenten ein Süchtiger wird...
... aber zum Glück gilt das nicht für alle Drogen: bei LSD sind die Sozialfaktoren für das Abhängigkeitsrisiko praktisch egal - niemand wird LSD-süchtig. Ehrlich nicht. Obwohl es falls es zu einem Absturz kommt ganz sicher gut ist Leute zu haben denen man vertrauen kann.
Das mit der Selbstmedikation bei ADHS hatten wir ja schon ein paarmal. Da liegt ein neurochemisches Ungleichgewicht vor, und der Betroffene sucht unweigerlich nach etwas, was damit hilft. Mal ist es Nikotin, mal ist es Speed oder Gras, oft eine Mischung...
... und wenn die Ergebnisse auch längst nicht so gut sind wie eine ordentliche medikamentöse Einstellung kann das funktionieren. Es bleiben natürlich die üblichen Risiken illegaler Drogen: Streckmittel, Qualitätsschwankungen und dergleichen. Dennoch: das ist noch irgendwie...
... zielführend verwendbar. Was die Drogenprohibition dagegen komplett kaputt macht ist das therapeutische Potenzial einiger Drogen, die hervorragend in Verbindung mit Psychotherapie zu nutzen sein könnten - Beispiele hier: MDMA oder LSD. Hier ist auch mit Selbstmedikation...
... weit weniger zu erreichen (obwohl sich da bei LSD die Geister dran scheiden), denn es fehlt halt der Therapeut. Die Forschung dazu ist zwar nicht ganz inexistent, stagniert aber doch in weiten Teilen seit Jahrzehnten aufgrund des Stigmas und der rechtlichen Schwierigkeiten.
Und das ist der nächste Punkt: die Stigmatisierung, die als Waffe im "Krieg gegen die Drogen" verwendet wird schadet nicht nur den Konsumenten, die als schlechtes Beispiel leider aus der Gesellschaft ausgegrenzt und möglichst kaputt sein müssen, es schadet auch z.B. ...
... Traumapatienten, denen Optionen für bessere Behandlungsmöglichkeiten vorenthalten bleiben, weil die Forschung daran einfach ein zu hohes persönliches Risiko bedeutet und wie gesagt oft auch an den rechtlichen Hürden scheitert...
... und das gibt uns zugleich aber einen Punkt, an dem wir als Gesellschaft etwas tun können, auch jenseits der Politik: wir können aufhören auszugrenzen. Wir können zuhören wenn (ehemalige) Konsumenten über ihre Erfahrungen berichten. Wir können ihnen glauben, dass sie sich...
... die positiven Auswirkungen nicht einfach nur eingebildet haben um ihre Sucht zu rechtfertigen (jaja, gibt immer Fälle wo ganz bestimmt... aber das ist unterm Strich, ganz ehrlich, ziemlich scheissegal. Zuhören und ernst nehmen ist trotzdem toll). Und aufhören ihnen ...
... einen Strick daraus zu drehen, wenn sie über diese oder jene Droge eben überwiegend positiv berichten, weil sie darin (subjektiv zumindest) mehr bekommen als verloren haben. Eigentlich ganz einfach, oder?
