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Jörnicorn @nursethulhu
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So. Ich mache dann mal wieder einen Thread. Das wird etwas länger aber für die die nicht aus dem Gesundheitssystem kommen vermutlich informativ.

Es geht um im Krankenhaus erworbene Keime, im Fachjargon nosokomiale Infektionen genannt (1/24)
Es wurde vor 3 Tagen aufgrund einer kleinen Anfrage der @fdp im Bundestag bekannt, dass es pro Jahr 400.000 - 600.000 dieser nosokomialen Infektionen in Deutschland gibt (aerztezeitung.de/praxis_wirtsch…), davon sterben 6 - 15.000 pro Jahr daran. (2/24)
Hier ist erst einmal wichtig: ob die 6 - 15.000 Tode alle vermeidbar wären ist unklar da viele der Infizierten schon vor der Infektion schwere gesundheitliche Probleme hatten, Teile davon aber definitiv. Und dass diese Teile nicht vermieden werden ist ein Problem (3/24)
Entsprechend steht die Frage im Raum: Wie bekommt man die, was macht die so gefährlich und wie können sie verhindert werden?

Wie man sie bekommt ist schnell erklärt: häufig durch Schmierinfektion oder durch Tröpfcheninfektion. (4/24)
Also: Dadurch, dass Keime durch Berührungen weitergegeben werden (Schmierinfektion). Beispiel: Hr. Meyer niest sich in die Hand und gibt Fr. Müller die Hand ohne die Hände zu desinfizieren. Fr. Müller fasst sich kurz darauf bspw ins Gesicht. Nun sind die Keime im Körper (5/24)
Das ist die Schmierinfektion und dagegen helfen Oberflächendesinfektionen und regelmäßige Händedesinfektionen (nach den 5 Indikatoren z.B. wie sie im Krankenhaus verwendet werden: aktion-sauberehaende.de/fileadmin/ash/…). Dazu später etwas mehr, erst noch die Tröpfcheninfektion. (6/24)
Die Tröpfcheninfektion wäre zum, Beispiel gegeben wenn Hr. Meyer die Fr. Müller angeniest hätte, also nicht über die Hände sondern direkt über Tröpfchen durch die Luft. Hier hilft: Aufpassen!
Das sind jetzt die beiden im wichtigsten Infektionswege, es gibt noch mehr (7/24)
Aber die würde ich jetzt hier nicht behandeln (bzw dann auf Nachfrage). Hier hat das RKI viel davon zusammengefasst: rki.de/DE/Content/Ser…
Auf den Seiten 67/68 sind Infektionswege beschrieben. So zum Nachlesen und für Hintergrundinformationen. (8/24)
Also die zweite Frage: was macht im Krankenhaus erworbene Infektionen gefährlicher als die im normalen Umfeld?

Im Krankenhaus liegen Menschen weil sie ein gesundheitliches Problem haben und deshalb oft eh schon geschwächt sind. (9/24)
Gleichzeitig werden im Krankenhaus auch durchaus gefährlichere Krankheiten behandelt als man sie im normalen Umfeld antrifft. Nicht immer aber das kann passieren. Entsprechend hat man eh schon geschwächte Menschen und dann noch evtl gefährlichere Keime als zuhause (10/24)
Diese Kombination macht nosokomiale Infektionen so gefährlich und sorgt dafür, dass besonders auf Übertragungswege geachtet werden muss.
Patient*innen mit Keimen die besonders problematisch sind werden entsprechend isoliert, evtl auch auf besonderen Stationen dafür. (11/24)
Das sind Keime die besonders ansteckend (z.B. Noro-Virus), besonders gefährlich (z.B. Tuberculose) und/oder gegen mehrere Antibiotikagruppen resistent sind (z.B. 4 MRGN (gesunde.sachsen.de/download/Downl…) ).
Isolierungen dienen also hier dem Schutz anderer Patient*innen (12/24)
Es gibt auch die Umkehrisolation, die wird angewendet um Patient*innen vor Infektionen von anderen zu schützen, wenn das Immunsystem besonders anfällig ist (z.B. durch Immunsuppressiva).
Isolierungen dienen also immer dem Schutz von jemandem selbst oder Anderen (13/24)
Und heißen für alle an den Patient*innen arbeitenden, dass sie besondere Schutzkleidung anziehen und besonders auf Hygienemaßnahmen achten müssen. Und bitte, liebe Angehörige und (potentielle) Patient*innen: haltet euch daran. Wir machen das aus guten Gründen. (14/24)
Wir verstehen es wenn ihr nicht den ganzen Tag eingesperrt sein wollt oder wenn ihr Onkel Friedrich eh immer zuhause besucht habt und dann lieber keine Schutzkleidung überzieht. Damit gefährdet ihr nur euch und andere Patient*innen. (15/24)
Aber ich schweife ab. Wie können nosokomiale Infektionen verhindert werden?
Nun, erst einmal durch konsequentes Durchziehen aller notwendigen Hygienemaßnahmen. Da gibt es nur ein paar Probleme:
(16/24)
- Patient*innen und Angehörige halten sich nicht unbedingt daran
- im Krankenhaus arbeitende halten sich nicht unbedingt daran
- es fehlt Zeit

Das sind so die 3 Hauptprobleme (Liste gerne von euch erweiterbar).

Wie kann man das besser machen?
(17/24)
Patient*innen und Angehörige: durch Schulen, Informieren und Sensibilisieren. Klar machen, dass das alles gute Gründe hat und bitte unbedingt so eingehalten werden muss.

Krankenhauspersonal: Auch hier: immer wieder (untereinander) darauf hinweisen (18/24)
Und Hygienefachkräfte unterstützen uns da gerne. Ja, oft fehlt Zeit, oft ist Zeitdruck da. Die Sicherheit meiner Patient*innen ist mir diese Zeit aber wert und da müssen wir untereinander aufpassen. (19/24)
Da gibt es auch Projekte wie die "Aktion saubere Hände" die auch Erfolg verzeichnet wie es scheint (aktion-sauberehaende.de/fileadmin/ash/…) aber da ist noch viel Arbeit notwendig.

Kommen wir zum problematischsten Punkt: Zeit. (20/24)
Alle Hygienemaßnahmen zum Vermeiden von nosokomialen Infektionen sind schön und gut wenn die Zeit fehlt. Die ist hier nämlich besonders problematisch. Ja, die Zeit sollte ich mir nehmen und das ist wichtig. Nur gibt es ein Problem. (21/24)
Für eine korrekte Händedesinfektion bräuchte jede PFK je Schicht im Durchschnitt 1-2 Stunden (dbfk.de/de/presse/meld…) wenn sie die kompletten 30 Sekunden durchgeführt wird.
Wir haben einen Pflegeschlüssel von im Schnitt 1:13. (22/24)
Also in einer 8 Stunden Schicht wären noch 6 Stunden für die Tätigkeiten abgesehen von Händedesinfektion übrig. Verteilt man die auf die Patient*innen hat man etwas weniger als 30 Minuten je Patient*in und da ist noch keine Doku drin, keine OP gefahren o.ä. (23/24)
Entsprechend sind nosokomiale Infektionen mit eine Folge der Arbeitszeitverdichtung in der Pflege und des Pflegenotstandes. Das ist nicht der einzige Grund aber einer der durchaus einen großen Einfluss hat. (24/24)
Nachtrag: ich wurde darauf hingewiesen, dass Essen in Krankenhäusern da auch eine Rolle spielt. Ja, das ist richtig (google.de/amp/s/www.merk…) und sollte auch nicht unbeachtet bleiben.
Hauptproblem sind Übertragungen durch nicht ordentlich desinfizierte Hände. Das einzige Problem aber definitiv nicht.
Und hier wird nochmal klar: was zuhause oder normalerweise kein Problem oder sogar hilfreich ist, so an Bakterien auf der Haut o.ä., kann bei gesundheitlichen Problemen gefährlich werden.
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