Man hört immer wieder, daß jemand gar keine mit #LongCovid betroffene #Kinder kennt und daß das Problem daher gar nicht so groß sein könne.

Warum derartige individuelle Beobachtungen meistens keine Aussagekraft haben, im🧵. 1/N

#LongCovidKids #KleinesCoronaEinmalEins
Disclaimer: Wir werden etwas mit Zahlen hantieren müssen, um Größenordnungen deutlich machen zu können. Ich werde mich bemühen, die Diskussion trotzdem einfach und verständlich und nicht zu trocken zu gestalten. 2/N
Wir beginnen mit einer hypothetischen exemplarischen Ausgangslage und nehmen an:
1) Prävalenz von #LongCovid bei KuJ U20 ist 3%
2) @DJanecek kennt 100 repräsentative KuJ und würde sofort erfahren, wenn eines davon von LC betroffen wäre
3) Alle LC-Fälle werden bereits 4 Wochen 3/N
nach #Infektion korrekt diagnostiziert und Herrn Janecek kommuniziert.

Diese Annahmen sind offensichtlich vereinfachend. #LongCovid-Prävalenz ist altersabhängig. Ich ziehe 3% den 1% vor um zu zeigen, daß es selbst bei 3% nicht unwahrscheinlich wäre, daß Herr @DJanecek keinen 4/N
einziges betroffenes Kind kennen würde, obwohl Annahmen 2) und 3) ebenfalls sehr optimistisch in diesem Sinne sind.

Los geht's. Laut #RKI haben sich bis vor 4 Wochen (d.h. einschl. KW7) insgesamt umgerechnet 24% der KuJ U20 bestätigt mit #Corona infiziert. 5/N
Daher nehmen wir vereinfachend an, daß unter den 100 Herrn Janecek bekannten KuJ genau 24 bestätigte #Corona-Fälle sind.

Dies ist eine vereinfachende Annahme, weil zwar 24 Infizierte im Schnitt zu erwarten wären, aber ein konkretes Sample wie obiges trotzdem eine 6/N
variierende Zahl an Infizierten aufweist, d.h. die 24 stellen sich erst als Durchschnittswert ein. Genau dies ist auch der Punkt in folgender Diskussion, der durch obige Vereinfachung jedoch nicht invalidiert wird (dazu später mehr).

Wir nehmen also an: 7/N
Herr Janecek kennt genau 24 bestätigte Fälle U20.

Bei 3% #LongCovid-Prävalenz (unter bestätigten Fällen) wären 0,72-LongCovid-Fälle in dieser Kohorte zu erwarten. Offensichtlich tritt dieser Fall jedoch nie ein.

Was tun? Schauen wir uns die Verteilung an: 8/N
Die Wahrscheinlichkeit, daß unter den 24 KuJ kein einziger #LongCovid-Fall zu beklagen ist, beträgt ganze 48%, d.h. in fast der Hälfte der Fälle ist davon auszugehen, daß Herr Janecek gar kein betroffenes KuJ U20 kennt.

Anders ausgedrückt: 9/N
In 100 identischen (unabhängigen) Situationen, in welchen jemand genau 100 KuJ kennt, von denen genau 24 jemals bestätigte Fälle waren, werden (m Schnitt) in 52 Fällen 1 oder mehr LongCovid-Fälle gezählt werden und in 48 Fällen kein einziger. 10/N
Aus dieser Perspektive ist es wenig überraschend, daß es viele Menschen gibt, denen gar keine #LongCovid-Fälle unter Kindern und Jugendlichen bekannt sind.

In obigen Setting beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß höchstens eines der 24 KuJ #LongCovid entwickelt 84% (!). 11/N
D.h. in obigen 100 identischen Situationen sind im Schnitt 84 Fälle zu erwarten, in welchen höchstens ein #LongCovid-Fall auftritt. Es gibt also viele Menschen (die große Mehrheit!), die _wenige_ #LongCovid-Fälle unter KuJ kennen. 12/N
Das ändert nichts daran, daß im Fall von 3% trotzdem im Schnitt eines von infizierten 33 Kindern und Jugendlichen unter obiger Hypothese #LongCovid entwickelt.

Würden wir statt 3% nur 1% Prävalenz annehmen, ergäbe sich ein noch dramatischeres Bild: 13/N
In 79% der Fälle würde Herr Janecek gar keinen LongCovid-Fall U20 kennen. In 98% (!) der Fälle wäre ihm höchstens ein einziger Fall bekannt, in 99.8% (!!) der Fälle höchstens zwei. 14/N
Dieses Beispiel illustriert eindrücklich:
Obwohl bei 3% Prävalenz insgesamt über 100.000 #LongCovid-Fälle U20 in #Deutschland bekannt sein müßten (unter der Annahme 3), daß alle innerhalb von 4W auftreten und sofort diagnostiziert werden), im indivuellen Umfeld die bekannten 15/N
Fälle trotzdem in der Regel sehr gering an der Zahl sein werden.

Ähnliche Rechnungen lassen sich mit anderen Sample-Größen (z.B. Kinderärzten) und auch anderen Kontexten durchführen. 16/N
Zum Abschluß zur Annahme, daß unter den 100 bekannten KuJ genau 24 jemals bestätigte Fälle sind. Nimmt man die statistische Variabilität dieser Zahl mit in die Betrachtung auf, dann ergeben sich folgende Zahlen: 17/N
Bei 3% Prävalenz:
49% Wahrscheinlichkeit (statt 48%) kein #LongCovid-Fall unter 100 KuJ
84% Wahrscheinlichkeit (als wie zuvor) höchstens ein #LongCovid-Fall unter 100 KuJ 18/N
Bei 1% Prävalenz:
79% Wahrscheinlichkeit (als wie zuvor) kein #LongCovid-Fall unter 100 KuJ
98% Wahrscheinlichkeit (als wie zuvor) höchstens ein #LongCovid-Fall unter 100 KuJ

Änderungen sind im Nachkommastellenbereich zu beobachten und daher vernachlässigbar. 19/N
Die Tatsache, daß insbesondere relativ seltene Ereignisse einer verhältnismäßig großen statistischen Variabilität unterliegen muß bei jeder derartigen Betrachtung mit einbezogen werden. 20/N
Obwohl die Mathematik, die obigem Beispiel zugrundeliegt das gymnasiale Schulniveau nicht übersteigt, ist das Bewußtsein hierfür leider nicht weit verbreitet.

Selbst Wissenschaftlern unterlaufen derartige Fehler: 21/N
#Streeck und Koautoren vernachlässigten in der vieldiskutierten #Heinsberg-Studie die statistische Variabilität der 7 bzw. 8 dokumentierten Todesfälle, welche wesentlich in Ihre Betrachtung eingingen. Allein dieser Fehler führt dazu, daß die von den Autoren angegebene 22/N
statistische Aussagekraft (das Konfidenzintervall) nicht haltbar ist, sondern deutlich schlechter ausfällt. Letztendlich führt dies dazu, daß die Genauigkeit der geschätzten Infektionssterblichkeit letztendlich nicht besser ist, als in anderen Studien dieser Zeit. 23/N
Vgl. beispielsweise
tagesschau.de/investigativ/s…
24/N
Abschließend ist festzuhalten, daß anderen ähnliche Fehler unterlaufen sind.
Bspw. bezogen sich #Drosten & #Wieler zwecks CFR am 13.2.2020 auf 1 Todesfall unter 503 Fällen außerhalb Chinas. Statistisch hatte das kaum Aussagekraft & wurde später von der Realität widerlegt. 25/25

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