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Am Sonntag war ich mit den Zwillingen und unserem neuen AuPair Laura in einem Park.
Als es anfing zu regnen, "retteten" wir uns auf eine Bierbank unter einen großen Gastro-Sonnenschirm, zusammen mit ca. 10 anderen Personen. Es regnete eine ganze Weile lang ...
und irgendwie war es ziemlich gemütlich mit dieser kleinen, zufällig zusammengewürfelten Gruppe Menschen. Ein kleiner Querschnitt durch die Gesellschaft, eine freundliche, geschützte Mini-Welt. Man lächelte sich zu und mümmelte seine schnell noch gekauften Pommes.
Dann fragte Laura (sie kommt aus Kolumbien und ist erst seit einer Woche in Deutschland) ob es bei uns oft regnen würde.
Ich wollte ihr die Frage grade beantworten, als ich bemerkte, dass ich das nicht konnte. Denn so, wie das Wetter in den letzten drei Jahren gewesen war,
kannte ich es bisher auch nicht und ich habe keine Ahnung, wie es sich weiter entwickeln wird. Ich fragte sie also, ob ihr der Klimawandel bekannt sei. Nicht, weil ich sie für dumm hielt, sondern weil ich einfach nicht wusste, ob das Thema in Kolumbianischen Medien stattfindet.
Sie hatte davon gehört und ich erzählte ihr daraufhin, welchen Einfluss das bisher auf das Wetter in Deutschland gehabt hatte. Und dann bemerkte ich etwas, was mich gegruselt hat:
die Stimmung unter dem Sonnenschirm veränderte sich. Das gesellige Gebrummel ebbte ab.
Die Leute schauten weg. Niemand suchte mehr Blickkontakt zu uns und ich bemerkte, dass sie anfingen, uns zu ignorieren.
Abgesehen davon, dass man auf so engem Raum nicht weghören kann, wenn sich Leute unterhalten, verebbten aber auch die Gespräche der Personen untereinander.
Als wollten alle so tun, als wäre das, was der Typ da erzählt, gar nicht zu hören.
Wir sind ein paar Minuten später aufgestanden + nach Hause gelaufen, weil die Kinder ungeduldig wurden, daher gab es kein die Situation auflösendes Gespräch mehr mit den anderen Leuten.
Gestern war ich dann bei einer Veranstaltung, auf der ich einen Vortrag über meine Arbeit halten sollte. Vorher aß ich gemeinsam mit den 30 Zuhörern + wir kamen am Tisch ins Gespräch. Über das angebliche „Luftballon-Verbot“, das gestern kurz in den Nachrichten thematisiert wurde
(Hinweis: es gibt KEIN Luftballon-Verbot. Es geht um den Verzicht auf das Steigenlassen von gasgefüllten Luftballons, weil sie eine Gefahr für Vögel + andere Tiere darstellen), kamen wir zum Umweltschutz und darüber schnell zur Klimakrise. Und dann tat sich das Tor zur Hölle auf.
Zum 1. mal sprach ich Augen in Auge mit einem Menschen, von dem ich bisher dachte, dass es die Sorte gar nicht echt gibt. Dieser Mann sagte Dinge über die Klimakrise, die ich exakt so nur aus Kommentaren unter AfD-Posts kannte: @GretaThunberg sei eine fremdgesteuerte Marionette.
Das eigentlich Problem sei die Überbevölkerung in Afrika. Und die angeblichen Wissenschaftler, die die Aussagen der @FridayForFuture - Bewegung stützen wären alle gekauft. Nachgelaberte unsachlich und rassistische Scheiße wie aus dem Populisten-Lehrbuch.
Ich hielt das für ein Phänomen, das nur im Internet existiert. Wieder wurde es um mich + den Aluhutträger herum still + die Blicke senkten sich. Mit Ausnahme von mir + meinem Freund, der mich zu der Veranstaltung eingeladen hatte, sagte niemand ein Wort gegen den Unsinn.
Diese zwei Erlebnisse waren für mich wie ein Schlag in den Nacken. Ich bin schockiert darüber, wie wenig die Klimakrise anscheinend außerhalb der Titelseiten von Zeitschriften und Nachrichtenseiten kommuniziert wird. Ich bin entsetzt, wenn ich mir vorstelle ...
dass an Küchentischen, in Firmenkantinen und in Bürokaffeeküchen nicht darüber geredet wird, weil die Leute vielleicht Angst haben, dass es die gemütliche Stimmung kaputt macht - obwohl genau das zwingend nötig wäre.
Und das liebe ich an @FridayForFuture :
sie machen die gemütliche Stimmung kaputt. Denn uns geht es momentan noch so gut, dass die allermeisten sich nicht vorstellen können/wollen, was passiert, wenn die Kipp-Punkte erreicht sind. Hurrikan "Dorian" und die Waldbrände in Ostdeutschland sind nur ein Vorgeschmack.
Und nochmal, für alle mitlesenden Zyniker: ich fahre selbst Auto. Ich esse auch gerne Mozzarellapizza. Ich bin auch schwach und genieße wie wir alle die Tatsache, dass in Mitteleuropa Wasser, Nahrung und Konsumgüter mehr als ausreichend vorhanden sind.
Und genau deshalb müssen wir ja die Forderungen an die Politik stellen, damit das so bleiben kann. Damit die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen und wie unsere Konsumgüter produziert werden, an die sich veränderte Situation angepasst wird. Es geht nicht darum ...
dass jede + jeder einzelne von uns sich nichts mehr gönnen soll. Es geht um Wandel zu etwas neuem, moderneren. Die Wissenschaft sagt: Klimaschutz + Wohlstand sind vereinbar + bezahlbar. Wir müssen den Wandel nur wollen. Dafür muss er aber in den Köpfen der Menschen ankommen.
Nicht nur in unserer Filterblase, in möglichst ALLEN Köpfen.
Und darum mache ich mit beim globalen #Klimastreik Klimastreik, nächste Woche, am 20. 9.
Meine Website ruthe.de wird nicht erreichbar sein. Mein einziger Angestellter (mein Animator Falk) und ich ...
werden nicht arbeiten, ich werde nichts auf Social Media posten + stattdessen zu einer Klima-Demo in der Nähe gehen. Sehr viele andere Webseiten + Unternehmen verfahren genauso. Ich hoffe, dass dadurch Leute auf das Thema aufmerksam werden, die Texte wie diesen sonst nicht lesen.
Meine Bitte an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unter euch: Streikt ebenfalls, gebt euren Leuten frei, damit sie zu den Demos gehen können. Ihr habt in 10 Jahren nichts von einer guten Jahresbilanz 2019, wenn die Permafrostböden aufgetaut sind ...
+ der Golfstrom (die „Wärmepumpe“ Mitteleuropas) sich abschwächt. Es geht jetzt um alles und dafür brauchen wir alle.
Bitte sagt es weiter, beteiligt euch an den Streiks und erzählt euren Nachbarn, Kolleginnen, Chefs, Verwandten und Kommilitonen davon. Bitte guckt nicht weg.
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