Eingangs wird die Kritik von Franziskus an der Marktfixierung des Wirtschaftsdenkens kritisiert, weil Märkte doch die Probleme der Pandemie lösen können, um dann weiter unten im Text einzugestehen, das Märkte nicht alles lösen (was übrigens auch Franziskus schreibt)...🙄 2/15
Dazu kommt natürlich wieder das Argument mit der Armutsschwelle 1,90$, "unser" Wirtschaften (aka 'Kapitalismus') hätte doch Menschen aus der Armut geholt... Kein Hinweis, wie umstritten die 1,90$ sind. Und ich würde auch sagen, dass der Aussagehalt recht überschaubar ist... 3/15
Und so drückt sich die FAZ vor einer Auseinandersetzung mit den konkteten Argumenten von Fraziskus, d.h. dass unsere Wirtschaftsweise die Schwächsten in der Gesellschaft, uns selbst (bzw unsere Würde), Kultur & Natur schädig. 4/15
Dabei ist Franziskus recht genau in dem, was er kritisiert. Das dann aber - wie es die FAZ macht - als "Kapitalismuskritik" zu bezeichnen (der Begriff "Kapitalismus" taucht in der Enzyklika gar nicht auf), das scheint mir grob verkürzt & eher bewusst vom Inhalt abzulenken. 5/15
Konkret ist Franziskus nämlich auch insoweit als er kritisch von "einigen kleinkarierten und monochromatischen Wirtschaftstheorien" spricht & dazu ua die Trickle-Down-Ideologie sowie den Marktfundamentalismus (namentlich mit dem "Neoliberalismus" erwähnt) adressiert. 6/15
Dass der ifo-Chef, der sich kürzlich an einer Moralparänese wider dem #Neodirigismus versuchte, darüber nicht amüsiert ist, das liegt ebenso auf der Hand wie die unfreiwillige Komik seiner Empörung über "Fratelli tutti". Nur, die FAZ hätte das auch entspr. einordnen können.😉7/15
Das ist auch in einem anderen Zusammenhang zumindest merkwürdig: Die FAZ behauptet, Franziskus würde sich nicht für die Soziale Marktwirtschaft interessieren, & erwähnt dazu ausgerechnet auch noch Müller-Armack. 8/15
Nun genügt ein Blick auf die Ziele der Sozialen Marktwirtschaft nach Müller-Armack 👉
um die Vermutung nahe zu legen, dass dazu heute einzelne Ökonom:innen wohl ebenso empört "#Neodirigismus" rufen würden wie sie jetzt "Fratelli tutti" kritisieren.😉9/15
Es wirft auch kein gutes Licht auf den FAZ-Beitrag, wenn sich die Kritik an Franziskus am Begriff "Soziale Marktwirtschaft" aufhängt. Denn es ließe sich fragen, ob diese überhaupt noch existiert. Ein mögl. Stilverfall wird schon lange thematisiert.
Und gemessen am Konzept von Müller-Armack habe ich dazu erhebliche Zweifel.
Aber davon abgesehen stehen doch viele der Anmerkungen von Franziskus einer solchen "Sozialen Marktwirtschaft" nahe. Streng genommen gehört dazu auch die Kritik am Marktfundamentalismus. 11/15
Die gemeinsame Bestimmung der Güter, die "soziale Funktion" des Privateigentums & damit seine Sozialpflichtigkeit bzw Pflichtigkeit ggü dem Gemeinwohl sind ebenfalls Dinge in "Fratelli tutti", die marktradikal denkenden Ökonom:innen sicher sehr schwer im Magen liegen werden.12/15
Das wäre zwar auch mit der Sozialen Marktwirtschaft vereinbar & steht in aller Konsequenz auch im GG. Aber in seinem das Privateigentum relativierenden & beschränkendem Charakter steht es der auch in VWL-Lehrbüchern zelebrierten Priorität des Privateigentums entgegen. 13/15
Letzter Punkt: Interessanterweise wird dazu (Eigentumsfrage) von Franziskus auch auf die Bedeutung für die Menschenwürde verwiesen. Und das ist ein ganz zentraler Aspekt an "Fratelli tutti", der auch mit Blick auf die Ökonomik zum Nachdenken anregt. 14/15
Denn wo wird der Menschenwürde in der (Mainstream-) Ökonomik eine ähnlich zentrale Bedeutung beigemessen wie sie ihr Franziskus in seiner jüngsten Enzyklika einräumt?
Die Ergebnisse sind interessant & werden zu Recht diskutiert. In der Darstellung & darin, wie „die Medien“ einzelne Punkte aufgreifen, stellen sich mir aber Fragen. So z.B. zum Punkt wöchentliche Arbeitszeit der Millionär:innen, die aus Selbstauskünften (!) gewonnen wurde. 2/21
Mensch könnte zB bei Angestellten nach abgeschnittenen Überstunden fragen; & ist Care nicht auch Arbeit. Wer hat den Millionären das Essen gekocht?😉
Aber davon ab: Kritisch sehe ich auch die Empfehlungen, die mir zu kurz greifen, zu unbedacht & politisch zu einseitig sind. 3/21
Jedenfalls für mich ist zentraler, welches Bild in "der" Ökonomik von verschiedenen Menschengruppen vermittelt wird. Wie werden Arbeitnehmer:innen dargestellt? Wie wird über "Arme" & "Armut" gesprochen? Wie über Erwerbslose? 2/9
Und dazu lassen sich zB in Lehrbücher finden:
* Arbeitnehmer:innen, die lieber Freizeit konsumieren (Neoklassik) & gar nicht arbeiten wollen (Arbeitsaversion)
* AN & Bewerber:innen, die potenziell Arbeitgeber:innen betrügen (Agency-Theory) 3/9
Jetzt lese ich öfters Tweets a la: „Der Corona-Lockdown gefährdet Arbeitsplätze, noch länger & das wird eine Katastrophe!“ Dazu ein paar Gedanken. (Achtung: Könnte Sozialökonomik & Plurale Ökonomik enthalten & etwas #economists4future.) 1/15
cc @EconJena@popp5201@DominikPietron
Aktuell meint @N_Heisterhagen hier, ein längerer Lockdown würde 6 +x Mio. (Lohn-) Arbeitslose kosten, das könne nicht verkraftet werden. Und dann werden auf einmal gesundheitliche & ökonomische Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit entdeckt.
Auffällig ist:
Bereich Ökonomik...hm... könnte vielfältiger sein.🤨
AN-Vertretung fehlt mE auch.🙄
Laschet/#CDU hätte hier mehr Mut zur Sozialen Irenik von Müller-Armack (wie er es in der Sozialen Marktwirtschaft vorsah) gut zu Gesicht gestanden. 2/n
Das Papier bezieht sich nicht nur auf NRW, sondern will bundesweit gestalten. Dabei werden u.a. die ifo-Vorschläge aufgegriffen (Taskforce). Es klingt auch sehr ähnlich. 3/n
Kapitel 2 über Nutzen & Kosten, 2.1 Notwendigkeit & dann alles Kosten. Natürlich ifo-Horrorstudie von 35-48 Produktionsstillegung mit 10-20,6% des BIPs bei 3-Monats-Shutdown🙄 1/n
@popp5201 Unter dem Strich wirkt's wie eine Rechtfertigung des stufenweisen Endes der #Corona-Pause, die allerdings recht bemüht wirkt darin, es irgendwie nicht nach "aber die Wirtschaft" bzw. Primat der Wirtschaft klingen zu lassen. 2/n
@popp5201 Toller Tonfall ⬇️(S.21), insbesondere nach der rechtlichen Einschätzung u.a. hinsichtlich von Freiheitsrechten (wo von Grundrechtskosten die Rede ist... ). Menschenwürde taucht übrigens nicht 1 Mal auf, aber mehrmals Verhältnismäßigkeit.🤨 3/n
1) Ich finde es widersprüchlich, sich als Ökonom „nicht anmaßen[zu wollen], detaillierte Empfehlungen für den Gesundheitsschutz auszusprechen.“ Aber ein paar Zeilen davor zu behaupten: „Klar ist: Der strikte Shutdown kann nicht länger als ein paar Wochen dauern." 2/20