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nigromontanus @nigromontanus_
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Was für ein Glück, daß ihr meinen Kanal abonniert habt. Also, für euch. Aufgrund einiger... nun, ja, nennen wir sie NICHT HILFREICHER Äußerungen der Marke "Muh, klingt doch eh alles gleich..." habe ich beschlossen, einen Heavy Metal Kurs durchzuführen.
Und weil ich ein Fanatiker bin, gehe ich das leider sogar ernsthaft an.
Hier also das erste Kapitel: 3 Stücke, mit denen Heavy Metal beginnt. (Beginnt, die Welt zu verändern und ein kleines bißchen cooler zu machen.)
Von 1978, und alles ist bereits da: Double Bass Drum. Falsettgesang. Die monotone, rituelle Energie des Riffs ersetzt hier erstmals (wieder*) die Melodie. Gitarren-Dauertremolo: Wo die Sechzehntel beginnen, beginnt auch Heavy Metal.
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HM nimmt der Rockmusik die improvisierten, lässigen Jazzrückstände, und ersetzt sie durch oft etwas hölzerne, gleichwohl brachiale und komplexe Kompositionen. (Vermischt mit der rohen Energie des Punk entsteht z.B. dann hier: ein Meisterwerk.)
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Und dann fehlt nur noch ein Element: das Böse. In geradezu gotischer Obsession suhlt sich Heavy Metal in jeder nur denkbaren Schattenseite menschlicher Existenz: Tod, Krieg, Gewalt, Leichen, Friedhöfe, Wahnsinn, Satan, Folter, Massenmord.
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"Black Metal" dann auf die Spitze getrieben erst ein Jahrzehnt später, mit verrauschtem, unhörbarem Sound und Gekreische als antimenschliches, satanisches Ritual. Aber - dazu komme ich vielleicht in einer späteren Folge.
Kapitel 2 meines Heavy Metal Kurses: 3 Stücke, die illustrieren, in welcher Weise Heavy Metal sich nach der Initialzündung "New Wave Of British Heavy Metal" fortsetzt und weiterentwickelt in den 80ern. Und ein Epilog als Prolog.
A: Thrash Metal. Die Geschwindigkeit ins Extrem getrieben, ein Gemetzel von oft beeindruckender technischer Finesse. Es entsteht die Metal-Produktion als Layering diverser Gitarren-Einzelspuren, damit alles maximal-irreal FETT klingt.
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B: deutscher Speed Metal. Dann bekommen die Deutschen den Metal in die Finger. Integrieren Elemente klassischer Musik, komponieren plötzlich pathetische Hymnen und singen über Feen, Elfenkönige und Fantasyromane. Die Geburt des Metal-Kitsches.
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C: Hair Metal. Beeinflusst von Glam Rock und Punk: Hier geht es um die Show, hier geht es um Weiber, hier geht es um Drogen, Selbstzerstörung und Angeber-Gitarrensoli von Angebern die wissen, daß die Gitarre immer ein Phallussymbol darstellt.
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Epilog: während der Metal langsam in die Arenen und Top 10 strömt, hängen finstere, langhaarige Jugendliche sich Patronengürtel um und huldigen in stinkenden Proberaumbunkern Satan, um damit den extremen Metal der 90er vorzubereiten.
Genial hier vielleicht vor allem das schwedische Ein-Mann-Projekt Bathory, das erst zum 1st Wave Black Metal zählt und dann Ende der 80er, beeinflußt von Conan-Comics, den Pagan Metal erfindet.
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Als Komplettist: Mitte der 80er entsteht ebenfalls das Genre "Doom Metal", das sich durch extrem schleppende Geschwindigkeit und depressive Texte auszeichnet. Bleibt Randerscheinung, beeinflusst allerdings immer wieder aufs Neue die Szene.
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Oh mein Gott. Es geht weiter. Im 3. Teil meines Heavy Metal Kurses erreichen wir nun die Pforten des "extremen Metals", der die Pfade konventioneller Rockmusik vollkommen hinter sich lässt.
Death Metal. Aus dem Punk-Umfeld stammend beginnen Napalm Death, ihre Songs immer schneller und schneller zu spielen, bis sie teilweise nur noch wenige Sekunden lang sind. Dazu Gebrüll und Gekreisch, meist politisch. So entsteht Grindcore.
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Aus dem Napalm Death Umfeld gehen Carcass hervor. Die Gitarren werden maximal tiefergestimmt, das Grindcore-Gemetzel zu hektischen Songstrukturen variiert, der "Gesang" besteht nur noch aus unmenschlichem Gegrunze.
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Bei den Texten lässt sich der Sänger Bill Steer vom Medizinischen Wörterbuch seiner Schwester, die eine Ausbildung zur Krankenschwester macht, inspirieren, was zu Songtiteln wie "Cadaveric Incubator Of Endoparasites" oder "Manifestation of Verrucose Urethra" führt.
Death Metal kann dabei als frühes "globalistisches" Phänomen betrachtet werden. Durch eine fanatische Untergrund Tape Trading Szene tauschen sich Gleichgesinnte weltweit aus, und versuchen, sich in Sachen "krassestmöglicher Scheiß" zu übertreffen.
Der US-Death Metal ist dabei eher technisch orientiert. Morbid Angel klingen in ihren besten Momenten wie eine blasphemische, unmenschliche Maschine, als hätte ein Borgkollektiv Slayer kybernetisch optimiert und ihnen dabei die Seele ausgesaugt.
Der schwedische Death Metal dagegen kann eher als tieffrequente Dampfwalze beschrieben werden.
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Textlich dreht sich der DM vorwiegend um Horror- und Splatterfilme. Ernste Themen sind eher selten. (Im Gegensatz zum im zwielichtigen Hintergrund lauernden Black Metal, der Death Metal als "Life Metal" verhöhnen wird, und anfängt, Kirchen anzuzünden. Dazu mehr im nächsten Teil)
Black Metal. Eine kleine Clique kaputter norwegischer Teenager ist besessen von 80er Proto Black Metal und beginnt, die satanische Attitüde darin ernstzunehmen. Wobei Satanismus hier nicht für esoterische Selbstfindung steht wie im Post Punk, sondern quasi-religiös....
.... als anti-kosmische Misanthropie, als Zelebration von Dunkelheit, Tod und Chaos verstanden wird. Während also der 80er Metal auf eher comichafte Weise mit dunklen Themen spielt, will der Black Metal wirklich dorthin hinabsteigen.
Auf diesem Abstieg verfallen seine Protagonisten nicht nur dem Wahnsinn, morden und brandstiften, sondern erschaffen auch in musikalischer Hinsicht eine vollkommen neue, stockfinstere, romantisch-kalte Gegenwelt.
Zentrale Bands.

Mayhem. "Ich mag Kommunismus, denn es ist gut, wenn Menschen sterben." sagt Euronymous, Gitarrist von Mayhem und ideologischer Kopf des norwegischen Black Metal. (Varg Vikernes wird ihn mit einem Messer erstechen.)
Man beachte das frostig-finstere Intro, bestehend aus gezupften Moll-Akkorden. Kalt, finster, böse. Genrebildend.
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Burzum. Nach dem Lesen des Herrn der Ringe identifiziert Varg Vikernes sich mit Mordor und den Orks, weshalb er sich Count Grishnakh nennt. Er verfasst melancholische Gedichte, kreischt sie, als würde er gerade abgestochen, experimentiert mit Synthesizern und Ambientstrukturen...
entdeckt die Bilder von Kittelsen für sein Artwork und im Gefängnis ideologisiert sich sein Christenhass zum paganistischen Neonazismus. Man darf ihn als Genie bezeichnen, weder vor noch nach ihm wurde Musik geschaffen, die der seinen ähnelt.
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Emperor. Unterproduzierte rauschende Gitarren, rasende Blastbeats, misanthropisches Gekreisch und darüber ein schwermütig-schwüler Keyboardteppich. Bei Veröffentlichung sind 3 der 4 Mitglieder im Gefängnis, Gilt als Inbegriff des norw. BM.
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Etwas im Metal bislang Unbekanntes tritt jetzt als Motiv auf: die Natur. Sowohl als romantische Schönheit als auch garstig brachiale Urgewalt. Man weiß beides entsprechend zu vertonen. Introvertierte Misanthropen wandern jetzt alleine durch die Wälder.
Stilistisch zeichnet Black Metal sich dadurch aus, daß Akkorde nicht mehr wie bislang üblich gedämpft angeschlagen und möglichst fett und basslastig produziert, sondern offen gespielt und frostig-unterproduziert aufgenommen werden ....
... Die dilettantisch-kaputten Unterground-Produktionen der 80er (Venom, Bathory, Hellhammer) werden zum klanglichen Ideal erhoben.
Wie auch die billigen SW-Cover dieser Veröffentlichungen, deren obskur-atmosphärische Qualität man bewusst aufgreift.
Letztlich: Indem Black Metal dem Mythos "Satan" als dunkler Seite der Schöpfung nachforscht, entdeckt er am Ende sich selbst, und verhilft so dem Metal erstmals zur emotionalen Authentizität, zur Möglichkeit, ihn nicht nur als Partymusik und Provokation zu spielen, sondern ....
... die musikalische Intensität zum kathartischen Ausdruck des eigenen Seelenlebens zu nutzen. Dieses kreative Potential hält den Black Metal bis heute einflußreich, lebendig und innovativ.
So. Und nun eine weitere Innovations-Metastase der frühen Neunziger: der Gothic Metal.
Es sind vor allem melancholische, blasse Briten, die unter dem Einfluß ewigen Nieselregens beginnen, die Schwere von Death und Doom Metal mit der Schwermut der eigenen, düster vor sich hin pubertierenden Seele zu paaren.
Da diese Bands aber weniger Härte als vielmehr Atmosphäre und Emotion interessiert, entfernen sie sich schnell von ihren Wurzeln. Einige beginnen, ungemein eingängige, melancholische Rocksongs zu schreiben. (Gregor Macintosh ist ein Leadgitarren-Gott.)
Andere Bands stürzen direkt hinein in die reine Atmosphäre wie der haltlose Komet in die brennende Sonne, der Metal tritt komplett in den Hintergrund und von Weltschmerz getränkter, poetischer Psychedelic Rock erscheint.
Echtes Novum und geschichtlich bedeutsam: erstmals werden nun auch harte Gitarren mit weiblichem Gesang versehen, was später, bei Nightwish und Evanescence, noch Millionen kleiner Mädchen in die Verzückung treiben wird.
(Es gibt hier viel peinlichen Opern-Kitsch, aber The Gathering sind wirklich mitreißend. Man beachte hier vielleicht auch wie, quasi gereinigt durch die Death und Black Metal Zerstörungsorgien, frei von jeglichem stilistischen Formalismus Metal hier mittlerweile geworden ist.)
Am Ende zerstört der Gothic Metal sich selbst: in dem die meisten Bands sich mit jedem Album experimentierend weiter von der Metalgitarre entfernen und Rock- und Elektronikelemente integrieren, verlieren sie ihre Anhängerschaft.
Schuld daran trägt sicherlich teilweise die Metal-Feindlichkeit der 90er. In den 90ern ist Metal geradezu ein Schimpfwort, ambitionierte Bands sind zwischen der durchaus riesigen Metalszene und dem antagonistisch positionierten Mainstream zerrissen.
Wobei ironischerweise diese 90er eine unglaubliche Breite innovativer Metal-Veröffentlichungen hervorbringen, die aber bis heute vom durchschnittlichen Indie Rock hörenden Feuilletionisten überhaupt nicht wahrgenommen werden.
Aber - hier nehmen wir sie alle durch. Im nächsten Kapitel dieses Kurses also: Crossover Metal.
Na gut, Bonustrack. Moonspell aus Portugal beginnen im Black Metal, und kombinieren diesen mit lusitanisch-keltischer Barbarei und schwülstiger mediterraner Lustmörderatmosphäre. Kurzum: mein Gothic Metal Favorit.
Zuerst aber ein kleiner historischer Exkurs: der Dolchstoß der klassischen Rockmusik - Nirvana - dreht die Musikszene Anfang der 90er komplett.
Kurt Cobain vernichtet 3 Jahrzehnte Rockmusik, heult uns dabei die Ohren voll, wie schlecht es ihm geht, und bringt sich schließlich um. Ein klassischer Linksliberaler also.
Zugegebenermaßen wurde es aber vielleicht auch langsam langweilig, daß sich alles nur um Parties, Frauen, Nieten, Gitarrensoli und Satanismus drehte.
(Manche vermuten auch, daß diese "abstoßend" dekadente Doku am Untergang beteiligt war:
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Durch die von Nirvana ausgelöste Grunge-Revolte jedenfalls wird die melancholisch-künstlerische Ernsthaftigkeit der 80er US Independent Szene erst zum Trend, dann zum neuen Mainstream, im Prinzip bis heute.
Dadurch spaltet sich die Szene. In einen "traditionellen" Teil (vor allem Europa), der Pathos und Fantasy-Abgehobenenheit beibehält und dafür in den Untergrund wandert, und einen "modernen" Teil (vor allem USA), der sich von den neuen Verhältnissen anregen lässt.
Also, wie klingt der "moderne" Metal?
GROOVE METAL.
Während also Europa in bitterschwarzer Romantik schwelgt, kombinieren einige Bands die Brachialität des klassischen Metal-Riffs mit dem Groove und der urban-zeitgeistigen Ästhetik des Grunge.
(Bild: Metal vorher --> nachher)
Als Pioniere von Neo-Thrash und Groove Metal gelten hier Pantera, die eine ganz neue Form von Härte und lyrischer Düsternis erzeugen, auch in Bezug auf die kalte, gnadenlose Produktion. Damit beginnt eigentlich der moderne Metal.
Die Brasilianer Sepultura entdecken die musikalische Tradition, die blutige Geschichte und Identität ihres Landes, entdecken den Groove, die Politik, und Skaterklamotten. Fräsen damit wirklich alles nieder. (M.E. eines der besten Metal-Alben aller Zeiten.)
CROSSOVER.
Darüber hinausgehend, sozusagen die Metaphysik zur Postmoderne kehrend, entsteht Anfang der 90er der sog. "Crossover", der, weniger existenziell als Death oder Black Metal, die harte Gitarre quasi als Spiel entdeckt und mit diversen Einflüssen jongliert.
Die harte Gitarre wandert beispielsweise in die Ghettos, die finsteren Viertel von New York und wird dort mit Hip Hop, Hardcore und sozialkritischen Texten gekreuzt und mit einer urbanen Patina überzogen.
Der wirklich wilde Scheiß mischt aber auch wirklich alles, von Pop über Funk und Hip Hop bis Metal, zu einer bunten, CRAZY MISCHUNG, wie die mittlerweile legendären Faith No More.
Ähnlich stiloffen, jedoch mit einem eher künstlerisch-konzeptionellen Anspruch, mit Jazz- und Klassikeinschlägen, komplexen Arrangements und instrumentalem Virtuosentum, umgarnt der Progressive Metal den experimentierfreudigen Hörer.
Anfang der 90er darüberhinaus: die gnadenlos groovende Fusion von Metal und Elektro, der Industrial Metal. (Im Gegensatz zu den anderen Stilen lyrisch viel zynischer, misanthropischer und pervertierter. Sprich: mein Favorit dieser Riege.)
So. Weiter geht es.
NEW METAL / NU METAL.
Der New Metal mag von Traditionalisten verabscheut werden, doch zweifellos gehört er doch zum emotional Intensivsten, was die Rockmusik in ihrer Geschichte hervorgebracht hat.
Er nimmt die Aggressivität des Metal, die hip-hop-lastige Rhythmik von Crossover und die verletzte Empfindsamkeit von Grunge und Indie. Und prügelt dann damit mit all dem Hass und Selbsthass, der sich in einer beschissenen Kindheit ansammeln kann, auf die Welt ein.
Vielleicht drückt sich hier auch ein gesellschaftlicher Wandel aus: während der 80er Metal eher den Frust von unterprivilegierten Arbeiterklassekindern verkörpert, besteht der Nu Metal aus den emotional vernachlässigten, ritzenden Scheidungskindern der Mittelschicht.
Korn
Die Geburt eines Genres. Exzentrisches, tourettehaftes Riffing trifft auf das Geflüster, Gestammel und Gekreisch eines Psychatriepatienten. Bizarr, stockfinster, verstörend.
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Slipknot
Eine Weile galten Slipknot als der härteste Scheiß überhaupt auf diesem Planeten. Und, vielleicht: waren sie das ja wirklich. Der Soundtrack zum Highschool-Amoklauf.
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System Of A Down
Doch auch die Kunst bahnt sich ihren Weg. System Of A Down kombinieren den Wahnsinn des Nu Metal mit dem folkloristischen Melodiegespür ihrer armenischen Wurzeln, und verleihen so diesem manisch-depressiven Stil eine fast poetische Kraft.
So viel zum Thema "Was vom amerikanischen Traum übrig blieb." Und bevor ich jetzt zur großen Untergrund Metal Explosion Anfang der 00er Jahre komme, will ich noch einen kurzen Blick auf die europ. Metal Szene Ende der 90er werfen, die recht unbehelligt von "modernem" Metal bleibt
Interessant ist hier die Annäherung und teilw. Verschmelzung von der im Untergrund isolierten europäischen Metalszene mit der ebenso isolierten Gothic Szene: Durch das Etablieren dunkler Atmosphäre wird hier Metal auch für den Gruftie interessant.
Gleichzeitig entdecken Gothic Bands wie das ehemals maximalgruftige "Ich sitze auf dem Friedhof und schreibe Gedichte über den Tod"-Projekt Lacrimosa E-Gitarre und Band-Instrumentierung. Die Synthese ist also beiderseitig.
Black Metal, vormals verhasst und boykottiert, ist mittl. dabei, sich als gängiges Subgenre zu etablieren, die norwegischen Bands entpuppen sich dabei vielfach als begnadete Innovateure, die eine ganz eigene, versponnene Version von "Modernität" entwickeln
UND!: Ende der 90er kehrt der klassische Metal zurück. Allerdings in einer derart anti-originellen, formelhaften Weise, daß er APRIORISCH die Grenze zur Selbstkarikatur überschreiten muss und jenseits reiner Unterhaltung vollkommen wertlos bleibt.
Bonustrack: Blind Guardian starten in den 80ern als Helloween-Epigonen, gestalten ihren Speed Metal zunehmend epischer und komplexer und liefern 1998 schließlich noch VOR DER VERFILMUNG ihr in jeder Hinsicht perfektes Tolkien-Konzept-Album: der Höhepunkt des...
... deutschen Metal, der sich von den 80ern beginnend zäh emporschraubt, die Dunkelheit der 90er stoisch übersteht und schließlich zum Epilog der durch Wacken und Nuclear Blast induzierten Rückkehr des klassischen Metal aus dem Geist deutscher Realitätsverachtung wird.
Wir überschreiten nun die Jahrtausendwende. Metal hat ein Jahrzehnt grausamster inquisitorischer Verfolgung hinter sich, doch in schiefen lovecraftschen Hütten, in abgelegenen Tälern und im Schatten riesiger uralter Berge hat er sich verborgen und auf seine Rückkehr gewartet.
Trommeln aus der Tiefe! Langsam kriecht er wieder an die Oberfläche, mit blutverschmierten Reißzähnen und einem irren Funkeln in den Augen, und die feigen, kleinen Hobbits fliehen schreiend in Scharen.
Gut, die Atmosphäre steht.
Erstens: wird in den 00er Jahren der bereits skizzierte Gothic Metal Faden bis an sein kommerziell triumphales Ende gesponnen, dann verlischt er.
Es ist ein eigenartiges, hybrides Gemisch aus Metal, New Metal, Gothic und Anime, das sich da findet. Die US-Version von Evanescence ist dabei (erwartungsgemäß) stärker von New Metal Riffs und einem modern-urbanen Auftreten geprägt.
Die Finnen von Nightwish dagegen bringen das ganz große Kino. Sind damit 2004 auf Platz 1 der deutschen Charts, was man vielleicht durchaus als Zeitenwende betrachten kann, ein Moment, der zeigt: die Neunziger sind vorbei, Understatement ist scheiße.
(Und gleichzeitig widerlegen diese Bands das infame Gerücht, Metal wäre nichts für kleine pubertierende Mädchen. Meine Schwester jedenfalls stand total auf diesen Kram.)
Zweitens wird, meines Erachtens durch das Internet begünstigt, eine neue Untergrund Black Metal Welle losgetreten, die noch unglaublich kreativ und vielschichtig werden wird....
.... zu Beginn des Jahrtausends aber zunächst einmal damit beginnt, alte räudige Demos auszutauschen, zu posen und mit schlechten 4-Spur-Demoaufnahmen dem verlorenen Old School Spirit nachzuspüren.
Man nennt das auch 3rd Wave Black Metal.
Hintergrund dieser Bewegung ist auch, daß die alten norwegischen Bands erwachsen, teilweise auch kommerziell erfolgreich geworden waren, und sich vielfach weit von ihren idealisierten Anfängen entfernten. Wie z.B. Satyricon. (Trotzdem: Hammer Song.)
Ein Zentrum dieses Retro Black Metal liegt in Deutschland, vor allem im Osten. Nargaroth nehmen ein ganzes Album auf, um dem "ECHTEN" Black Metal zu huldigen. Dieses zerlegt musikalisch so gut wie alles, und tritt wohl auch deshalb eine richtiggehende Bewegung los.
Dieses Video kann ich sehr empfehlen, weil es erstens die Geschehnisse in Norwegen Anfang der 90er gut zusammenfasst und zweitens vielleicht auch die Faszination der 3rd Wave Black Metaller illustriert.
Das zweite Zentrum ist Schweden, wo man sich explizit auf orthodoxen (anti-kosmischen/misanthropischen) Satanismus zurückbesinnt. Hier beginnen z.B. Watain, die heute zu den erfolgreichsten Metal Bands überhaupt gehören. Aber weiterhin...
... ihre Bühnenshows mit Blut und Schweineköpfen dekorieren, um daraus ekellerregende, misanthropische Rituale zu machen. (Ähnlich wie Dead von Mayhem, der seine Klamotten im Wald vergrub, damit sie bei seinen Auftritten nach Moder und Verwesung rochen.)
Und es entsteht eine eigene Spielart von US BM, die ein eher ruhiges, naturromantisch-melodisches (aber unpathetisches) Gepräge besitzt. Kahl und schön wie die amerikanischen Weiten, tief wie die beiden das Land umgreifenden Ozeane. Oder was auch immer.
Bonustrack: was im Zuge der dritten Welle wiederentdeckt wird, sind kaputte, so radikale wie dilettantische Untergrundprojekte wie die sächsischen Moonblood, die die ganzen 90er über ihre Demos veröffentlichen, ohne daß es jemanden interessiert hätte.
Nun bringen sie etwas zurück in den Metal, was man dort seit räudigen Anfangsversuchen von Sodom oder Bathory nicht mehr gehört und angebetet hat: die echte modrige Besessenheit, die nach Dreck und Wahnsinn schmeckt.
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