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Michaela Moser 🐛🦋 @michaelamoser
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On Poverty Production. Wie Armut - aktuell - produziert wird.

#thread Kartonschachteln übereinander gestapelt. Beschrieben mit: Willküre, Ignoranz, Altersarmut, Ausgrenzung, Schlechte Schule, Teures Wohnen, Prekäre Jobs, Kürzungen
Vor mittlerweile 14 Jahren hat die norwegische Soziologin und Armutsforscherin
Else Øyen einen Artikel publiziert, in dem sie deutlich macht, wie wichtig es, nicht nur zu notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung und Vermeidung von Armut zu forschen, sondern auch zu deren Proudktion.
Armut ist kein Naturereignis (auch wenn sie in der Folge solcher sich verschärfen kann) und sie entsteht nicht aus Zufall. Armut wird gemacht. Und es gilt, die verantwortlichen Agenten und ihre Taten bzw. die von ihnen ausglösten Prozesse und Wirkungen zu identifzieren.
Die derzeitige österreichische Regierung agiert als Armutsproduzentin per excellence. Gezielt hebelt sie aus, kürzt und vernichtet was sowohl in Armutsforschung, von Anti-Armuts-NGOs als auch seitens EU-Politik seit Jahrzehnten als zentral für Armutsbekämpfung gilt.
Drei Säulen und Maßnahmenpakete gelten dabei - nicht zuletzt auch in der Europa 2020 Strategie - als zentral: 1) Zugang aller zu einem existenzsicherenden Einkommen 2) Qualitätvolle öffentliche Infrastruktur (Güter & Dienstleistungen) 3) Adäquate Arbeitsmarktinklusion.
Für alle drei Säulen haben NGO-Netzwerke, darunter vor allem das Europäische Anti Armutsnetzwerk @EAPNEurope jahrzehntelange gekämpft, kämpfen immer noch. Und - klarerweise - gibt es in allen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen, was deren Realisierung im Detail betrifft.
Notwendige Diskussionen darüber, welche Art von 1) Einkommenssicherung (bedingungsloses Grundeinkommen statt Mindestsicherung) es braucht, wie 2) soziale Dienstleistungen und Güter sinnvoll/er und partizpativer gestaltet und verwaltet werden können ...
und wie der allumfassende Stellenwert von 3) Erwerbsarbeitsintegration einem erweiteren Arbeitsbegriff, @carerevolution inklusive weichen kann und Politiken jenseits von Workfare umgesetzt werden, wären nach wie vor nötig, treten aber gerade in den Hintergrund.
Denn aktuell geht es um die ystematische Zerstörung dessen, was diese 3 Säulen derzeit in Österreich (auch bis dato nicht ideal, aber doch) ausmacht.
Zugang zur und Höhe der Mindestsicherung werden reduziert auf ein Maß, dass zum Leben zu wenig und - womöglich bald und jedenfalls für einige - nicht einmal mehr zum Sterben zu viel sein wird.
Soziale Infrastruktur - Gesundheitsversorgung (Stichwort AUVA), Kinderbetreuungseinrichtungen, Beratungsangebote ... - wird dramatisch abgebaut bzw. ganz abgeschafft und/oder in ihrer Qualität - z.B. im Bereich Bildung/Schulen - schmerz- und grauenhaft dezimiert.
Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration (an denen es zweifelsohne auch einiges zu verbessern gäbe) halbiert und Tausende Menschen damit Möglichkeiten dieser Art der Existenzsicherung und der - nicht immer, aber vielfach doch - damit verbundenen gesellschaftliche Teilhabe verwehrt.
Von der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (12 Stunden Tag und da wird noch mehr kommen) auch nicht zu schweigen.
Wen's trifft und es wird viele treffen, trifft es dann gleich 3ach. Geringere Möglichkeiten auf (Wieder-)Einstieg in die Erwerbsarbeit oder nur in lausige Jobs, keine Beratungsangebote, die die Situation entlasten/überbrücken/überwinden helfen, kein soziales Netz, das auffängt.
So produziert man Armut, so wird Verelendung betrieben. Und mit ihr eine "Elendsindustrie" ... denn es wird für zB. Hungernde mehr Versorgung durch Tafeln etc. brauchen, soziale Organisationen werden stärker auf Spenden angewiesen werden, um vorhandene Not zumindest zu lindern.
Und auch jene von uns, denen klar ist, wie sehr damit Symptomkur und - ja auch - -stabiliserung mit betrieben wird, werden dabei mit machen (müssen), weil die Bedürfnisse unmittelbar sind und ("the poor cannot wait) nicht warten können, bis uns politischer Wandel (wieder) gelingt
Noch stärker als je zuvor, wird es deshalb darauf ankommen, das eine zu tun (unmittelbar zu helfen), aber das andere - an grundlegenden Alternativen zu arbeiten, für sie zu kämpfen - nicht zu lassen.
Größer und radikal zu denken und zu fordern: Ein bedingungsloses Grundeinkommen, top Infrastruktur für alle durch partizipativ gestaltetete soziale Dienste und Güter (Stichwort Commons), dramatische Arbeitszeitreduzierung, Care-Revolution und mehr ...
Zum mehr haben wir vor Jahren schon im @EAPNEurope zusätzlich zu den 3 Säumen 5 Grundsätze und Denk- und Kampfrichtungen der Armutbekämfpung entwickelt, die mMn nichts an Gültigkeit verloren haben:
1) Social Progress in a Time of Crises, das heißt: uns nicht durch die aktuelle Lage davon abbringen zu lassen, an den nötigen großen Veränderungen (weiter) zu arbeiten und an sie zu glauben. There is always a realistic alternative!
2) Breaking stereotypes: Communicating the realities of poverty > konkret: Vermitteln, was es heißt, mit Mindestsicherung zu leben, davon nicht würdig leben zu können, wer auf der Strecke bleibt im Sozialabbau. Den stigmatisierenden Mythen reale Lebenssituationen entgegenstellen.
3) The need for more and better democracy. Erkennen, dass demokratische Strutkuren nicht nur Teil der Lösung, sondern in ihrer jetzigen - viele ausgrenzenden - Form auch Teil des Problems sind; an verbesserten inklusiveren partizipativen demokratischen Strutkuren arbeiten.
4) A fairer distribution of wealth. Nicht auffhören über das Ausmaß an Ungleichheit zu reden.Den vorhandenen Reichtum in seiner ganzen Dimension ins Spiel bringen, deutlich machen,dass Ungleichheit fast allen schadet und es "da oben" viel zu verteilen gibt. Fürs gute Leben aller
5) A global fight against poverty. Uns nicht auf den Kampf hier und jetzt und vor Ort zu beschränken, uns und verschiedene Armutssituation nicht gegeneinander aus spielen zu lassen, für offene Grenzen einzutreten und über Grenzen hinweg zu verbünden. Es geht um die ganze Welt.
Und nicht entmutigen lassen!
mm Banner mit der Aufschrift: ARMUT (AR durchgestrichen). Darunter: Es ist genug für alle da!
Der erwähnte Artikel von Else Øyen (2004) ist hier zu finden: Poverty production: a different approach to poverty understanding. In Advances in Sociological Knowledge (pp. 299-315). VS Verlag für Sozialwissenschaften und es gibt ihn hier zum Download bora.uib.no/bitstream/hand…
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