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#Gudenus hat gestern im @derStandardat gemeint, die #EMRK gehöre nicht geändert, sondern "richtig ausgelegt", dann sei nämlich "viel mehr möglich". Die EMRK wird zwar als "living document" betrachtet, ihre Auslegung geht österreichische Politiker*innen jedoch nichts an. [thread]
Die Auslegung der EMRK erfolgt durch eine den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Er kann angerufen werden, wenn der innerstaatliche Instenzenzug ausgeschöpft ist und eine Verletzung von Konventionsrechten
Wichtig ist, dass die Auslegung der Konventionsrechte autonom erfolgt, das heißt, unabhängig (!) vom innerstaatlichen Recht des von der Beschwerde betroffenen Staates.
Nun ist es aber so, dass es ist der österreichischen Bundesverfassung keinen eigenständigen Katalog an Grundrechten gibt, weswegen die in Österreich im Verfassungsrang stehende EMRK gemeinsam mit dem Staatsgrundgesetz für die Grundrechtsordnung in Österreich überaus relevant ist.
Das ist außerordentlich gut für Österreich, für die Auslegung der Konventionsrechte allerdings nicht weiter relevant.
Eine wichtige methodische Maxime des EGMR ist, dass die EMRK samt ihrer Zusatzprotokolle als living instrument entsprechend den aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen und menschenrechtlichen Entwicklungen auszulegen ist.
Eine weitere wichtige Maxime ist, dass die EMRK keine abstrakten, sondern konkrete Rechte enthält. Der EGMR hat daher den "Grundsatz der praktischen Anwendbarkeit der gewährten Rechte" entwickelt.
Das ist ein sehr fortschrittlicheres Verständnis, das unter anderem zu dazu führt, dass diejenige Auslegung Vorrang hat, die die Konventionsrechte am effektivsten und umfassendsten schützt.
Und es führt in der Regel dazu, dass der EGMR die gewährleisteten Rechte weiter auslegt als nationale Höchstgerichte.
Die von der EMRK und ihren Zusatzprotokollen gewährten Rechte sind übrigens fundamental und einfach gehalten.
Sie umfassen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Verfahren, auf Achtung des Privat- und Familienlebens, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, auf freie Meinungsäußerung, auf Eheschließung und auf eine wirksame Beschwerde.
Die Verbote der EMRK sind ebenso fundamental und einfach gehalten: sie untersagen Folger, unmenschliche und erniedrigende Behandlung, Sklaverei, Zwangsarbeit, Strafverhängung ohne gesetzliche Grundlage und Diskriminerung.
All das ist für Regierungen, die Macht gerne bei sich zentralisieren und hart durchgreifen wollen, lästig. Mit Beitritt und Ratifikation haben sich die Vertragsstaaten der EMRK allerdings rechtlich verbindlich in ihrer Machtausübung beschränkt.
Eine nationale Aushebelung der EMRK ist wiederum nur möglich, wenn Vertragsstaat gleichzeitig sowohl aus dem Europarat und der Europäischen Union austritt, wie Franziska Pupeter und @vianna_ly vom @InnenForum ausgeführt haben.
Die EMRK bietet also Schutz vor staatlicher Willkür und das unabhängig von Nationalität, Herkunft und Aufenthaltsstatus. Und damit sind wir beim springenden Punkt. Zwar gewährt die EMRK kein "Recht auf Asyl", sie gewährt Asylsuchenden jedoch die gleichen Rechte.
Aus Artikel 3, dem Vebrot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung leitet der EGMR ein Zurückweisungsverbot ab, das strenger als das der Genfer Flüchtlingskonvention ist.
Demnach darf niemand (egal, wer er oder sie ist bzw. gemacht hat), wenn ihm oder ihr im Herkunftsland Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der EMRK droht. No matter what. Mehr dazu findet ihr in diesem gut aufbereiteten Artikel von @daswasfehlt.
Fazit: Dass das einer Regierung, die einen harten Kurs in Migrations- und Abschiebefragen fahren will, nicht passt, ist politisch nachvollziehbar, rechtlich hingegen irrelevant. Und das ist in demokratischen Rechtsstaaten auch gut so.
geltend gemacht wird.
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