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Mir fällt es ein wenig schwer, über das folgende Thema zu schreiben, denn ich habe es bisher kaum jemandem verraten. Daher vielleicht einfach direkt raus damit!


ALSO: Ich leide seit über 20 Jahren an einer Zwangsstörung.

(Fürchte, das wird zwangsläufig ein Thread)
Tja. Ärgerlich. Zwang also. Und auch noch deutlich vielfältiger, hartnäckiger und frustrierender, als noch mal kurz schauen, ob der Herd wirklich aus ist.

Wobei: Eigentlich stimmt der erste Satz gar nicht. Mir fällt es nicht schwer, über dieses Thema zu schreiben.
Im Gegenteil: Ich habe sogar ein ganzes Buch darüber geschrieben, das bald erscheint. Was mir tatsächlich schwer fällt, ist der Gedanke daran, dass in Kürze jeder lesen kann, wie peinlich so eine Zwangsstörung sein kann. Zumindest meine.
Denn eine der schlimmsten Facetten dieser an schlimmen Facetten nicht gerade armen Krankheit ist: Es sind oft ganz banale Dinge, die einem große Probleme bereiten.
Das ist wirklich sehr peinlich! Bei mir zum Beispiel Anziehen, die Wohnung verlassen, Spazieren gehen, Einkaufen, Autos, elektronische Geräte, Gasherde, Pflastersteine und noch einiges mehr.
Der Satz, der am wenigsten zu mir passt ist „Tu dir keinen Zwang an“. Also der und „Ich war heute Morgen um halb sieben schon zehn Kilometer Laufen“.
Immerhin habe ich keinen Waschzwang. Na ja … nicht mehr. Denn den habe ich vor langer Zeit überwunden. Aber damit fing alles an und hörte bis heute leider nicht mehr auf. Treuer Typ, so ein Zwang.
Wie ich den Waschzwang los wurde, wie die anderen Zwänge sich vermehrten, wie es sich mit einer solchen Krankheit lebt, was Zwänge überhaupt sind, was der Unterschied zu harmlosen Spleens ist und welche mitunter haarsträubenden Geschichten man mit der Krankheit ...
... erlebt, darüber habe ich das Buch geschrieben.
Auch darüber, wie ich eine Zeit lang wirklich vollkommen am Boden war und meine Sommerfrische in einer Psychiatrie verbrachte. Spoiler: War gar nicht so schlimm, aber das Abendprogramm in Berlin ist deutlich besser.
Das Buch erscheint am 14. Oktober. Also nicht mehr lange hin. Es gibt Tage, an den ich denke, es ist die schlechteste Idee überhaupt, dieses Buch herauszubringen. Und es gibt Tage, an denen ich denke, es ist die allerbeste Idee überhaupt, dieses Buch herauszubringen.
Doch nun ist es im Druck. Obwohl ich also ein wenig Angst vor der Veröffentlichung habe, bin ich häufig auch ziemlich stolz auf die gut 300 Seiten, die ich geschrieben habe. Es ist der mit Abstand ehrlichste Text, den ich jemals verfasst habe. Wenn ihr mögt, schaut gerne rein.
Falls ihr aber nur erfahren wollt, ob ihr eine Zwangsstörung habt, weil ihr gerne eure Bücher nach Farben sortiert, Symmetrie mögt oder ungerade Zahlen nicht so toll findet, können wir das abkürzen: Nein. Sorry. Vermutlich nicht. Da gehört ein bisschen mehr dazu.
Was so alles, steht in dem Buch. In diesem schlimmen, tollen, peinlichen Buch.

Warum aber habe ich es überhaupt geschrieben? Ein Teil der Antwort darauf liegt vielleicht im folgenden Zitat aus dem Buch:
„Für jeden Einzelnen von uns wirkt es häufig so, als wären alle anderen psychisch vollkommen gesund. Aber das stimmt nicht. Das ist falsch. Sehr, sehr vielen Menschen geht es richtig schlecht, auch denen, die nach außen erfolgreich aussehen.
Solange wir so tun, als wären wir alle normal, ist es wahnsinnig schwer für die Leute, denen schlecht geht, sich nicht als Fremdkörper zu fühlen. Mein Vorschlag: Wir gehen ab sofort einfach davon aus, dass jeder Mensch einen Hau weg hat und freuen uns, wenn es mal nicht so ist.“
Das also war vielleicht ein Grund, warum ich in dem Buch über meine Schwächen schreibe. Zeigen, dass auch der witzige Scherz-Autor nicht unbedingt immer fröhlich ist.

Naja ... und außerdem gab es einen guten Vorschuss! Das Bier wird auch nicht billiger.
So. Danke für eurer Aufmerksamkeit. Ich muss los. Bin mir leider nicht mehr hundertprozentig sicher, ob ich den Wasserkocher wirklich ganz sicher ausgeschaltet habe. Danke fürs Lesen bis hierhin. Jetzt fehlt nur noch das Cover.
Ta-daa!
Und vielleicht noch ein (sponsored) Link zum Buch, dass es natürlich auch in jeder Buchhandlung gibt, die nicht Amazon heisst.
amazon.de/gp/product/344…
P.S.
Hätte ich auch gerne!
Danke an alle, die das gelesen haben und mir viel Gutes gewünscht haben. Und Entschuldigung, falls es für manche möglicherweise ein bisschen viel war.

Liebe Grüße!
Euer Neurosi, Peter.
Kann man das in den Lebenslauf aufnehmen?
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