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Wie ich als junge Frau mit großem Kinderwunsch ganz knapp doch nicht meinen Traum vom Schreiben aufgab und Lehrerin wurde.

Ein Thread.
Ich wollte immer schon vom Schreiben leben. Ob als Buchautorin oder Journalistin, darüber war ich mir lange nicht ganz klar, doch dass Schreiben mein Traumberuf wäre, dafür gab es für mich nie einen Zweifel.

Genauso klar war es für mich immer, dass ich Mutter werden möchte.
In dem Umfeld, in dem ich mich als Jugendliche bewegte (fürs Protokoll: Baden-Württemberg, ländlicher Raum, 90er Jahre), war es völlig normal, dass Mädchen ihre Berufsvorstellungen eng an ihre Familienplanung knüpften. Ziel war, einen guten, kinderfreundlichen Job zu finden.
Eine, die gerne Ärztin geworden wäre, entschied sich nach der Berufsberatung, pharmazeutisch technische Assistentin zu werden, das könne man besser in Teilzeit machen.

Eine, die gerne Sportmedizinerin geworden wäre, wurde Physiotherapeutin.

Ich sollte Lehrerin werden.
Traum für Traum, Ziel für Ziel wurden eingestampft oder zumindest eingedampft, bis der angestrebte Job zur angestrebten Mutterrolle passte.

Nur die, die ganz sicher keine Kinder wollten, konnten Richterinnen werden oder Ingenieurinnen.
Anfangs wehrte ich mich gegen diesen Druck. Selbstbewusst schrieb ich mich für ein geisteswissenschaftliches Studium ein, explizit nicht auf Lehramt, sondern auf Magister. Ich wollte ja nicht unterrichten, sondern schreiben.
Ich liebte mein Studium. Und stellte gleichzeitig fest, dass ich mit meinem großen Traum vom Schreiben nicht alleine war. Wie wahrscheinlich war es, später einmal wirklich zu den wenigen zu zählen, die vom Schreiben leben können?
In der ZEIT war gerade ein Artikel über die armen Poeten von heute erschienen, über Schriftsteller, die trotz Literaturpreisen kaum ihre Miete bezahlen können. Berichte wie diese nährten nicht nur meine eigenen Ängste, sondern vor allem auch die meines Umfelds.
Meine Eltern - beide Lehrer - plädierten dafür, die vielfältigen Vorteile ihres Berufs zu bedenken. Sie wollten nicht, dass ihr Kind später in Armut lebt. Sie wünschten mir wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit.

Meine Schwiegereltern - beide Lehrer - sahen das genauso.
Ich wollte keine Lehrerin werden. Nie. Das wusste ich in der Berufsberatung in der 11. Klasse, und das wusste ich jetzt, als meine Eltern und meine Schwiegereltern eindringlich auf mich einwirkten, diesem vernünftigen Job doch zumindest eine Chance zu geben.
Mein Kinderwunsch war meine Achillesferse. Die Angst, meinem Traum vom Schreiben meinen Traum von Familie zu opfern, ließ mich einknicken. Ich nahm ein Zweitstudium auf: Deutsch und Englisch auf Lehramt.
Den Kindern zuliebe, die es noch gar nicht gab.
Didaktik-Vorlesungen, Pädagogik-Seminare, Schulpraktika: Das alles war neben meinem regulären Erststudium kaum zu stemmen. Doch ich zwang mich dazu, durchzuhalten, für die Babys, die ich einmal bekommen wollte.
Für den zukünftigen Vater dieser Babys hatte unsere Familienplanung unterdessen keinerlei Relevanz für seine Studiums- und Karriereplanung. Er war auch nie in der Berufsberatung danach gefragt worden, ob er mal Kinder will. Für ihn hatte das eine mit dem anderen nichts zu tun.
Und weder seine noch meine Familie rieten ihm je dazu, Lehrer zu werden wegen der Kinder, die wir mal haben würden.
Das Lehramt-Studium war immer nur mein Backup-Plan, die vernünftige Alternative zu meinem eigentlichen Ziel. Doch das Backup fraß immer mehr der Energie, die ich für das brauchte, was ich eigentlich tun wollte.
Ich konnte nicht schreiben, während ich Unterricht vorbereitete.

Ich konnte keine journalistischen Praktika absolvieren, während ich aufs Latinum lernte.

Vor allem aber konnte mir irgendwann selbst nicht mehr glauben, dass ich noch an den Traum vom Schreiben glaubte.
Und dann wurde ich kurz vorm Examen schwanger. Und musste mich entscheiden: Welchen Weg gehe ich nun weiter? Zwei Uni-Abschlüsse zu machen war für mich plötzlich keine Option mehr. Ich wollte Klarheit, für mich und für das ungeborene Kind in meinem Bauch.
Die Argumente für ein Leben als Lehrerin waren so schlagkräftig wie nie:
Die finanzielle Sicherheit. Die faktische Einstellungsgarantie. Die Verbeamtung und all die Privilegien, die mit ihr einher gehen. Die Möglichkeit, jederzeit Stunden reduzieren und aufstocken zu können.
Und gleichzeitig war da dieses Gefühl:
Ich kann doch nicht meinen Traum begraben, bevor ich auch nur versucht habe, ihn zu leben. Ich kann doch nicht aus Angst vor dem Scheitern klein bei geben.
Und auf einmal war mein Weg klar. In meiner Schwangerschaft machte ich mein erstes journalistisches Praktikum, das mir den Weg in meinen Beruf ebnete. Ein Jahr nach der Geburt schloss ich mein Magister-Studium ab und machte mich als Journalistin und Autorin selbstständig.
Seitdem habe ich immer geschrieben: für Zeitschriften und Magazine, Buch- und Hörbuchverlage, und manchmal auch einfach nur für mich. Ich habe viel gearbeitet, und meine Arbeit trotzdem oft kaum als Arbeit empfunden, weil sie mir so viel Freude macht.
Ich habe mein Thema gefunden, und meine Stimme. Und meine Kinder standen dieser Entwicklung nie im Weg, sondern haben sie befeuert und unterstützt.
Jetzt, im Rückblick, wäre es natürlich leicht, zu sagen: Soll eben jeder seinen Traum leben, bei mir hat es ja auch geklappt. Doch die Wahrheit ist: Ich konnte damals vor 12 Jahren alles auf eine Karte setzen, weil ich bestimmte Privilegien hatte und habe.
Ich wusste, dass ich nicht besonders tief fallen kann.
Ich war nicht allein.
Und ich hatte so viel Unterstützung und Bildung im Gepäck, dass ich unterwegs immer noch ziemlich schadlos hätte umkehren können, wäre mein Traum vom Autorinnenleben zerplatzt.
Doch all diesen Privilegien zum Trotz: Den Mut, zu springen, den musste ich selbst aufbringen. Ich musste mir zutrauen, etwas zu können, was viele wollen und längst nicht alle schaffen.
Deshalb ist es mir so wichtig, meinen Töchtern zu vermitteln: Wenn Ihr Kinder haben wollt, stutzt nicht Eure beruflichen Träume zurecht, sondern findet eine Leidenschaft - und einen Menschen, mit dem ihr eine Familie gründen könnt, ohne Euch selbst und Eure Karrieren aufzugeben.
Denn ich bin überzeugt: Jeder Job, der glücklich macht, ist familienfreundlicher als ein Kompromiss, den wir eingegangen sind, weil uns ein Leben lang von allen Seiten suggeriert wurde, als Frauen könnten wir eben nicht beides haben: Kinder und einen richtig tollen Beruf.
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