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Heute vor 50 Jahren, am 9.11.1969, übte die linksterroristische Gruppe Tupamaros West-Berlin während des Pogromgedenkens einen Anschlagversuch auf das Jüdische Gemeindehaus Berlin aus. Oder: Die Geburt des israelbezogenen #Antisemitismus aus der Schuldabwehr / [Thread]
Die Tupamaros West-Berlin entstanden aus dem Umfeld des SDS/der APO Ende der 1960er Jahre. Ihr Gründer Dieter Kunzelmann, Mitglied der Kommune I, stand in der Tradition der situationistischen Avantgarde, bevor er im Zuge der Studentenunruhen nach radikaleren Aktionsformen suchte.
Mit Georg v. Rauch, Ina Siepmann, Albert Fichter & anderen reiste Kunzelmann im Sommer 1969 über Italien nach Jordanien, um sich dort von der palästinensischen Fatah, die damals als terroristische Guerilla-Organisation agierte, als Terroristen & im Bombenbau ausbilden zu lassen.
Kunzelmann, der von Weggefährten später als „klassischer Antisemit“ bezeichnet wurde, wollte den Blick der Linken weg vom Vietnamkrieg hin zu Palästina & Israel zu lenken. Als neuer Feind galt ihm der imperialistische und „faschistische“ Zionismus.
Am 9.11.1969 versteckte Albert Fichtner eine Bombe in einer Mülltonne im Jüdischen Gemeindehaus, da dort „zionistische Treffen“ stattfinden sollten. Der Zeitpunkt der Gedenkstunde der Novemberpogrome war bewusst gewählt. Aufgrund eines defekten Zünders ging die Bombe nicht hoch.
Im Bekennerschreiben „Schalom+Napalm“ vom 13.11. heißt es, die Bombe sei kein Akt von rechts, sondern ein Zeichen „internationaler sozialistischer Solidarität“,denn die „Kristallnacht von 1938“ werde „heute tagtäglich von Zionisten in den besetzten Gebieten“ Israels „wiederholt“.
In einem Tonband an Heinz Galinski, den damaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, werfen die Attentäter allen Juden und Israelis vor, mit den „Milliarden der Wiedergutmachung“ einen „neuen faschistischen Völkermord“ gegen die Palästinenser zu finanzieren.
Laut Kunzelmann hätten die Linken einen „Judenknax“, aufgrund dessen sie nicht in der Lage seien, „das Dritte Reich im Nahen Osten“ zu bekämpfen. Zu Recht hat der Politologe Wolfgang Kraushaar diese massive Täter-Opfer-Umkehr als einen Akt des Schuldabwehr-Antisemitismus benannt.
Damit bezeichnet man jene Formen von Antisemitismus, die sich „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ artikulieren. Im Verlangen danach, sich selbst und seine Familie etc. von der Schuld am Nationalsozialismus freizusprechen, werden die jüdischen NS-Opfer zu TäterInnen gemacht.
Nichts bietet sich dafür besser an als eine Diffamierung des Staates #Israel. Die Wurzeln des israelbezogenen Antisemitismus in Deutschland, ob von links oder rechts, sind auch heute noch in der Abwehr der Erinnerung an den Nationalsozialismus zu suchen. #WeRemember #9Nov
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