Thread by @reinboth

Im #Harz findet derzeit ein primär durch den Borkenkäfer verursachtes Waldsterben statt, dessen Wurzeln mehrere Jahrhunderte zurückliegende Eingriffen des Menschen in die Natur sind, die im hier und heute Schäden anrichten. Zu dieser #Klimawandel-Analogie nachfolgend ein #Thread.

Obwohl man beim #Harz quasi automatisch an Nadelbäume denken muss, ist die dominante Fichte hier gar nicht heimisch. Sie wurde im 18. und 19. Jahrhundert im Harz als schnell wachsende Alternative zu den nativen Mischwäldern eingeführt, weil man viel Holz für den Bergbau brauchte.

Inzwischen gibt es keinen Bergbau mehr im #Harz - dafür aber viele Fichten. Und leider ist die Fichten-Monokultur nicht nur anfälliger für Sturmschäden, sondern auch für den Befall durch Borkenkäfer. Diese hat man in der Vergangenheit immer wieder z.B. durch "Kalken" ausgebremst.

Eine Dauerlösung ist das nicht, ebenso wenig wie das Wiederaufforsten mit Fichten nach Stürmen und Borkenkäfer-Plagen. Der Nationalpark rettet die Monokulturen in einigen Flächen daher inzwischen ganz bewusst nicht mehr, damit an ihrer Stelle ein neuer Mischwald nachwachsen kann.

Also wird alles gut? Vermutlich ja - aber es dauert. Und während dieser Zeit sieht es im #Harz streckenweise nicht so schön aus. Sturmschäden, Käferschäden, tote Bäume. Das schadet inzwischen dem #Tourismus und berührt damit wirtschaftliche Interessen. Und da wird es interessant.

Auf der einen Seite zeigt sich, dass Menschen, die hier vom Tourismus leben, es als höchst ungerecht empfinden, dass sie nun die Zeche für die Natureingriffe ihrer Vorfahren zahlen sollen. Auch wenn das Problem allgemein verstanden wird, ist der Frust nachvollziehbarerweise groß.

Auf der anderen Seite werden immer mehr Rufe laut, der Nationalpark müsse dem Sterben doch "noch einmal" Einhalt gebieten, um die nächsten Saisons zu retten. Das Problem ginge davon nicht weg (und das ist auch jedem klar) - würde aber auf die nächste Generation verschoben werden.

Im Kleinen erleben wir, was sich im Großen beim #Klimawandel abspielt. 1) Menschen empfinden es als unfair, Schäden ausbaden zu müssen, die Generationen vor uns angerichtet haben. 2) Die gleichen Menschen sind aber bereit dazu, die Schäden auf die nächste Generation zu schieben.

Und ganz wichtig: 3) Kaum jemand, der mit den intakten Wäldern im #Harz aufgewachsen ist, hier schon Jahrzehnte lebt, kann sich vorstellen, dass in wenigen Jahren so viel kaputtgehen kann - und es so lange braucht, bis eine Heilung eingetreten ist. Genau das wird aber passieren.

So betrachtet sind die Waldschäden im #Harz ein Lehrstück in Sachen #Klimawandel. Für Fehler der Vergangenheit bezahlen wir heute ökologisch wie ökonomisch - und das Ganze spielt sich in einer Geschwindigkeit und einer Brutalität ab, die man als Betroffener kaum begreifen kann.

Und dennoch wollen wir die Lösung aufschieben. Könnte man nicht noch mal für diese eine Saison...? Oder für dieses Jahrzehnt...? Denkt doch mal an die Arbeitsplätze! Vielleicht kann man das Problem in zwanzig Jahren ja ganz anders lösen? So ticken wir. Im Großen wie im Kleinen.

"Eingriffe" natürlich, nicht "Eingriffen". Warum übersieht man in vielgeklickten Threads eigentlich immer mindestens einen Rechtschreibfehler...?