Thread by @Trogambouille

Warum gelingt es Kurz so gut sich als Märtyrer und Retter zu inszenieren? Vielleicht wurde zur Persona des Kurz ja auch schon alles gesagt. Ich versuch trotzdem kurz Parallelen zu meiner Forschung zu finden. #Thread

Disclaimer: Alles was ich im Anschluss beschreibe ist naturgemäß nur ein Aspekt unter vielen. Kurz kann man nicht allein aus der Populärkultur heraus erklären.

Also das da zum Beispiel. Dazu gibt und gäbe es noch viel zu sagen. Konzentrieren wir uns vorerst auf Spiele (und die Pop-Kultur allgemein), dann wirkt es plötzlich nicht mehr wie ein Widerspruch.

In digitalen Spielen begegnen wir im Normalfall keinem Parlament. Dasselbe gilt auch für die meisten Filme und Serien und Bücher und und (SW The Clone Wars ist hier eine sehr spannende Ausnahme). Stattdessen begegnen wir politischem Handeln meist in der Figur von Einzelpersonen

Hier spielt natürlich die Logik digitaler Spiele (maximale Agency für die SpielerInnen) und allgemein die Tradition des Hero in unseren Erzählungen eine Rolle.

Darum geht es mir aber gerade auch nicht. Wir lernen auf jeden Fall, und jeden tag aufs neue, in Spielen, wie wichtig das moralische Handeln von Individuen ist, die basierend auf ihrem Wertekompass die "richtigen" Entscheidungen treffen.

Kompromiss und Konsens haben hier keinen Platz. Sie sind pop-kulturell gesprochen einfach "unsexy". Wir erwarten von Individuen, dass sie die Welt retten: Commander Sheppard, dem Inquisitor, Gordon Freeman, Super Mario, Iron Man, Batman, usf. usf.

Auch sind wir es gewohnt, dass etablierte politische Strukturen meist entweder keine Hilfe sind oder aber sogar hinderlich dabei sind das "Richtige" zu tun: der Council in ME, der Umweltschutzbeauftragte (!) Walter Peck in Ghostbusters, Senator Stern in Iron Man.

Noch gewichtiger als die (vereinzelte) Diskreditierung demokratischer institutionen ist mAn aber die extreme Aufwertung des Individuums.

Dabei haben sich unsere Videospiel-Helden nie ihr Schicksal ausgesucht. Sie waren nur zum richtigen zeitpunkt am richtigen Ort und taten, wozu sich niemand anderer getraut hat (wie Kurz). Sie trauten sich unangenehme "Wahrheiten" auszusprechen.

Sie müssen einsame Entscheidungen für das Wohl der Gesellschaft treffen, weil es sonst niemand tut. Im Gegensatz zu komplizierten Institutionen können sie sofort und "richtig" reagieren wenn es notwendig ist.

Wenn unsere Welt gerade von Zombiedrachen, massenmordenden Menschmaschinen, Bowser oder anderen Aliens bedroht wird, ist einfach keine Zeit für politische Kompromisse und komplizierte Entscheidungsfindungen.

Man sollte nie den "Einfluss" oder die "Wirkung" von Massenmedien überschätzen. Zugleich lernen wir hier aber täglich neue Vorbilder kennen, die uns zeigen, wie die Welt aussehen könnte. Eine Welt in der moralische HeldInnen schnell und richtig handeln.

Dabei vergessen wir, wie absurd unrealistisch es ist von einer einzelnen Person zu erwarten, dass sie alle Probleme lösen kann. Hier müssen wir nur ein bisschen Geschichte lernen. Das ist nämlich im Kern das aristokratische bzw. richtiger noch das absolutistische Prinzip.

Es ist furchtbar verlockend, daran zu glauben, dass wir nur auf den oder die "Richtige" warten müssen, um alle Probleme zu lösen. Aber historisch gesehen, haben solche Politikmodelle gar nicht so hervorragend funktioniert.

Und trotzdem funktioniert der Topos des "einsamen Helden" nach wie vor hervorragend. Und gerade heute übernehmen viele Pop-Autokraten wie Trump, Orban und Konsorten gerne das zur Verfügung gestellte Narrativ.

Fehlt einer Partei eine charismatische Führungsperson, sehen wir sie automatisch in der Krise. Und dieses Krisennarrativ wird sogar von den betroffenen Parteien selbst übernommen. Hektisch wird dann nach einem/einer RetterIn gesucht.

Nur damit das auch klar ist: Digitale Spiele sind hier nicht die "Verursacher". Sie reproduzieren einfach eingespielte Narrative und bedienen dominante diskursive Aussagen. Oder: Was bisher funktioniert hat wird verfestigt.

Die Populärkultur funktioniert hier aber auch als Verstärker bereits angebrochener Prozesse, solange es keine echten Gegennarrative gibt.

Und um auch das klar zu stellen: Ich habe nur Spiele zitiert, die ich selber sehr liebe. Ich fände es aber gut, sich weiterhin etwas intensiver mit solchen Prozessen auseinanderzusetzen und eventuell eingespielte Topoi aufzubrechen und zu hinterfragen.

Fazit: Was hat das jetzt alles mit Kurz zu tun? 1. Das Narrativ des Einsamen Helden, der als einziger weiß was "richtig" ist - Check. 2. Die Notwendigkeit sich im Notfall auch gegen demokratische Institutionen zu stellen, wenn es "richtig" ist - check.

Und wir haben Commander Kurz von der Normandy, der vom Council zwar abgesetzt wurde, der aber trotzdem die Welt vor den Reapern retten wird.

Sorry, meine Photoshop-Skills reichten leider nicht aus um hier eine Montage anzubieten, mit der ich ästhetisch zufrieden gewesen wäre.

So sehr ich das Spiel geliebt habe: The Last of Us bedient zB genau dieses Schema. Sowohl das Militär als auch der Widerstand werden als moralisch böse dargestellt und nur Joel selbst entscheidet was "richtig" ist.

Mass Effect, Dragon Age und Fallout ebenso. Auch alles Spiele die ich extrem gut fand. Und last but not least Bioshock Infinite.

Besonders The Last of Us und Bioshock Infinite bedienen den Topos, das beide Extreme gefährlich (und somit böse) sind. Noch so ein Topos den wir auch in unserer Innenpolitik begegnen.