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Heute und morgen findet am VfGH die mündliche Verhandlung zur Kassenfusion statt. Irgendwas sagt mit, schwarz-blau wird froh sein, nicht mehr im Amt zu sein, wenn das Erkenntnis kommt.
Die Fragen haben es in sich.
Und der VfGH ist wieder mal von der legistischen Qualität genervt.
Der Antragsteller vergleicht die SV-Reform mit der Einführung des Rechtsverkehrs in Österreich. Der Gesetzgeber habe bei erstmaliger Regelung einer Materie einen weiteren Gestaltungsspielraum. (Dass die Bazis den Rechtsverkehr eingeführt haben, passt glaub ich nicht ins Beispiel)
Das Argument ist jedenfalls: Wenn wie jetzt Linksverkehr einführen würden, müsste es dafür ein sachliches Argument geben. Dasselbe gelte für die SV-Reform. Diese stehe im Widerspruch zum Sachlichkeitsgebot.
Die Neuregelung bringe keine Effizienzsteigerung und verstoße gegen das Prinzip der Selbstverwaltung.
Die von der Regierung genannten Einsparungspotenziale seien Zahlenspielereien ohne tatsächliche Grundlage, heißt es von Antragstellerseite. Wenn es um Millionen Versicherte gehe, müsse man sich bei der Folgenabschätzung schon ein bisschen mehr Mühe geben.
Der zweite Antragstellervertreter zeichnet von der ökonomischen Seite der Fusion ein insgesamt desaströses Bild: Die Regierung hat keine belastbaren Zahlen vorgelegt, die Fusionskosten werden in die hunderten Millionen Euro gehen.
Wie sollen sechs Arbeitnehmervertreter Millionen Versicherte effizient vertreten? Bisher habe man auf regionaler Ebene mit der Politik verhandeln können, das sei nun alles nicht mehr möglich.
Der Dritte Vertreter führt aus, dass die Aufsichtsrechte des Bundes gegenüber der Selbstverwaltung in der SVA künftig so ausgestaltet sein soll, dass sie einer Ko-Geschäftsführung gleiche. Das sei verfassungswidrig.
Jetzt sind die Vertreter der Bundesregierung am Wort. Es ist eine einigermaßen absurde Situation: Die Übergangsregierung verteidigt hier eine Vorlage ihrer Vorgängerin.
Die Verteidigungsstrategie ist interessant: Es gebe im B-VG keine Bestimmung, die vorschreibe, dass die Gesetzgebung immer effizient sein müsse.
Der Vertreter der Bundesregierung redet tatsächlich schon zehn Minuten darüber, dass die SV-Reform nicht effizient sein muss. Man hat den Eindruck er ist auch kein großer Fan.
Eine Beamtin Verteidugt jetzt die wirkungsorientierte Folgenabschätzung. Beim Ministerialentwurf sei noch nicht klar gewesen wie das Einsparungspotenzial aussehen werde. Deshalb gebe es Unterschiede zur Regierungsvorlage.
Verhandlungspause. Man hat bisher den Eindruck, dass die Vertreter der Bundesregierung nicht bereit sind sich für diese Reform über das notwendige Maß hinaus verheizen zu lassen.
Man hat die leise Vermutung, dass die Richter jetzt ihre Nachfragen absprechen. Auf die darf man jedenfalls gespannt sein.
Lienbacher will wissen, ob man die Antragseite die Grundlagenforschung als prozessuales Element der Gesetzgebung ansieht. Er tut das ganz offenbar nicht. Die Antragseite rudert etwas zurück und beruft sich auf den Vertrauensgrundsatz.
Lienbacher will wissen, wann das geprüft wird. Man merkt den Universitätsprofessor. Die Antragseite gibt Sicht wortreich geschlagen. Die Vertretung der Bundesregierung triumphiert und springt auf.
Schnizer will auch die übrigen Vertreter der Antragsteller hören. Es gebe unbestrittene Grundsätze für die Selbstverwaltung: Die Aufgaben müssen im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Mitglieder liegen und die Organe müssen demokratisch legitimiert sein.
Schnizer würde gerne wissen, in wie weit die Verankerung der sonstigen Selbstverwaltung im B-VG eine Garantie bestimmter Selbstverwaltungskörper mit sich bringt.
Die Vertreter der Antragsteller zögern zunächst, das Wort zu ergreifen. Der Schulklassencharakter öffentlicher VfGH-Verhandlungen ist immer wieder schön zu erleben.
Der Vertreter der AK führt aus, dass die Vertreter der Wirtschaft in der SV in einem Interessenskonflikt stünden, weil die Wirtschaft ein Interesse an guten Geschäften mit der SV habe, diese jedoch ein Interesse an niedrigen Preisen habe.
Der Vertreter der Bundesregierung sieht keine Bestandsgarantie einzelner Selbstverwaltungskörper. (Das scheint mir in meiner sehr bescheidenen Meinung auch schlüssig zu sein)
Schnizer will wissen, was dazu geführt hat, dass sich die Kostenschätzung zwischen Ministerialentwurf und Regierungsvorlage verzehnfacht hat. „Wir haben dazu keinen aktenmäßigen Vorgang.“ Alles Wesentliche stehe im Gutachten.
Raum fragt nach der Auflösung der Betriebskrankenkassen. Der Vertreter der Bundesregierung meint, wenn das problematisch wäre, hätte der VfGH das schon in den 90ern aufgreifen können.
Die Antragsseite moniert, dass Mitglieder von Kassen mit hohen Rücklagen diese durch die Fusion verlieren. (Der VfGH hat schon einmal entschieden, dass eine Übertragung von Kassenrücklagen auf finanziell ausgezehrte andere Kassen unzulässig war.)
Der nächste Fragenkomplex steht an, auf der Seite der Antragsteller werden Plätze getauscht. Grob gesprochen geht es jetzt um die Prüfung der neuen SV und ob diese effizient ist und ob die SV-Beiträge von der Finanzverwaltung eingehoben werden dürfen.
Antragsteller: Die Einhebung durch die SV führt dazu, dass nicht nur die Beiträge eingehoben werden, sondern auch geprüft wird, ob die Unternehmen die Beiträge und damit die Gehälter richtig berechnen. Die Finanz mache das nicht.
Die Finanzbehörden seien auch nicht effizienter geworden, womit die Bundesregierung die Beitragseinhebung durch diese gerechtfertigt habe. Es wird ein Bericht der Finanz vorgelegt, der das unterstreichen soll.
Die Prüfung kleiner Unternehmen sei ein kleinteiliges Geschäft, das eine hohe arbeitsrechtliche Kenntnis voraussetze. Der Rechnungshof habe daher auch dafür plädiert, diese Prüfkompetenz den GKK zu überlassen. Die Bundesregierung verschweige das in ihrer Begründung.
Zusammenfassung: Die Bundesregierung soll mehr oder weniger gelogen haben, was die Fähigkeiten der Finanzämter anbelangt, die SV-Beiträge zu prüfen.
Die juristische Kerfrage: Gehört es zur Selbstverwaltung, die eigenen Mittel aufzubringen und zu verwalten? Es ist eine der größeren Schwachstellen der Reform.
Der Vertreter der Antragsteller vergleicht die SV-Reform mit dem schwarzen Ritter aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“: Am Ende steht er ohne Gliedmaßen da.
An Wort ist die Bundesregierung: Die angebliche Schwäche der Finanz sei dadurch zu wiederlegen, dass bereits gemeinsame Überprüfungen stattfänden.
Durch den Einsatz neuer EDV-Methoden sei man nun sogar effizienter als die SV.
Schnizer fragt nach den unterschiedlichen Interessenslagen bei der Einhebung von Beiträgen in der nichtterritorialen Selbstverwaltung. Hat die SV ein erhöhtes Interesse an der Einhebung ihrer Beiträge, als zB die Arbeiterkammer?
Antwort: Wenn ich versichert bin habe ich ein großes Interesse daran, dass die Beitragsgrundlage, auf deren Grundlage ich einmal die Pension bekomme, sauber berechnet wurde. Darauf achten die Vertreter der unselbständig Erwerbstätigen in der SV.
Der Vertreter der AK führt aus, dass sie durch die Beitragsprüfung der SV bei Vorbringen ihrer Mitglieder Überprüfungen anregen kann. Das in den Machtbereich der Wirtschaft zu geben, bedeute den Bock zum Gärtner zu machen.
Bundesregierung: Eine Reform im System stößt an organisatorische Grenzen, deshalb braucht es eine Reform des Systems. Auch der Staat habe ein Interesse an der effizienten Bemessung der Beitragsgrundlagen.
Jetzt geht es darum, ob man die Prüfer der SV überhaupt der Finanz zuweisen darf. #ohdumeinÖsterreich
Schnizer fragt nach den derzeitigen Prüfintervallen: Es gibt einen gemeinsamen Prüfungstopf. Es gibt mittlerweile eine risikoorientierte Fallauswahl. Die Bundesregierung gibt nebenbei zu, dass es bereits einen Azstausch mit der SV gibt.
Die Vertreter der Gegenseite befürchtet nach wie vor, dass die Prüfdichte nachlässt.
Schnizer hakt nochmal nach: Wie oft wird geprüft? Bei der SV sind es drei bis vier Jahre. Bei der Finanz? „Wird schon auch so sein.“
Der AK-Direktor führt aus: Es gibt 20.000 Prüffälle im Jahr.
Gibt es unterschiedliche Methoden oder Grundlagen für die Prüfung, die nur der SV zur Verfügung stehen? Man hat die Prüfung dient aufgestellt. Die Finanz hat Zusatzinformationen, die der SV nicht zur Verfügung stehen.
„Haben wir noch Zeit, dass ich ein kleines Beispiel bringe?“
„Wenn‘s klein ist.“

Die SV besteht auf ihrer Effizienz und bemüht den Vergleich von Obstbauern, die Äpfel und Birnen anbauen.

Grabenwarter: „Was sagt der andere Obstbauer dazu?“

Der hat eine andere Meinung.
Herbst kommt auf die juristische Kernfrage zurück: Gehört die Finanzierung zum eigenen Wirkungsbereich? „Es geht mir hier ausnahmsweise nicht um die Effizienz.“
Richter Herbst geht davon aus, dass wenn die Festsetzung der Beiträge zum eigenen Wirkungsbereich gehört, auch die davorliegende Prüfung dazu gehört.
Vertreter der Bundesregierung: „Kann man so sehen.“
Darf der Prüfdienst nur tätig werden, wenn die Gesundheitskasse das anfordert, wie es im Gesetz steht? Die Bundesregierung glaubt, dass man auch von amtswegen prüfen darf. Im Gesetz steht das freilich nicht. Es ist wieder mal ein legistischer Humunkulus.
Warum haben sie eigentlich nicht den § 5 und den § 6 angefochten? will Herbst von den Antragstellern wissen. Retrospektiv sei der Antrag natürlich optimierbar, heißt es von deren Seiten. Im Raum liegt der Duft einer amtswegigen Prüfung.
Herbst will wissen, warum Bestimmungen, die erst in Kraft tritt, bereits bei den Zivilgerichten liegt. Die zuständige Richterin des antragstellenden Landesgerichtes führt aus, dass es um eine Unterlassungsklage geht. Es sei überhaupt ein merkwürdiges Gesetz.
Einer der Antragsteller merkt an, dass seine Seite das ganze Gesetz angefochten hat. Achatz bringt ein Fallbeispiel: Wie kann die Gesundheitskasse ihre Rechtsansicht durchsetzen, wenn sie glaubt, dass die Bemessungsgrundlage anders ausfallen sollte?
Man dürfe sich was wünschen aber man dürfe nicht selber prüfen, beklagt die AK. Die Reform der Finanzamtsstruktur dürfte keine Auswirkungen haben.

Der Verhandlungstag ist beendet, morgen geht’s weiter.
*Rami
Zweiter Verhandlungstag. Heute medial dünner besucht, aber inhaltlich wohl noch brisanter.
Es geheim einen Knackpunkt der Reform: in der neuen Sozialversicherung sind Dienstgeber und Dienstnehmer paritätisch vertreten. Damit hat man die (großteils roten) Dienstnehmervertreter, die zuvor in der Mehrheit waren, reduziert.
Die Antragsteller sehen darin die Selbstverwaltung durch die Mutglieder gefährdet. Das ist (meiner bescheidenen Meinung nach) der juristisch stärkste Angriffspunkt gegen die Kassenreform.
Einer der Vertreter der Antragsteller führt aus, dass es im ASVG gar keine Definition von Mitgliedern der Sozialversicherung gibt. Ein Nebengesetz kennt allerdings Mitglieder, die von Arbeitgebern beschäftigt werden, woraus zu schließen sei, dass Dienstgeber keine Mitglieder sind
Die Dienstgeber seien seit 1888 in der Krankenversicherung vertreten. (Das ist übrigens das Jahr in dem Wilhelm II. deutscher Kaiser wurde). Das sei historisch bedingt, die DG seien aber nie Mitglieder, sondern nur Außenstehende gewesen.
Selbst unter dem Dollfuß-Regime hätten die Dienstgeber nur ein Drittel im Selbstverwaltungskörper ausgemacht. Unter Kurz soll es jetzt die Hälfte sein.
Die Dienstgeber, so die Antragseite, hätten in der Selbstverwaltung eigentlich nichts verloren. Die Parität führe zu einer Fremdverwaltung. Gegen die Stimmen der Dienstgeber könne kein Beschluss mehr fallen.
„Die Parität ist verfassungswidrig.“
Ein Vertreter der Antragsteller zitiert einen wissenschaftlichen Beitrag eines der anwesenden Richter. Demnach ist die Dienstgeberbeteiligung akzeptabel. Dass diese die Hälfte der Sitze erhalten, sei jedenfalls nicht gedeckt.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten kein gemeinsames Interesse in der Sozialversicherung. Das Interesse des Arbeitnehmers an der eigenen Gesundheit sei naturgemäß größer als das des Arbeitgebers.
Die Dienstgeber bezahlen 28% der SV-Kosten, erhalten dafür aber die Hälfte der Stimmen. (Wie das alles verfassungskonform sein soll, möcht ich mir anschauen.)
Ein Handy lässt kurzzeitig das Mikrofon verrückt spielen. Meines ist es nicht.
Die Qualifikation der Dienstgeber als Außenstehende habe keinen Einfluss auf deren Beitragspflicht. Die Einhebung könnte ggf im übertragenen Wirkungsbereich erfolgen.
Here comes the Bundesregierung: Man geht davon aus, dass die Beitragsschuldner Mitglieder sind. Das träfe auch auf die Dienstgeber zu. In der Stammfassung des ASVG sei ersichtlich, dass diese Mitglieder seien.
Das überwiegende Interesse der Arbeitgeber an der Krankenversicherung spiele keine Rolle, es sei ein gemeinsames Interesse mit den Arbeitnehmern. Es wird auch mit einem Präzedenzfall bei der Zahnärztekammer ausgeführt, den ich dem werten Leser aber erspare.
Beitragsverpflichtet sind beide Seiten, Beitragsschuldner ist der aber der Dienstgeber. Das Abzugsrecht des DG gegenüber dem DN ist beschränkt. Zieht er nicht ab, muss er selber bezahlen.
Die Bundesregierung tut sich sichtlich schwer damit zu belegen, dass der Dienstgeber ein gleichwertiges Interesse an der Gesundheit des Dienstnehmers hat, wie dieser selbst.
Verfassungsrichter Schnizer heizt der Bundesregierung ein: Er will wissen, ob das Interesse des Dienstgebers daran, dass ein Mitarbeiter wieder arbeiten kann, gleichgwichtig sei, wie das Interesse des Versicherten gesund zu werden und damit nicht seine Beschäftigung zu verlieren.
Die Vertreterin des Sozialministeriums schwimmt. Der Verfassungsdienst übernimmt: Es gehe nicht um das gleichgewichtige Interesse. Das habe sich schon beim Erkenntnis des VfGH bei der Definition der Konzipierten als Mitglieder der Rechtsanwaltskammer gesehen.
Wäre es zulässig, dass der Gesetzgeber eine paritätische Vertretung der Arbeitnehmer in der Wirtschaftskammer vorsieht? (Schnizer ist sichtlich nicht überzeugt von den Argumenten der Bundesregierung)
Ist das gemeinsame Interesse an der Versicherung in erster Linie das gemeinsame Tragen des Risikos? (Längeres Schweigen) Kann man so sehen, sagt die Vertretung der Bundesregierung.
Jetzt geht es um die Kontrollfunktion der Arbeitgeber: In den Kontrollgremien waren sie bisher schon in der Mehrheit. Das erkennt die Antragseite scheinbar auch als gerechtfertigt an.
Kann diese Kontrollfunktion das gemeinsame Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründen? Das wird der VfGH zu klären haben. Währenddessen redet die Vertreterin des Sozialministeriums den Dienstgebern das Wort. Das hat die Zweite Republik wohl auch noch nicht gesehen.
Schnizer hat noch zwei Fragen, will aber auf eine verzichten, weil er schon so viel gefragt hat. Jetzt stellt er sie doch. Die Antragsteller: Die Frage, ob Dienstgeber Mitglieder sind, hat für die Frage zur Zulässigkeit der Parität keine Bedeutung.
Jetzt wird Art 1 B-VG zitiert.
Über sieben Millionen Dienstnehmer (sechs Mandate) stehen 150.000 Dienstgebern in der WKO (fünf Mandate) und 150.000 anderen Dienstnehmern (ein Mandat) gegenüber. Das widerspreche dem demokratischen Grundprinzip.
Die historisch gewollte Mehrheit der Dienstnehmer werde nun zu einer parteipolitischen Mehrheit. Die ÖVP hat allein bei den Vertretern der WKO eine Zweidrittelmehrheit.
Warum bleibt bei den Beamten die Dienstnehmermehrheit? (Spoiler: Weil sie schwarz sind)
Vizepräsident Grabenwarter: Wie viele Versicherte sind keine Beitragszahler? Es geht um Kinder, Pensionisten, Studenten etc. Die Antragsteller liefern die Zahlen gerne nach.
Rami an die BReg: Wäre eine Dienstgebermehrheit zulässig?

(Es ist eine gefinkelte Frage. Wenn bisher die Dienstnehmer die Mehrheit hatten und die Interessen ja so gleich sind: Warum nicht auch eine Dienstgebermehrheit?)
Die Vertretung der Bundesregierung redet sich raus.
Richterin Siess -Scherz fragt nochmal nach was die Problematik iH auf das Hauptverbandserkenntnis des VfGH (damals wurde eine ähnliche Regelung gehoben) betrifft. Der Äußerung der Bundesregierung möchte er nichts hinzuzufügen, sagt deren Vertreter. Sagt auch was.
Nach einer Pause geht es jetzt um die Entsendung der Versicherungsvertretung. (Referent im Fall ist übrigens Abdreas Hauer)
Der VfGH hat folgende Fragen an die Parteien:
Grundsätzlich sieht es so aus als habe der VfGH schwere Zweifel daran, dass man demokratisch entsandte Vertreter einem Eignungstest unterziehen kann.
In der ersten Republik wurden die Sozialversicherungsvertreter noch direkt gewählt. 1935 wurde das vom Dollfuß-Regime abgeschafft. 1945 wurde das beibehalten, weil die Direktwahl nach dem Krieg als zu kostspielig angesehen wurde, führt die Antragseite aus.
Eine Wiedereinführung der Direktwahl wäre demnach möglich.

Jetzt spricht die Vertreterin des Seniorenrates (dessen Antragslegitimation in Zweifel steht, weil der Gesetzgeber einen nicht existierenden „Bundesseniorenbeirat“ ins Gesetz geschrieben hat.)
Der Ausschluss der Pensionisten von der Organkreation in PVA und ÖGK sei verfassungswidrig. Dem Seniorenrat wäre eine Entsendebefugnus einzuräumen (auch wenn er selbst keine Selbstverwaltungskörperschaft ist).
Der Seniorenrat wurde sogar zur Entsendung aufgefordert, hat das aber abgelehnt, weil er eben nicht im Gesetz steht.
Korrektur: den Bundesseniorenbeirat gibt es tatsächlich, er ist aber nur ein Beratungsgremium des Sozialministeriums und war offensichtlich nicht gemeint.
Die Arbeiterkammer hat übrigens eine andre Meinung als der Seniorenrat. Sie sei gesetzlich auch zur Vertretung der Pensionisten berufen. (Ganz persönlich glaube ich nicht, dass der Seniorenrat eine Chance hat, einen Vertretungsanspruch durchzusetzen.)
Jetzt geht es um das Vorschlagsrecht des ÖGB zur Ernennung von Vertretern. Die AK sagt durch die Blume, dass der LGB keine demokratische Legitimation hat (und hat damit auch Recht).
Demokratische Legitimation in der Selbstverwaltung müsse an die Betroffenheit anknüpfen und nicht an die Qualifikation. Der im neuen System vorgesehene Rignungstest widerspreche dem demokratischen Prinzip.
Was wäre wenn man einen solchen Test bei Nationalratswahlen einführen würde? Immerhin habe es in der Vergangenheit auch einen Kanzler gegeben, dem man vorgeworfen habe nur einen Taxiführerschein zu besitzen.
Der @VfGHSprecher hat die Anträge, die hier seit zwei Tagen verhandelt werden, übrigens hier zusammengefasst: vfgh.gv.at/medien/Sozialv…
Am Wort ist der Vertreter der Bundesregierung: Der Gesetzgeber habe einen weiteren Gestaltungsspielraum bei der demokratischen Legitimation der nichtterritorialen Selbstverwaltung. Eine Direktwahl sei grundsätzlich zulässig.
Die Pensionsbezieher als bloße Leistungsbezieher in geringerem Maße einzubinden, sei gerechtfertigt.
Jetzt muss das Sozialministerium die Geschichte mit dem Bundesseniorenbeirat erklären. Es sei ein Redaktionsversehen, das man im Interpretationsweg lösen könne. Allerdings sei eine Bereinigung durch den Gesetzgeber wünschenswert.
(Der VfGH scheint eher nicht an die Interpretationslösung zu glauben.)
Zur Eignungsprüfung: Die Bundesregierung bestreitet deren Unzulässigkeit. (Richter Schnizer liegt mittlerweile so tief in seinem Sessel, dass die Gefahr besteht, er könnte unter den Tisch fallen.)
Das Sozialministerium erklärt jetzt, dass die Vertreter ja geloben, dass sie alle Rechtsvorschriften einhalten müssen. Da könne man das ja auch abprüfen. Schnizer will wissen, ob man dann auch einen Bundesminister prüfen könne, der gelobe das ja auch.
Das glaubt man beim Verfassungsdienst nicht.

Schnizer wird fruchtig: Kann sich ein staatliches Organ aussuchen, wer demokratisch vertreten dürfe.

Die Frage müsse man präzisieren, sagt der Regierungsvertreter.

„Des moch i scho söba.“ sagt Schnizer.
Es geht darum, dass der Minister die Qualifikation der Vertreter feststellen soll.
Vom Seniorenrat will Schnizer wissen, wie sich das Interesse der Pensionisten in der SV von jenen der Dienstnehmer unterscheiden.

(Ein Richter hat vergessen sein Handy auf lautlos zu stellen, man hört kurz die Tonspur eines Videos. Ich nenne keine Namen.)
Die Seniorenvertreterin sagt die Pensionisten haben ähnliche Interessen wie die aktiven Dienstnehmer. (Damit können sie auch von der AK vertreten werden. Ich hab den Eindruck, die haben sich gerade selber abgeschossen.)
Hörtenhuber will wissen, was mit der Verletzung des passiven Wahlrechts der Versicherten gemeint war. Er fragt auch, ob die Vertreter der Körperschaften in der SV nicht auch andere Interessen zu vertreten haben, als die der entsendenden Körperschaft.
In Sachen Wahlrecht rudert ein Vertreter der Antragsteller zurück. Es geht nicht um ein passives Wahlrecht sondern um die Aussuchbarkeit. Man müsse da mit einer Analogie arbeiten. Voraussetzung für eine Anslogie sei eine Lücke, sagt Grabenwarter. Es wird unangenehm.
Ein zweiter Vertreter sekundiert: Nach herrschender Meinung sei unter Wahlen iSd Art 120c B-VG auch die weitere Entsendung zu verstehen. Insofern keine Analogie nötig.
Auch Herbst fragt jetzt nach der Eignungsprüfung und will wissen, ob eine staatliche ex post Aufsicht nicht denselben Zweck erfüllen kann.

(Mittlerweile würde ich Wetten darauf abschließen, dass die Sache mit den Eignungstests schneller fällt als die Maginot-Linie.)
Die Vertreterin des Sozialministeriums soll den Eindruck der Regierung zu dieser Sache mitteilen. Sie stockt und meint, sie glaubt, dass „es nicht schaden wird“ wenn es diesen Eignungstest gibt.
Hörtenhuber hat sich auf das Argument mit dem passiven Wahlrecht eingeschossen. Er scheint vom Art 120c Argument nicht sonderlich überzeugt zu sein.
Die Senioren sind überzeugt, dass sie eine eigene Vertretung verdienen.
Rami will wissen ob es verfassungsrechtlich geboten ist, dass jede Versichertengruppe von ihren eigenen Vertretern repräsentiert wird, zum Beispiel auch Kinder. (Seine Fragen sind so fies.)
Noch eine böse Frage an die Bundesregierung: Kann man auch für Gemeinderäte Eignungstest vorsehen?
Das ist natürlich was anderes.
Woher kommt die Idee mit den Eignungstest überhaupt, will Kahr wissen. Im Ministerialentwurf wären die Dienstgeber von der Prüfung noch ausgenommen gewesen, heißt es von Antragstellerseite. (Soll heißen: Ziel war es immer die Arbeitnehmervertreter zu gängeln.)
Es kommt der letzte Fragenkomplex: Sonstiges.
Darf das Ministerium auch die Zweckmäßigkeit der SV-Entscheidungen prüfen? (In der Selbstverwaltung wird für gewöhnlich nur die Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit geprüft.)
"Ich habe die Ehre, die letzte Frage zu beantworten.“
„Vorläufig.“
Es geht um ein Seitenthema: Ist die Abgeltung der Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitslosen verfassungswidrig? Es sei eine Hochrisikogruppe die man dann zur Versicherung zuweise, wenn der Versicherungsfall eintritt.
Das wäre als würde man jemanden für einen Autounfall versichern, der schon passiert ist.
Die GKK bekamen letztes Jahr 17,8 Millionen an Beiträgen für Arbeitslose, aber hätten sogar bei durchschnittlichem Schadensverlauf (aka Krankheit) 45 Millionen an Kosten.
Die Rechnung betrifft die KGKK. Das Sozialministerium widerspricht dieser Darstellung und sagt: „Direkte Zahlen gibtves nicht.“
Die Arbeitnehmervertreter fühlen sich bei der Bestellung der Büroleiter in der neuen SV in ihren Rechten verletzt und haben Beschwerde erhoben. Dadurch könnte die kommissarische Leitung wiederaufleben, so die Befürchtung der Antragsteller. Das bestreitet das Sozialministerium.
Man merkt, wir sind im Potpourri der weiteren Fragen angekommen.
Brandstetter fragt, was die Antragsteller zur Versicherung der Häftlinge sagen.
Diese: Es ist Zulässig defizitäre Gruppen zu versichern. Der Unterschied: Die müssten von Beginn an bei der GKK versichert werden, die Arbeitslosen werden im Versicherungsfall in die GKK verschoben.
Der Eintritt der Arbeitslosigkeit sei ja noch nicht der Versicherungsfall, das wäre eine Erkrankung, wendet Hörtenhuber ein. Der Versicherungsfall sei bei Arbeitslosen statistisch aber sehr viel höher, so die Partei.
(Ich glaub in dem Punkt haben die Antragsteller keine guten Karten.)
Jemand hat gerade "das Pauschale" gesagt. Das heißt @georg_renner muss ein Kerzerl im Stefansdom anzünden.
Am Nachmittag kommen die Experten, bis dahin wird unterbrochen.
Verhandlung geht weiter. Es sind jetzt auch zwei Herren von der Cobra da. Wird schon seinen Grund haben.
Jetzt wird mit Universitätsprofessoren geschossen.
Die Antragsseite führt aus, dass man die Aufsicht des Sozialministeriums über die Sozialversicherung ganzheitlich sehen solle. Die Zweckmäßigkeitsprüfung überschreite die Grenzen des verfassungsrechtlich zulässigen.
Bereits Beschlüsse die die tägliche Arbeit der Sozialversicherung beträfen, würden der Aufsicht unterliegen. So koste das derzeit teuerste Medikament, eines gegen Muskelatrophie, zwei Millionen Euro. Solle wirklich die Aufsicht die Zweckmäßigkeit dieser Behandlung entscheiden?
Die Zweckmäßigkeitsaufsicht sei ein „Scheunentor zur Beliebigkeit“.
Die Aufsicht könne nun beispielsweise zweimal Punkte von der Tagesordnung des Entscheidungsgremiums nehmen. Man habe nun bei der Fusion eine Mustergeschäftsordnung erlassen. Die kann nun wegen der Parität nicht mehr gegen die Arbeitgebervertreter geändert werden.
Jetzt geht es um die Expertise der Auskunftsperson der Bundesregierung, Prof. Werner Hoffmann. In seinem Gutachten seien die Mitarbeiter in die Verwaltungskosten eingerechnet, das sei die falsche Basis, so die Antragsseite.
Einmal habe er die Verwaltungskosten berechnet und dann noch einmal die teilweise schon darin enthaltene Beschaffung dazugezählt. Schon bisher habe es eine gemeinsame Einkaufspolitik der Sozialversicherungen bei Heilbehelfen gegeben, da seien keine Synergieeffekte zu erwarten.
Eine Richterin verteilt Zuckerl an die Kollegen ❤️
Prof. Hoffmann sagt er schätzt kritischen Diskurs und will alle Vorwürfe entkräften.

Die Fusion führe nicht nur in den Krankenversicherungen zu Einsparungen. Die gemeinsame Beschaffung werde zu einer deutlichen Reduktion der Verwaltungskosten führen.
Der Rechnungshof habe zB die Nichtausübung der Marktmacht durch den Hsuptverband kritisiert.
„Ich hab nicht 1,5 Milliarden genommen und mit irgendeiner Hausnummer multipliziert.“ Es sei immer um die Gesamtverwaltungskosten gegangen.
Man habe den einzelnen Faktoren unterschiedliche Einsparungspotenziale zugewiesen. Man sei davon ausgegangen, dass von drei Stellen eine nicht nachbesetzt wird. Man habe nicht einmal eingerechnet, dass junge Mitarbeiter auf den nachbesetzten Stellen weniger kosten.
Das Kompetenzzentrum für die Beschaffung von Heilbehelfen und Hilfsmitteln sogar mit aufgebaut, so Hoffmann. Die Marktmacht sei nur nie genutzt worden. In der IT habe man noch immer drei Rechnerzentren, da seien deutliche Einsparungen möglich.
Er habe die Fusionskosten mit 300 bis 400 Millionen Euro sogar relativ hoch angesetzt, so der Experte der Regierung.
Alle neun GKK seien in Österreich angesiedelt und hätten dieselbe Kultur. Das vereinfache die Fusion. Er könne keine exakte Rechnung vorlegen, aber wenn man die 300 bis 400 Millionen Euro in die Hand nehme, habe man danach eine moderne Organisation.
Die neue Struktur sei eine Chance, Partikularinteressen zurückzudrängen und Gesamtinteressen in den Vordergrund zu stellen, so Hoffmann.
Auftritt Schnizer: Frage an das BMASGK: Hat es vor dem Gutachten Hoffmann irgendwelche Bewertungen der Sachlichkeit gegeben? Das Gutachten kam erst nach Inkrafttreten des Gesetzes.
Hofmann habe schon während des Prozesses beraten.
Gibt es irgend einen Akt zur Kassenfusion?
Nach Wissen der Vertreterin des Sozialministeriums nicht. Nur den Akt zur Honorarnote für Hoffmann.

(Das ist schon ein starkes Stück. Man hat eine Milliardenfusion nicht veraktet.)
Die Fusion sei in Hoffmanns Gutachten (29 Seiten) mit der BPG-Reform (Betriebspensionen?) 1992 verglichen worden. Das sei Jahre her, so Schnizer, der jetzt Detailfragen zum Gutachten und den Berechnungen stellt. Das Gutachten sei sehr „zusammengefassend“.
Hoffmann wirkt jetzt deutlich getroffen. Nachdem Schnizer ihn nochmal unterbricht, sagt er er habe diesen auch ausreden lassen. Er wolle hier dessen schwerwiegende Vorwürfe in aller Deutlichkeit widerlegen. Die IT-Kosten habe er zB direkt beim Hauptverband erfragt.
Er will nicht den Eindruck erwecken, dass das Ergebnis seines Gutachtens eine mathematisch eindeutige Rechnung sei, so Hoffmann. Es sei eine Modellrechnung.
Schnizer fragt nach einer Quelle für ein im Gutachten genanntes Einsparungspotenzial. Das stamme von der Bundesbeschafgung, so Hoffmann. Er werde schauen, wie er das öffentlich machen kann.
Claudia Kahr fragt nach der Berechnung Personaleinsparung. Für eine bottom-up-Analyse hätte man tiefer in der Struktur sein müssen, so Hoffmann. Die top-down-Vorgabe sei bei Fusionsprozessen durchaus möglich.
Die Antragsseite merkt an, dass die gesamten Verwaltungskosten eingerechnet wurden, denn für die hier entscheidende Frage sei ausschließlich die Gusion maßgeblich und nicht etwaige weitere Einsparungen.
Wie man aus 500 Millionen jährlicher Verwaltungskosten 300 Millionen Einsparungen herausholen wolle, solle man erst zeigen. Es seien in den vergangenen Jahren bereits Einsparungspotenziale gehoben worden.
Auch der Experte der Gegeseite kritisiert, dass Hoffmann nicht nur die Fusion betrachtet habe. Bei der SVA ändere sich zB nicht viel, aber sie werde trotzdem eingerechnet. Bei Sachkosten von 204 Millionen seien keine großen Summen herauszuholen.
Die IT habe einen Kostendeckel gehabt. Deshalb gebe es dort eher Nachholbedarf und höhere zu erwartende Kosten.
In Deutschland wurden über 1.000 Sozialversicherungsträger zu etwa 260 fusioniert. Nirgendwo seien Einsparungen in den Verwaltungskosten nachweisbar gewesen.
Prof. Hoffmann erwidert: Die Strukturreform schaffe natürlich eine Grundlage für Synergieeffekte im Gesamtsystem. Sein Gutachten werde missverstanden. Das Reslisationsrisiko trügen nicht die Gutachter, sondern die Sozialversicherung.
Die Sitzung ist geschlossen, das Erkenntnis fällt wie üblich zu einem späteren Zeitpunkt.
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