Verteidigung von Andreas Nahles durch einen für Grundsätze zuständigen Genossen im Namen eines "linken Realismus". @N_Heisterhagen geht aber gar nicht auf den wirklichen politischen Kontext der kritisierten Interviewsätze ein.
Der wirkliche politische Kontext sind die Redemachttatsachen, die durch das Agenda-Setting von CSU, AfD und Neuer Rechter geschaffen werden, in einer Lage der medial erzeugten Dauerpanik.
In dieser Lage ist es eine große Torheit zu glauben, mit dem Satz "Wir können nicht alle aufnehmen" strategische oder sachliche Klarheit herstellen zu können. Der Satz wird rechts als Kapitulation verstanden und so verbucht.
Statt zu analysieren, warum die SPD jetzt selbst so tut, als ob die Unterstützung der Merkelschen Flüchtlingspolitik Verrat an ihrer Stammwählerschaft wäre (These von @witte1905 u.a. seit 2015), hängt @N_Heisterhagen die x-te Kopie des Lilla-Pamphlets gegen Identitätspolitik an.
"In der Empörung ging unter, dass der Satz von Nahles eine Tatsache beschreibt." Nein, die Empörung galt dem Umstand, dass jetzt auch Nahles so tut, als wäre mit diesem Satz politisch eine Differenz markiert.
Es ist die erste und wichtigste Aufgabe von Parteivorsitzenden, die Identität ihrer Formation durch Unterscheidung vom Gegner zu definieren. Nahles reihte sich ein in die ganz große Koalition, die den Popanz des humanitären Illusionismus bekämpft.
Die soziale Macht der No-Borders-Absolutisten wird von vielen Kommentatoren in ganz und gar unrealistischer Weise überschätzt.
In dieser Überschätzung spricht sich ein schlechtes Gewissen aus: die Ahnung, dass ein radikaler Menschenrechtsuniversalismus sehr wohl starke ethische Gründe für sich hat. Die Ahnung wird dann verdrängt durch Häme über Weltfremdheit und Oberlehrertum.
