Okay, ich fange mal an einen Thread dazu zu schreiben

#TSGReform - the good, the bad and the weird.

Und was das für Auswirkungen auf z.B. medizinischen Kram haben dürfte.
Ich fange mal mit dem Guten an.

Denn tatsächlich löst der Gesetzesvorschlag ein paar Probleme des TSG auf, und das ist erstmal erfreulich und wird die Lage von trans Personen in Deutschland durchaus verbessern. Auch wenn vieles nicht weit genug geht.
1) Nachdem erst Anfang des Jahres neben "männlich" und "weiblich" die Möglichkeit für "divers" oder einen leeren Personenstand für inter Personen eingeführt wurde, wird diese Möglichkeit nun offiziell auch trans Personen gegeben.

Das ist *amazing*. Hätte ich nicht erwartet.
Eine wesentliche Kritik an jener Neuregelung des PStG war eben, dass es trans Personen außen vor lässt und die neuen Möglichkeiten nur für inter Personen schafft. Was viele nichtbinäre Menschen außen vor lässt.

Das @BMI_Bund hat die Klagen dagegen vermutlich kommen sehen.
2) Die "Unwirksamkeits"-Klausel (§ 7 TSG) fällt weg. Nach dieser Klausel wird trans Personen der geänderte Name wieder "weggenommen", sobald sie mehr als 300 Tage nach dem Beschluss ein Kind bekommen.

Diese Klausel hat mir und anderen trans Eltern massiv Kopfzerbrechen bereitet.
Ich habe mein TSG-Verfahren bewusst später als ich eigentlich wollte begonnen, weil ich eben einen starken Kinderwunsch hatte. Es macht ja keinen Sinn 1600 Euro hinzublättern, nur um kurze Zeit später wieder alles rückgängig gemacht zu bekommen.

Das ist ein *big relief*.
3) Das Offenbarungsverbot, das bisher nur im TSG geregelt war, gilt künftig auch für "Variante der Geschlechtsentwicklung".

Das erzeugt einen wichtigen Rechtsanspruch, z.B. Urkunden oder Schulzeugnisse nachträglich auf neuen Namen und Geschlecht umgeschrieben zu bekommen.
4) Anstatt zweier psychotherapeutischer Gutachten sollen trans Personen nur noch eine "Beratung" wahrnehmen und an deren Ende eine "Beratungsbescheinigung" erhalten.

Die Kosten dafür trägt der Staat. Das spart locker 1000 Euro beim Verfahren ein.
Das ist allerdings ein guter Übergang zum "bad", denn:

1) Die beratende Person soll darin bescheinigen, "ob sich die betroffene Person ernsthaft und dauerhaft einem anderen oder keinem Geschlecht als zugehörig empfindet".

Das ist keine Beratung, sondern eine Fremd-Beurteilung!
Und: diese Beurteilung soll weiterhin durch Ärzt*innen/Psycholog*innen/Therapeut*innen erfolgen - die Psychopathologisierung wird also letztlich weitergetrieben.

Das ist richtig, richtig schlimm.

(Pause, später mehr)
2) Trans Personen können nach dem Entwurf der #TSGReform nicht wie beim neuen PStG einfach mit ihrem Beratungs-Wisch zum Standesamt - was ja nahe liegend wäre - sondern sollen weiterhin ein Verfahren vor Gericht bestreiten.

Völlig unnachvollziehbar und scheiße.
Zwar werden die Gerichtskosten für das Verfahren durch den Wegfall der zwei Gutachten deutlich sinken. Aber es kostet immer noch hunderte Euro, mehrere Monate Wartezeit, und ist einfach krass *einschüchternd*.

Warum die chronisch überlasteten Gerichte weiterhin damit betrauen?
Es ist dabei zu befürchten, dass sie von Antragsstellenden weiterhin einen "trans Lebenslauf" erwarten werden oder anderweitig zusätzlich gatekeepen.

Meine Anhörung vor Gericht war nebenbei innerhalb von fünf Minuten durch. Was soll das Gericht da auch entscheiden/bewerten?
3) Damit kommen wir zu einer furchtbaren neuen Regelung: wenn du verheiratet bist, soll zusätzlich zu dir auch dein*e Ehepartner*in angehört werden.

Das ist scheiß gefährlich. Es gibt Ehepartner*innen faktisch die Macht, das Verfahren scheitern zu lassen.
Ich kenne einige trans Personen, deren Ehepartner*innen auf ihr Coming Out extrem beschissen reagiert haben und versucht haben, sie zurück zu halten oder die Transition ganz zu verhindern. Auch mit maximal hässlichen Moves wie das Sorgerecht für gemeinsame Kinder entziehen wollen
Wenn eine Person eine Beratungsbescheinigung hat und von sich selbst aussagt trans zu sein, aber Ehepartner*in einfach völlig abstreitet, dass das sein könne... wird das Gericht den Antrag dann wohl ablehnen. (Sonst hätte die Anhörung ja keinen Effekt)

What the FUCK einfach.
In manchen Ländern (z.B.) gibt es ein offenes Vetorecht der Ehepartner*innen gegen die juristische Transition. Hier soll es nun heimlich eingeführt werden. Auch wenn es kein offizielles Vetorecht ist, wird es als starked Druckmittel genutzt werden können.

Vor allem wegen...
4) Wird ein Antrag abgelehnt, darf erst 3 Jahre später ein neuer Antrag gestellt werden.

DREI. JAHRE.

Das ist eine furchtbar lange Zeit, in der eine trans Person gezwungen wird, weiterhin unter falschem Namen und Geschlecht zu leben.

Das sind drei Jahre gestohlene Lebenszeit.
Diese Regelung wird damit begründet, zu häufigen Wechsel des Namens und Personenstandes entgegen zu wirken.

Dann könnte die Frist einfach ab erfolgreichen Änderungen gelten, nicht auch bei (aus welchen Gründen auch immer) abgelehnten Anträgen.

Das @BMI_Bund weiß, was es tut.
Die Auswirkungen dieser Regelung sind massiv furchtbar. Wenn du bei einem TSG-Verfahren an beschissene Gutachter*innen oder Richter*innen geraten bist, konntest du es wenigstens zeitnah nochmal probieren.

Jetzt haben sie dich total in der Hand. Das ist absolut desaströs.
Ich sehe als sichere Folge dieser Regelung, dass sich viele Menschen nicht trauen werden ein TSG-Verfahren anzustreben, bis sie nicht weiter fortgeschritten in ihrer medizinischen Transition sind, besseres cis Passing haben, usw. - weil eine Ablehnung eine riesige Gefahr ist.
Dem Gatekeeping wird durch diesen Passus eine so unfassbare Macht gegeben. Sie können dir für viele Jahre deine Zukunft verbauen.

Ich habe keinen Zweifel, dass dies zu schweren psychischen Belastungen, Depressionen und ja, auch Suiziden führen wird.

Die Frist MUSS einfach weg!
Es ist auch kein real existentes Problem, was mit der Frist gelöst würde. Niemand wird ohne guten Grund mehrfach in kurzer Folge teure Gerichtsverfahren anstreben. Das ist absurd.

Die Absicht ist uns möglichst von den Anträgen abzuhalten, und Angst zu machen - nichts weiter.
Was ich juristisch überdies nicht beurteilen kann: bezieht sich die dreijährige Frist nur auf die Gerichtsverfahren?

Oder zählt die Ablehnung eines Standesamts wegen Änderung mit Attest der "Variante der Geschlechtsentwicklung" womöglich auch dazu?
Da steht halt "Die Frist beginnt mit Rechtskraft der letzten Entscheidung über eine Änderung des Geschlechtseintrags", das klingt nach Gericht - aber es ist uneindeutig und könnte auch diejenigen trans Personen, deren PStG-Anträge gerade abgelehnt wurden, bereits betreffen.
Fuck.
5) Lasst uns zuletzt nicht vergessen, dass unter dem Deckmantel der #TSGReform nun auch ein stärkeres Gatekeeping für inter Personen eingeführt wird. Anstatt es Ärzt*innen entscheiden zu lassen, was als "Variante der Geschlechtsentwicklung" zählt, wird eine Definition vorgegeben.
Insgesamt sehe ich dadurch die #TSGReform als deutlich mehr schadend als nutzend an.

Wenn das Inter-Gatekeeping, die 3-Jahres-Frist und die Ehegatten-Regelung raus fielen, wäre es okay-ish. Mehr Evolution als Revolution, aber hey, I'll take it.

So macht es mir einfach Angst.
Kommen wir noch zu "the weird".

Das betrifft vor allem deren Abgrenzung von inter und trans. And oh boy, did they fuck up... 😑

Die Definition von "trans" geht einfach völlig an der Realität vorbei. Lena hat es schon gut zusammengefasst:

Laut @BMI_Bund ist eine Person trans, wenn ihre Geschlechtsidentität von ihrem "eindeutig weiblichen oder
männlichen Körperbild" abweicht.

Nach dieser Definition bin ich nicht trans, denn nach nem Jahr HRT weise ich definitiv kein "eindeutig männliches Körperbild" mehr auf.
Die Definition ist so absurd, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das vom @BMI_Bund wirklich so gemeint ist.

Es liegt gewiss nicht in ihrem Interesse, bereits medizinisch transitionierten Personen eine Änderung von Name und Personenstand zu erschweren.

Das ist Inkompetenz.
Diese Sicht aufs trans sein ist eher aus maximalem dyacis nonsense entstanden.

Sie wollten verzweifelt eine Abgrenzung zwischen trans und inter Personen finden, obwohl sich faktisch diese beiden Personengruppen überschneiden.

Fein säuberlich sortiert und so.
Während sie inter als "angeborene Variation der körperlichen Geschlechtsmerkmale" definieren, findet sich das "angeboren" bei trans nicht mehr.

Das muss doch auffallen, dass dadurch eine Lücke entsteht? Wo sich das Körperbild von trans Personen jetzt echt nicht selten verändert?
Überhaupt ist nach deren "Variante der Geschlechtsentwicklung" jetzt "Körperbild" die nächste Begriffsneuschöpfung, die völlig unklar ist.

Es ist soweit ich weiß kein medizinischer Begriff. Es geht darum wie du (vmtl. nackt?) aussiehst.
Es ist mir völlig unklar, wer das beurteilen soll und auf Basis welcher Kriterien. Soll ich mich etwa bei der gerichtlichen Anhörung ausziehen? Oder beim "Beratungs"gespräch? Irgendwie muss das ja geprüft werden, irgendwer muss dem Gericht das bescheinigen.
Schlimmer noch finde ich aber, dass überhaupt juristisch festgelegt werden soll, wer ein "eindeutig männliches" oder "eindeutig weibliches" Körperbild hat.

Da werden wieder Körper auf Basis geschlechtlicher Stereotypen definiert. Auch Haarlänge könnte z.B. als Kriterium gelten.
Liebes @BMI_Bund, wie wäre es wenn ihr eine moderne Definition von "trans" verwendet, wie "Geschlechtsidentität weicht vom bei Geburt eingetragenen Personenstand ab"? 🤔

Ja, dann könnten inter Personen die trans sind alternativ auch die Trans-Regeln nutzen. But why should they?
Personen mit einer attestierten "Variation der körperlichen Geschlechtsmerkmale" werden einen Teufel tun, statt des einfachen Attests den Weg über das teure Trans-Gerichtsverfahren zu gehen.

Und selbst wenn: so what? Why should you care? 🤷‍♀️ Sie bekommen dadurch keine Vorteile.
Wenn wir die #TSGReform mit dieser Müll-Definition von "trans" verabschiedet wird, wird es das reinste Chaos geben. So viel ist sicher.

Und da das @BMI_Bund schon beim PStG so stur war und ihren schlechten Entwurf durchgedrückt hat...

tl;dr:

Oh boy. Das wird furchtbar.
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