Mathematik für Politiker*innen (Frau Dr. Merkel ausgenommen)
Lektion 7: Mathematik, Wissenschaft & Realität
Ein großes Bildungsdefizit ist, dass die meisten Menschen die Rolle von Mathematik in den Wissenschaften & damit für unser Verständnis von Realität nicht verstehen. 1/21
Schon vor tausenden Jahren haben Menschen Mathematik verwendet, um den Lauf der Sterne vorherzusagen, wann es Mond- & Sonnenfinsternisse gibt. Mathematik war ein Instrument der Macht, zum Beispiel von Hohepriestern, die ihr Wissen über die nächste Sonnenfinsternis nutzten. 2/21
Lange war der Zugang zu Bildung der herrschenden politischen Klasse vorbehalten. In Demokratien ist dies durchaus anders. Allerdings beobachten wir hierbei gleichzeitig einen erschreckenden Verlust des Wertes, den Wissenschaft in der Politik hat. 3/21
Wissenschaften verwenden Mathematik zur Formulierung von Gesetzen, nach denen sich aus einer mehr oder weniger vollständigen Beschreibung des beobachteten Zustandes der Realität eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Realität erstellen läßt. 4/21
Diese Gesetze sind nicht verhandelbar. Sie fußen auf immer und immer wieder überprüften Beobachtungen und der unbeugsamen inneren Logik von Mathematik. Warum das so ist, können wir Menschen nicht ergründen. Aber es ist sinnlos, dies nicht zu akzeptieren. 5/21
Ein Apfel, den ich loslasse, wird mit absoluter Sicherheit zu Boden fallen. Dieses Gesetz kann nicht gebeugt, nicht umgangen werden. Bei anderen Vorhersagen ist das Resultat nicht 100% sicher, weil die Ausgangslage nur unvollständig bekannt ist. Wetter ist gutes Beispiel. 6/21
Bei der #Pandemie und der #Klimakrise haben wir die Situation, dass die Wissenschaft ziemlich genau vorhersagen kann, was passieren wird, wenn wir nicht gegensteuern. Aber hier zeigt sich das erste große Missverständnis, das Politik heute mit Wissenschaft hat. 7/21
Denn eine Prognose, mit 60% Wahrscheinlichkeit haben wir Ende Mai 30.000 weitere Tote heißt *nicht*, dass wir mit 40% Wahrscheinlichkeit *keine* weiteren Toten haben, sondern vielleicht 20.000, oder 50.000. Genauso mit den Angaben zum Temperaturanstieg beim Klimawandel. 8/21
Es ist Illusion, bei Prognosen darauf zu bauen, dass es ganz anders kommen könnte. Es kommt vermutlich ein wenig anders, aber dass es ganz anders kommt, ist beliebig unwahrscheinlich. Denn die mathematischen Gesetzmäßigkeiten sind unerbittlich, unsere Datenlage gut genug. 9/21
Damit tut sich die Politik allerdings unendlich schwer. Die Politik ist in einem für sie nicht auflösbaren Dilemma gefangen. Meistens setzt sie sich mit Dingen auseinander, bei denen sie Spielraum hat und bei denen ... 10/21
verschiedene politische Ideen gleichberechtigt um Deutungshoheit ringen. Vor allem und gerade in einer Demokratie.
Die Pandemie, und genauso die Klimakrise, konfrontieren die Politik mit Dingen, bei denen der Handlungsspielraum, ... 11/21
wenn man die wissenschaftlich erhobene Faktenlage und die wissenschaftlichen Prognosen daraus zugrunde legt, praktisch null ist. Auch gibt es keine echte Deutungshoheit, es sei denn, man stimmt der wissenschaftlichen Sicht zu, oder man stellt sich ihr leugnend entgegen. 12/21
Das ist für Politiker*innen ein echtes Problem. Es berührt den Kern ihres Selbstverständnisses, dass sie es sind, die gestaltend Macht ausüben. Wer Vollblut-Politiker*in ist, erlebt das als einen Angriff der Wissenschaft auf ihren*/seinen* Machtanspruch. 13/21
Ich glaube, dass wir deshalb so viele Politiker*innen erleben, die geradezu getrieben sind, entgegen der wissenschaftsbasierten Vorschläge zu agieren, weil sie es für sich persönlich nicht ertragen können, dass Wissenschaft, und letztlich die Natur selbst, ihnen ... 14/21
eigentlich vorschreibt, was die einzig vernünftige Handlungsweise ist. Anders kann ich mir nicht erklären, warum sich vor allem MP und KM in letzter Zeit mehr wie Feudalherren aufführen, die in vollem Vorsatz in gefährdender Weise über ihr jeweiliges Landesvolk verfügen. 15/21
Hinzu kommt, dass Politiker*innen etablierte Gestaltungsprozesse haben, in denen von Wissenschaft und Naturgesetze diktierte Sachzwänge nicht vorgesehen sind. Dort geht es um Interessenausgleich, vor allem mit Lobby-Gruppen. 16/21
Bei dieser Art des Schachspiels wissen Politiker*innen einfach nicht, wie sie unabänderliche Sachzwänge mit berücksichtigen sollen. Im Grunde sind sie da völlig ziel- und planlos. Was sie natürlich kaschieren müssen. 17/21
Und dann kommt so was heraus wie Herr Altmeier, der genau weiß, dass er gegen jede Vernunft sachlich gesehen Unsinn redet, aber gefangen ist in seinen rein politischen Denkstrukturen, in denen es allein darum geht, ... 18/21
den Interessenausgleich unter den Lobby-Gruppen zu finden, der den eigenen politischen Zielen am meisten nützt. Er spürt die kognitive Dissonanz, aber könnte nur etwas daran ändern, wenn er bereit wäre, auf einen Teil des Gefühls, Macht zu haben, bewusst zu verzichten. 19/21
Das aber geht nicht, denn fast alle Politiker*innen sind süchtig nach diesem Gefühl. Das wissen sie auch. Und deshalb agieren sie sichtbar verlogen. Sie können diese selbst wahrgenommene Dissonanz nicht vollständig verbergen. 20/21
Ich fürchte jedenfalls, dass das politische System derzeit so funktioniert, dass es im Grunde unfähig ist, mit Phänomenen umzugehen, die ausschließlich mit wissenschaftlichen Methoden bewältigt werden können. Unser politisches System ist intrinsisch unwissenschaftlich. 21/21
Addendum: zwar auf Englisch, aber sehr lesenswertes Essay über die Rolle der Mathematik in den Wissenschaften, von einer der ganz großen Persönlichkeiten der Wissenschaft, Eugene Wigner: maths.ed.ac.uk/~v1ranick/pape…
Übungsaufgabe: Diskutiere, wie Politik den Diskurs versucht zu verschieben, weg von wissenschaftlich beweisbaren Sachzwängen auf „weiche“ Themen (harte Fakten zugunsten von Meinungsfragen ignorieren), und wie hier sogar ethische Fragen pseudowissenschaftlich eingesetzt werden.
Für die, die es interessiert, hier noch der Link zu Lektion 6: #YesToNoCovid#NoCovid
Vorgestern wurde in unserem Hinterhof ein sehr großer Baum gefällt. Stammumfang 3,89 m. Stand da länger als fast alle, die hier wohnen, schon leben. War im Umkreis von ein paar hundert Metern der größte Baum. Stammplatz unzähliger Vögel. Ein gesunder Baum. 2/10
Er wurde gefällt, weil er plötzlich mit seinen Wurzeln Keller und Fundamente von Häusern beschädigte, die zum Teil auch schon sehr lange hier stehen. Jahrzehnte lang existierten Häuser und Baum friedlich nebeneinander. Doch die Stadt sprach eine Fällgenehmigung aus. 3/10
Die „westlichen Länder“ haben sich mit ihrer #Corona-Strategie gründlich verzockt. 1. es gab nie das Commitment zur Elimination oder wenigstens zur strikten Kontrolle (d.h. Halten niedriger Inzidenzen) 2. es wurde ausschließlich auf Impfung als Exit-Strategie gesetzt
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3. Wissenschaft durfte hie und da Evidenz liefern (sofern sie genehm war), doch die „predictive power“ der theoretisch arbeitenden Wissenschaftler*innen wurde weitgehend ignoriert. 4. Die Erfahrungen andere Länder (asiatische und ozeanische) wurden als unbrauchbar verworfen.
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Und nun stehen die westlichen Länder möglicherweise vor einem Scherbenhaufen:
- Mutationen, die schneller, als uns lieb sein kann, die Impfungen ineffektiv machen
- Mutationen, die selbst mit schärfsten Lockdowns kaum kontrolliert werden können (Erhöhung von R0)
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Sammel-Thread der Serie „Mathe für Politiker:innen“
Diese Threads wurden alle durch die erschreckende Ignoranz gegenüber der Relevanz und Notwendigkeit naturwissenschaftlicher und mathematischer Bildung von Politiker*innen motiviert.
Mathematik für Politiker:innen (Frau Dr. Merkel ausgenommen)
Lektion 6: die Null
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der frühen Mathematik war, dass die Zahl Null sinnvoll und notwendig ist, um vernünftig Mathematik betreiben zu können. 1/20
Die Zahl Null (0) hat zwei fundamentale Eigenschaften: 1. addiert man 0 zu irgendeiner Zahl x, so ändert sich diese nicht,
x + 0 = x. 2. multipliziert man irgendeine Zahl x mit 0, so erhält man immer 0,
x*0 = 0.
Diese beiden Eigenschaften legen 0 eindeutig fest. 2/20
Was hat das mit der Pandemie oder der Klimakrise zu tun?
Viele Entscheidungen der Politik werden mit der stillschweigenden Annahme getroffen, dass bestimmte negative Nebenwirkungen keine Rolle spielen, sozusagen 0 sind. 3/20
Mathe für Politiker:innen (Frau Dr. Merkel ausgenommen)
Lektion 5: Boolsche Logik
Die Kultusminister:innen wiederholen seit Monaten die Aussage „die Schulen sind sicher“. Doch diese Aussage ist nicht einfach so wahr. Die Kultusminister:innen führen als Beweis Studien an.
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Doch alle diese Studien wurden zu Zeiten extrem niedriger Inzidenz gemacht. Daher können die Kultusminister:innen nur behaupten: „die Schulen sind sicher, *wenn* die allgemeine Inzidenz sehr niedrig ist“. Das tun sie aber nicht, was ein Fehler in der Anwendung von Logik ist.
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Die Inzidenz ist mittlerweile fast überall sehr hoch. Es gibt mittlerweile Studien aus anderen Ländern bei hoher Inzidenz, die besagen, dass die Schulen dann *nicht* sicher sind.
Folgerung: Die Aussage „die Schulen sind sicher“ ist in anderen Ländern hoher Inzidenz falsch.
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Mathe für Politiker:innen (Frau Doktor Merkel ausgenommen)
Lektion 4: Wahrscheinlichkeitsrechnung
a) Das Infektionsrisiko wird durch Kombination von Maßnahmen effektiv reduziert, weil sich die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten multiplizieren: Pasch würfeln: 1/6 * 1/6 = 2.8%
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Folgerung: Infektionsrisiko in Schulen senkt man nur durch Kombination: halbe Klassen + Masken + Lüften. Wer nur eine Maßnahmen durch eine andere austauscht, macht es möglicherweise sogar schlimmer. Denn:
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Man schätzt, dass sich Infektionsrisiko um 80% reduziert, wenn alle Maske tragen. Ersetze ich Make durch Abstand (Halbierung der Klassen), senke ich Infektionsrisiko nur um 60%, da Abstand allein nicht so effizient gegen Aerosole hilft. Kombiniere ich beides, bringt es viel!
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