Thread by @leben_wie

Also #AusGruenden hier mal ein Tweet was ich mir als Betroffene von Depressionen so von meinen Zugehörigen und engeren Umfeld im Umgang mit mir so wünsche. Andere Betroffene sind herzlich eingeladen sich anzuschließen. Können mir gerne auch ne PN. #Notjustsad

Wir machen mal die Startaufstellung, damit ihr euch ungefähr vorstellen könnt, wie sich eine Depression so anfühlt. Den Großteil meiner Krankheit verbringe ich damit Bilder für meinen Zustand zu finden. Also beginnen wir dass wir an jeden Fuß einen Hundert Kilo Betonklotz

anbringen. Ok gut von jetzt an wird alles was du tun willst schwerer weil du diesen Klotz am Bein hast. Dazu gibts den Liebeskummer aus deiner schlimmsten Trennung, damit das emotionale Setting stimmt und wir nehmen noch ein Schreibaby was dich seit 4 Wochen nicht länger als ne

Stunde schlafen lässt, damit dein Energielevel auch mal in die Richtung totes Fleisch (Tofu) rutscht. Heißt für dich du fühlst dich elend, verzichtest auf Mahlzeiten weil du es nicht schaffst die Küche zu betreten, deine Bude schmoddert ein und Duschen ist ungefähr Olympia.

Was ich mir zu allererst von euch Wünsche ist Verständnis. Ihr könnt euch das nicht vorstellen, wenn ihr es nicht erlebt hat und ich wünsche mir auch nicht, dass ihr das je erlebt. Dazu ne ordentliche Portion Frustrationstoleranz. Es kann sein, dass ich Pläne kurz vorher absage

weil mir einfach die Energie fehlt. Wenn ich schon mit euch rede, dann hört mir bitte auch zu und antwortet nicht mit so Allgemeinplätzen wie "Das ist das Wetter." oder "Steuererklärung macht niemand gerne" (Betonklotz plus Schreibaby). Bitte macht euch mal klar, welche Leistung

das ist so durch einen Tag zu kommen, geschweige denn mehr zu tun, als auf einer Couch zu liegen und Fernsehen zu schauen. Haltet aus, wenn ich euch sage, dass es mir schlecht geht. Nehmt das Ernst und drückt euer Mitgefühl aus. Ja es wird mir deutlich öfter schlecht gehen.

Ja das ist mein normal und es wird wenn ihr mit uns zusammen lebt, auch ein Stück weit euer normal. Das ist mit Angst, Wut und ner Menge Frustration gekoppelt und es muss kein besonderer Anlass für irgendwas da sein. Die Depression an sich reicht schon. Behörden, Ärzte etc tun

ihr übriges dazu. Das ganze braucht ungeheuer Zeit und Energie und jeder Mini-Fortschritt ist von mir hart erkämpft. Wenn ihr Ängste und Sorgen habt, dann fragt mich bitte, statt euch irgend etwas in eurem Kopf zusammen zu spinnen. Das macht das Leben für uns beide einfacher.

Informiert euch über die Krankheit und tauscht euch gerne mit anderen Angehörigen aus. Ihr müsst meinen Zustand nicht verstecken und ihr müsst den nicht dritten gegenüber rechtfertigen. Im Zweifel bin ich krank.
Achtet bitte auf euch und eure Grenzen, ich möchte nicht, dass ihr

selbst krank werdet.
Lebt damit, mal länger nichts von mir zu hören, aber meldet euch gerne. Akzeptiert dann auch, wenn ich gerade nicht reden mag.
Krankheit, Gesund werden/ Heilung und das Management drum herum sind verdammt anstrengend. Bitte seid nicht neidisch darauf,

das ich den ganzen Tag zu Hause bin und Zeit habe. Das ist schlimmer als jeder Job denn es geht 24/ 7 und das ohne Urlaub. Oder das ich mich Nachmittags für eine Pause hinlege. Hey wenn ich davor ein belegtes Brot gegessen habe ist das schon verdammt gut.

Geduscht, angezogen und mit geputzten Zähnen zu Hause zu sein ist ein Achievement.
Begleitet uns, wenn wir um Begleitung bitten und bietet Begleitung an, wenn ihr das Gefühl habt, wir haben Angst vor einem Termin.
Wir müssen uns nicht vor euch rechtfertigen. Geht bitte davon aus

das wir uns anstrengen und tun was wir können, um wieder gesund zu werden. Wir wollen uns nämlich auch nicht so fühlen.
Selbst wenn es uns schon eine Zeit lang deutlich besser geht, können wir Abstürze erleben. Auch das gehört zur Krankheit.
Bitte lasst mir die Kompetenz eigene

Entscheidungen zu treffen. Wenn ihr die nicht nachvollziehen könnt, sprecht mit uns, aber die Entscheidung treffen wir (sofern wir es können). Geht davon aus, dass wir dabei sorgfältig sind.
Macht es nicht zum Tabu mit euch über Ängste und Suizidgedanken zu sprechen.

Gedanken sind weder Handlungen noch Suizidversuche. Wenn ich euch nicht sagen kann, dass es mir schlecht geht, werde ich mich nicht mehr euch ggü mitteilen.
Vertraut uns und vertraut unseren Ärzten. Dazu gehört es auch uns zu glauben, wenn wir sagen wir werden uns nicht umbringen

Seid euch klar, dass die Verantwortung für mein Leben bei mir liegt.
Seht ihr Gefahr für Leib und Leben, dann gehören wir in die Klinik oder zu einem Arzt. Leitet das ein, aber nicht über meinen Kopf hinweg.
Helft uns, die Hilfe zu bekommen die wir benötigen. Es kann sein, dass

ich dich nicht um Hilfe fragen kann, dann mach gerne einen Vorschlag. Es kann z.B. hilfreich sein Therapeuten anzurufen und zu fragen, ob die einen Therapieplatz haben.
Es kann sein, dass es mir schwer fällt Entscheidungen zu treffen. Habt bitte Geduld mit mir und gebt mir nicht

zu viele Optionen.

Ich werde diesen Thread bei Bedarf ergänzen.

Es kann sein, dass ich gute Tage habe, an denen ich viel gebacken bekomme und fast normal wirke. Dann wiederum kann es sein, dass ich wochenlang das Bad nicht putze, weil es einfach nicht geht. Meistens dann wenn irgend ein anderes Thema meine ganze Energie braucht

Das können so offensichtliche Dinge sein, wie das Stellen von Anträgen, aber auch innere Themen, die gerade in mir arbeiten. Es kann sogar so sein, dass ich zunächst gar nicht weiß, welches meiner Themen da was unterbewusst arbeitet, sondern ich nur mitbekomme, dass ich

erschöpft bin und (noch) mehr Pausen brauche. Ja das frustriert und zwar vor allem mich. Es kann auch sein, dass ich dann in diesen Zeiten grundsätzlich schlechter schlafe als sonst und Alpträume habe.
Jede Interaktion mit euch, kostet mir Kraft. Ich bin gerne mit euch zusammen

und verbringe Zeit mit euch, wenn ich die Kraft habe, wenn ich sie nicht habe, kann ich an manchen Tagen nicht mal eure Whats-Apps beantworten. Ich brauche dann meine Ruhe und kann gleichzeitig unfassbar einsam sein. Meldet euch also bitte trotzdem.

Es ist für mich absolut kein Widerspruch den Tod als Teil des Lebens zu verstehen und als solchen zu akzeptieren. Dem eigenen Tod bewusst im Leben präsent zu haben ist für mich sehr wichtig. Gleichzeitig kann ich unfassbar um jemanden trauern der mir sehr nah war.